Harald Pamminger: Max Stirner – ein Schüler Hegels?
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OCR-Texterkennung und Copyright by <strong>Max</strong> <strong>Stirner</strong> Archiv Leipzig <strong>–</strong> 12.09.2009<br />
es dessen <strong>ein</strong>ziges systematisches Werk geblieben wäre. Frühe Resonanz und Bewunderung<br />
fand die Phänomenologie freilich nicht. Ihr Ruhm stellte sich zögernd <strong>ein</strong>. Dafür aber war ihre<br />
Wirkung um so nachhaltiger. Weit über den Bereich philosophischer Fachdiskussion hinausgehend,<br />
erreichte sie Essayisten, Literaturwissenschaftler, Historiker, Theologen, reflektierte<br />
Politiker und Dichter. Sie dauert an bis auf den heutigen Tag“ 1 , lautet die Würdigung<br />
für dieses Werk und s<strong>ein</strong>en Verfasser im Vorwort zu dem Buch „Materialien zu <strong>Hegels</strong><br />
,Phänomenologie des Geistes‘“, herausgegeben von H. F. Fulda und D. Henrich.<br />
Was den nicht erschienenen zweiten Band betrifft, so weist Hegel am Ende der Vorrede zur<br />
ersten Auflage der Logik auf die Beziehung der Wissenschaft, die er Phänomenologie des<br />
Geistes nennt, zur Logik hin, und fährt dann fort: „Was das äußerliche Verhältnis betrifft, so<br />
war dem ersten Teil des ,Systems der Wissenschaft‘, der die Phänomenologie enthält, [72]<br />
<strong>ein</strong> zweiter zu folgen bestimmt, welcher die Logik und die beiden realen Wissenschaften der<br />
Philosophie, die Philosophie der Natur und die Philosophie des Geistes, enthalten sollte und<br />
das System der Wissenschaft beschlossen haben würde. Aber die notwendige Ausdehnung,<br />
welche die Logik für sich erhalten mußte, hat mich veranlaßt, diese besonders ans Licht treten<br />
zu lassen; sie macht also in <strong>ein</strong>em erweiterten Plane die erste Folge zur Phänomenologie des<br />
Geistes aus.“ 2<br />
Somit behält dieser erste Teil <strong>ein</strong>es Systems der Wissenschaft in weiterer Beziehung und in<br />
weiterem Gebrauch den Titel ‚Phänomenologie des Geistes‘ bei.<br />
Als letzten Hinweis auf die Geschichte dieses Buches wäre noch zu erwähnen, daß Hegel das<br />
Manuskript im Oktober 1806 abgeschlossen hatte. Er „war im November zum Korrekturlesen<br />
und zur Überwachung des Druckes nach Bamberg gekommen, hatte im Jahre 1807 in Jena<br />
die Vorrede fertiggestellt und im März, nachdem er nach Bamberg übersiedelt war, die letzten<br />
Korrekturen erledigt“. 3<br />
„Die ,Phänomenologie des Geistes‘“, schreibt Charles Taylor, „kann als <strong>ein</strong>e Art Einführung<br />
in <strong>Hegels</strong> System gesehen werden, deren Funktion darin besteht, den Leser von s<strong>ein</strong>em<br />
Standpunkt <strong>–</strong> den Vorurteilen des gewöhnlichen Bewußts<strong>ein</strong>s <strong>–</strong> fortzuführen zur wahren Wissenschaft.<br />
Darin erschöpft sich allerdings nicht ihre ganze Funktion. Es ist die Absicht von<br />
<strong>Hegels</strong> Gedankensystem, die Abhängigkeit aller Teile der Wirklichkeit von <strong>ein</strong>em Absoluten<br />
zu zeigen, das umgekehrt wiederum diese Teile der Wirklichkeit erzeugen muß.<br />
Dieser Standpunkt kennt k<strong>ein</strong>e Wirklichkeit <strong>–</strong> sei sie auch noch so anspruchslos und bruchstückartig<br />
<strong>–</strong>, die außerhalb des Systems liegt, und es gibt für ihn bei der Herausarbeitung und<br />
Bestimmung des Übergangs zwischen den verschie[73]denen Wirklichkeitsebenen k<strong>ein</strong>e, die<br />
als nebensächlich betrachtet werden könnte.“ 4<br />
Dies bezieht sich für ihn auf „Bewußts<strong>ein</strong>sformen, in <strong>ein</strong>em System, in dem das Absolute der<br />
Geist ist. Die Entwicklung des Geistes zur Selbsterkenntnis führt durch anfängliche Verwirrungen,<br />
Mißverständnisse und verstümmelte Auffassungen der Menschen. Folglich befinden<br />
sich diese nicht außerhalb des Systems. Diese anfängliche Dunkelheit beschreibt vielmehr <strong>ein</strong><br />
wichtiges Kriterium des Absoluten. Es muß durch Kampf zur Selbsterkenntnis wachsen. Es<br />
kann k<strong>ein</strong>e Einführung in die Wissenschaft des Absoluten geben, die nicht auch Teil dieser<br />
Wissenschaft wäre, und k<strong>ein</strong> bloßes Aufbereiten des Bodens, das nicht auch <strong>ein</strong>en Bestandteil<br />
der Errichtung des Gebäudes darstellt“. 5<br />
In diesem Sinne vermerkt Hegel in der Vorrede zur ‚Phänomenologie des Geistes‘: „Sowenig<br />
1 Fulda, Hans H<strong>ein</strong>rich / Henrich, Dieter: Materialien zu <strong>Hegels</strong> ‚Phänomenologie des Geistes‘. stw. Frankfurt/M.<br />
1973. S. 8.<br />
2 Hegel: Werke. Bd. 5. S. 18.<br />
3 Ebd. Bd. 3. S. 595.<br />
4 Taylor, Ch.: Hegel. S. 177.<br />
5 Ebd.