Harald Pamminger: Max Stirner – ein Schüler Hegels?
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OCR-Texterkennung und Copyright by <strong>Max</strong> <strong>Stirner</strong> Archiv Leipzig <strong>–</strong> 12.09.2009<br />
„<strong>Hegels</strong> Versöhnung der Vernunft mit dem Glauben und des Christentums mit dem Staat im<br />
Elemente der Philosophie war um 1840 zu Ende gekommen. Der zeitgeschichtliche Bruch<br />
mit der <strong>Hegels</strong>chen Philosophie ist bei Marx <strong>ein</strong> Bruch mit der Staatsphilosophie und bei<br />
Kierkegaard mit der Religionsphilosophie, überhaupt mit der Ver<strong>ein</strong>igung von Staat, Christentum<br />
und Philosophie. Diesen Bruch hat Feuerbach ebenso entschieden vollzogen wie<br />
Marx und B. Bauer nicht minder als Kierkegaard, nur auf verschiedene Weise. Feuerbach reduziert<br />
das Wesen des Christentums auf den sinnlichen Menschen, Marx auf die Widersprüche<br />
in der menschlichen Welt, Bauer erklärt s<strong>ein</strong>en Hervorgang aus dem Untergang der römischen<br />
Welt und Kierkegaard reduziert es, unter Preisgabe des christlichen Staates, der christlichen<br />
Kirche und Theologie, kurz s<strong>ein</strong>er ganzen weltgeschichtlichen Realität, auf das Paradox<br />
<strong>ein</strong>es verzweifelt-entschlossenen Sprungs in den Glauben. Worauf immer sie das bestehende<br />
Christentum reduzieren, sie destruieren gem<strong>ein</strong>sam die bürgerlich-christliche Welt und<br />
damit auch <strong>Hegels</strong> philosophische Theologie der Versöhnung. Die Wirklichkeit erschien ihnen<br />
nicht mehr im Lichte der Freiheit des Beisichselbsts<strong>ein</strong>s, sondern im Schatten der Selbstentfremdung<br />
des Menschen. Im klaren Bewußts<strong>ein</strong> um das volle Ende von <strong>Hegels</strong> christlicher<br />
Philosophie haben Feuerbach und Ruge, <strong>Stirner</strong> und Bauer, Kierkegaard und Marx als die<br />
wirklichen Erben der <strong>Hegels</strong>chen Philosophie <strong>ein</strong>e Veränderung proklamiert, die den bestehenden<br />
Staat und das bestehende Christentum entschieden negiert. Ebenso wie die Junghegelianer<br />
haben auch die Althegelianer den endgeschichtlichen Sinn von <strong>Hegels</strong> Lehre begriffen.<br />
Sie waren so konsequent, daß sie noch um 1870 [7] alle seit Hegel hervorgetretenen Philosophien<br />
als die bloße Nachgeschichte s<strong>ein</strong>es Systems verstanden, während die Junghegelianer<br />
es mit s<strong>ein</strong>er eigenen Methode zersetzten. Sie alle haben gegenüber den Neuhegelianern den<br />
Vorzug, daß sie den Anspruch nicht verkannten, der im ,Schluß‘ der Logik und Phänomenologie,<br />
im ,System‘ der Enzyklopädie und im ,Beschluß‘ der Geschichte der Philosophie<br />
liegt.“ 1<br />
Diese sehr verkürzte Darstellung sollte den revolutionären Bruch im politischphilosophischen<br />
Denken des 19. Jahrhunderts vorerst <strong>ein</strong>mal dokumentieren und vor allem<br />
die herausragende Stellung <strong>Hegels</strong>, als Höhepunkt des Deutschen Idealismus herausstreichen.<br />
„Mit <strong>Hegels</strong> Tod setzte <strong>ein</strong>e Spaltung s<strong>ein</strong>er Schule <strong>ein</strong>, in der sich die Wirkung externer politischer<br />
Faktoren deutlich niederschlug. Das Eindringen der Tagespolitik zeigte unabweisbar<br />
das Ende philosophischer Selbstgewißheit an. Die sogenannten Rechtshegelianer machten ihren<br />
Frieden mit den Mächten von Staat und Kirche, während die Linkshegelianer in ständigem<br />
Streit mit der Obrigkeit lagen. Die Linke war die historisch <strong>ein</strong>flußreichere Fraktion. Sie<br />
faßte Philosophie im Prinzip als Kritik am Bestehenden auf und hat planmäßig den in dieser<br />
Aus<strong>ein</strong>andersetzung parteilosen Gedanken als Verrat des Geistes verschrien. Marx ruft<br />
schließlich zur revolutionären Veränderung in der Praxis auf, womit er die Sphäre der r<strong>ein</strong>en<br />
Theorie <strong>ein</strong> für allemal hinter sich läßt. Dieser Entschluß macht vollends deutlich, daß die<br />
Wege der Politik und des idealistischen Denkens nicht in Über<strong>ein</strong>stimmung, sondern eher in<br />
Opposition verlaufen sind.“ 2<br />
[8]<br />
2. Der „Gang des Deutschen Idealismus“<br />
2. 1. Immanuel Kant<br />
Man kann zwar Karl Löwith im großen und ganzen beipflichten, wenn er dem 19. Jahrhundert<br />
<strong>ein</strong>en so großen Rahmen <strong>–</strong> von der Französischen Revolution bis zum Ersten Weltkrieg <strong>–</strong><br />
gibt, aber er darf sich in Bezug auf die Philosophie nicht mit den „beiden Enden“ Hegel und<br />
1 Ebd. S. 69.<br />
2 Bubner, Rüdiger (Hrsg.): Geschichte der Philosophie in in Text und Darstellung. Bd. 6. Deutscher Idealismus.<br />
Stuttgart 1968, Reclam. S. 25