Harald Pamminger: Max Stirner – ein Schüler Hegels?
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OCR-Texterkennung und Copyright by <strong>Max</strong> <strong>Stirner</strong> Archiv Leipzig <strong>–</strong> 12.09.2009<br />
lektik auch zur Auflösung der Philosophie als Geschichtsphilosophie. Der Mensch, das Ich,<br />
der Einzige, ist trotz s<strong>ein</strong>er radikalen, absoluten Endlichkeit ungeschichtlich. Diese Auflösung<br />
leitet sodann zur Entwicklung der Philosophie als Anthropologie über. Es wird im Kreise<br />
der Linkshegelianer <strong>ein</strong>e ,neue Anthropologie‘, die nicht metaphysisch ist, entworfen. Sie<br />
soll das Praktischwerden der Philosophie initiieren.“ 1<br />
In diesem nicht-metaphysischen Entwurf <strong>ein</strong>er ,neuen Antropologie‘ durch die Linkshegelianer<br />
„wird das Ich als Selbstbewußts<strong>ein</strong>, das den absoluten Geist als Prinzip der Philosophie<br />
abgelöst hatte, wieder aufgegeben. Mit dieser Negation wird <strong>ein</strong> neues Fundament für die<br />
Philosophie zu gewinnen gesucht.“ 2<br />
Dieses Fundament ist der Mensch „als leib- und welthaftes Individuum“. 3<br />
[112] <strong>Stirner</strong> proklamiert die absolute Freiheit dieses Individuums. S<strong>ein</strong>e Philosophie ist jedoch<br />
k<strong>ein</strong> ,System‘, „das <strong>ein</strong>e ,Schule gründen und durch sie ausgearbeitet und fester fundiert<br />
werden könnte“. 4<br />
Über <strong>Stirner</strong>s Werk schrieb Ludwig Feuerbach 1844 an s<strong>ein</strong>en Bruder: „Es ist <strong>ein</strong> höchst<br />
geistreiches und geniales Werk und hat die Wahrheit des Egoismus <strong>–</strong> aber exzentrisch, <strong>ein</strong>seitig,<br />
unwahr fixiert <strong>–</strong> für sich. S<strong>ein</strong>e Polemik gegen die Anthropologie, namentlich gegen mich<br />
beruht auf purem Unverstand oder Leichtsinn. Ich gebe ihm Recht, bis auf Eines: im Wesen<br />
trifft er mich nicht. Er ist gleichwohl der genialste und freieste Schriftsteller, den ich kennengelernt.“<br />
5<br />
Auch Karl Marx und Friedrich Engels haben sich mit dem Werk <strong>Stirner</strong>s <strong>–</strong> der s<strong>ein</strong>e<br />
„Sach‘ auf Nichts gestellt“ 6 haben will <strong>–</strong> in der ‚Deutschen Ideologie‘ aus<strong>ein</strong>andergesetzt.<br />
Dies sollte nur belegen, daß <strong>Stirner</strong>s Werk zu s<strong>ein</strong>er Zeit durchaus auf Resonanz gestoßen<br />
ist, auch wenn es später in Vergessenheit geraten ist; dennoch gab es beizeiten <strong>ein</strong>e gewisse<br />
<strong>Stirner</strong>-Renaissance.<br />
Bezogen auf die zeitgeschichtlichen Geschehnisse und deren Auswirkungen auf die deutsche<br />
Philosophie in der Ära nach Hegel <strong>–</strong> und durchaus im Sinne der <strong>Hegels</strong>chen Vorrede zur<br />
Rechtsphilosophie <strong>–</strong> eröffnet Hermann Lübbe, daß „die politische Philosophie seit <strong>Hegels</strong><br />
Tod ... zunächst k<strong>ein</strong>en abendländischen, sondern beispielsweise <strong>ein</strong>en vormärzlichen Sinn“ 7<br />
hat.<br />
[113] Und ebenso bezogen auf den Ausspruch, daß „die Philosophie ihre Zeit in Gedanken<br />
erfaßt“ 8 , führt er an anderer Stelle aus, daß „die Rechtsphilosophie (...) in gewisser Hinsicht,<br />
Aktualität nur innerhalb dieses Zeitraumes (habe); sie hätte, um es trivial zu sagen, weder<br />
vorher noch nachher geschrieben werden können, und was darüber hinaus bedeutet, ist eben<br />
das, was Hegel in dieser aktuellen Situation erkannte oder als bedeutsam erinnerte“. 9<br />
Was nun die politische Philosophie betrifft, so hat man „<strong>Stirner</strong>s Buch ,der Einzige und s<strong>ein</strong><br />
Eigentum‘ zumeist als anarchisches Werk <strong>ein</strong>es Sonderlings aufgefaßt, es ist aber vielmehr<br />
<strong>ein</strong>e letzte Konsequenz aus <strong>Hegels</strong> weltgeschichtlicher Konstruktion, die es <strong>–</strong> allegorisch entstellt<br />
<strong>–</strong> genau wiederholt. <strong>Stirner</strong> selbst bekennt diese Abkunft von Hegel in s<strong>ein</strong>er Besprechung<br />
von Bauers ,Posaune‘. Habe doch Hegel selbst am Schluß s<strong>ein</strong>er Geschichte der Philosophie<br />
dazu aufgefordert, den Geist zu ergreifen und s<strong>ein</strong>e Verschlossenheit an den Tag zu<br />
1 Ebd.<br />
2 Ebd. S. 47.<br />
3 Ebd.<br />
4 Mackay: <strong>Stirner</strong>. S. 131.<br />
5 Ebd. S. 166.<br />
6 EE 412.<br />
7 Lübbe, Hermann: Politische Philosophie in Deutschland. Studien zu ihrer Geschichte. Basel 1963. S. 11.<br />
8 Hegel: Werke. Bd. 7. S. 26.<br />
9 Lübbe, H.: Politische Philosophie. S. 14.