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Harald Pamminger: Max Stirner – ein Schüler Hegels?

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OCR-Texterkennung und Copyright by <strong>Max</strong> <strong>Stirner</strong> Archiv Leipzig <strong>–</strong> 12.09.2009<br />

Werke heraus“. 1<br />

Hegel setzte sich während s<strong>ein</strong>er Zeit als Rektor aber auch mit dem Sinn der philosophischen<br />

Bildung an Gymnasien aus<strong>ein</strong>ander und so legte er Niethammer in „mehreren Briefen“ „und<br />

in <strong>ein</strong>em Privatgutachten“ dar, „wie er den Lehrplan verstand, ihn erfüllte bzw. abänderte“. 2<br />

[80] In dem „Privatgutachten für den Königlich Bayrischen Oberschulrat Immanuel<br />

Niethammer“ mit dem Titel ‚Über den Vortrag der Philosophie auf Gymnasien‘ (1812)<br />

heißt es unter anderem: „Was den Vortrag der Philosophie auf Gymnasien betrifft, so ist erstens<br />

die abstrakte Form zunächst die Hauptsache. Der Jugend muß zuerst das Sehen und Hören<br />

vergehen, sie muß vom konkreten Vorstellen abgezogen, in die innere Nacht der Seele zurückgezogen<br />

werden, auf diesem Boden sehen, Bestimmungen festhalten und unterscheiden<br />

lernen.<br />

Ferner, abstrakt lernt man denken durch abstraktes Denken. Man kann nämlich entweder<br />

vom Sinnlichen, Konkreten anfangen wollen und dieses zum Abstrakten durch Analyse heraus-<br />

und hinaufpräparieren, so <strong>–</strong> wie es sch<strong>ein</strong>t <strong>–</strong> den naturgemäßen Gang nehmen, wie auch<br />

so vom Leichteren zum Schwereren aufsteigen. Oder aber man kann gleich vom abstrakten<br />

selbst beginnen und dasselbe an und für sich nehmen, lehren und verständlich machen. Erstlich,<br />

was die Vergleichung beider Wege betrifft, so ist der erste gewiß naturgemäßer, aber<br />

darum der unwissenschaftliche Weg. Obwohl es naturgemäßer ist, daß <strong>ein</strong>e das Runde ungefähr<br />

enthaltende Scheibe aus <strong>ein</strong>em Baumstamme, durch Abstreifen der ungleichen, herausstehenden<br />

Stückchen nach und nach abgerundet worden sei, so verfährt doch der Geometer<br />

nicht so, sondern er macht mit dem Zirkel oder der freien Hand gleich <strong>ein</strong>en genauen abstrakten<br />

Kreis. Es ist der Sache gemäß, weil das R<strong>ein</strong>e, das Höhere, das Wahrhafte natura<br />

prius ist, mit ihm in der Wissenschaft auch anzufangen; denn sie ist das Verkehrte des bloß<br />

naturgemäßen, d. h. ungeistigen Vorstellens; wahrhaft ist jenes das Erste, und die Wissenschaft<br />

soll tun, wie es wahrhaft ist.<br />

<strong>–</strong> Zweitens ist es <strong>ein</strong> völliger Irrtum, jenen naturgemäßen, beim konkreten Sinnlichen anfangenden<br />

und zum Gedanken fortgehenden Weg für den leichtern zu halten. Es ist im [81] Gegenteil<br />

der schwere, <strong>–</strong> wie es leichter ist, die Elemente der Tonsprache, die <strong>ein</strong>zelnen Buchstaben,<br />

auszusprechen und zu lesen als ganze Worte. <strong>–</strong> Weil das Abstrakte das Einfachere ist,<br />

ist es leichter aufzufassen. Das konkrete sinnliche Beweisen ist ohnehin wegzustreifen; es ist<br />

daher überflüssig, es vorher dazu zu nehmen, das wieder weggeschafft werden muß, und es<br />

wirkt nur zerstreuend. Das Abstrakte ist als solches verständlich genug, so viel nötig ist; der<br />

rechte Verstand soll ja überdies erst durch die Philosophie hin<strong>ein</strong>kommen. Es ist kaum darum<br />

zu tun, die Gedanken von dem Universum in den Kopf zu bekommen; die Gedanken aber<br />

sind überhaupt das Abstrakte. Das formelle gehaltlose Räsonnement ist freilich auch abstrakt<br />

genug. Aber es wird vorausgesetzt, daß man Gehalt und den rechten Inhalt habe; der leere<br />

Formalismus, die gehaltlose Abstraktion aber, wäre es auch über das Absolute, wird eben<br />

durch das Obige am besten vertrieben, nämlich durch den Vortrag <strong>ein</strong>es bestimmten Inhalts.“<br />

3<br />

Die im vierten Band, der bei Suhrkamp erschienenen Werke, enthalten „Zeugnisse, dazu <strong>Hegels</strong><br />

Berichte über s<strong>ein</strong>e Unterrichtsgegenstände, und andere Dokumente geben wichtige Anhaltspunkte<br />

für die Ortung und Beurteilung der aus <strong>Hegels</strong> Nürnberger Jahren erhaltenen<br />

Schriften. Es war die Zeit, in welcher die Wissenschaft der Logik (1812-16) entstand und die<br />

Heidelberger Enzyklopädie (1817) allmählich (sich) herausbildete“. 4<br />

1 Hegel: Werke. Bd. 4. S. 604.<br />

2 Ebd. S. 599.<br />

3 Ebd. S. 413 f.<br />

4 Ebd. S. 599.

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