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Harald Pamminger: Max Stirner – ein Schüler Hegels?

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OCR-Texterkennung und Copyright by <strong>Max</strong> <strong>Stirner</strong> Archiv Leipzig <strong>–</strong> 12.09.2009<br />

<strong>Stirner</strong> hält sich völlig an Feuerbachs Diktion der „Diesseitigkeit“, sieht jedoch nicht mehr<br />

Gott im Wesen des Menschen, sondern den Einzigen in s<strong>ein</strong>er Wesenheit, mit s<strong>ein</strong>en Gattungsfunktionen,<br />

in diesem verwirklicht, als <strong>ein</strong>zige „höchste“ Wahrheit.<br />

Er überträgt Feuerbachs „wenn man Gott nicht denkt, so gibt es k<strong>ein</strong> Gott“ auf die <strong>Hegels</strong>chen<br />

Kategorien Recht, Moralität und Sittlichkeit in s<strong>ein</strong>en Ausprägungen Familie, Ehe,<br />

Staat etc.<br />

So würde es bei ihm heißen <strong>–</strong> besser: so heißt es bei ihm <strong>–</strong> „wenn ich k<strong>ein</strong>en Staat denke, so<br />

gibt es ihn nicht“. Staat steht hier als Synonym für andere Kategorien.<br />

Dabei handelt es sich nicht bloß um <strong>ein</strong>e institutionelle Ablehnung, sondern um <strong>ein</strong>e grundsätzliche<br />

Vern<strong>ein</strong>ung jeglicher sich zur „Religion“, zum „Dogmatismus“ aufwerfenden [533]<br />

Art des menschlich, gesellschaftlichen Zusammenlebens. Somit ist <strong>ein</strong>e Kollision mit der <strong>Hegels</strong>chen<br />

Denkungsart vorprogrammiert.<br />

Versucht Hegel noch aus der Abstraktion zum Konkreten zu gelangen, so geht <strong>Stirner</strong> vom<br />

Konkreten aus, um in der Abstraktion die „wirkliche Idee“, s<strong>ein</strong>e wirkliche Idee zu realisieren.<br />

Daß <strong>Stirner</strong> faktisch <strong>ein</strong> <strong>Schüler</strong> Hagels war, ist aus dem Abschnitt über s<strong>ein</strong> Leben zu entnehmen;<br />

saß er doch mit anderen auch „zu dessen Füßen“, um gespannt s<strong>ein</strong>em Vortrag zu<br />

lauschen. (vgl. Mackay)<br />

Inwiefern er <strong>Hegels</strong> Lehre internalisiert hat und zur Anwendung durch s<strong>ein</strong>e eigenen Gedanken<br />

gebracht hat, ist umstritten (?).<br />

Die Tatsache der Ablehnung des Staates als höchste Form der in der ‚Rechtsphilosophie‘<br />

dargestellten „Idee der Freiheit“ in der Sittlichkeit, läßt es jedoch zweifelhaft ersch<strong>ein</strong>en, daß<br />

er <strong>Hegels</strong> Dialektik Folge geleistet hat oder ob der „Empörer“ diese nur kategorisch abgelehnt<br />

hat.<br />

Der <strong>Hegels</strong>che Gedanke vom Aufbau des Staates, des Zusammenlebens der Menschen unter<strong>ein</strong>ander,<br />

wird von <strong>Stirner</strong> vollständig über den Haufen geworfen.<br />

Bei ihm basiert dieses Zusammenleben auf völliger „Freiwilligkeit“, sch<strong>ein</strong>bar ohne jegliche<br />

„Ordnung“.<br />

Hegel, Feuerbach und <strong>Stirner</strong> ist jedoch <strong>ein</strong>es gem<strong>ein</strong>; sie bewegen sich in der „Idee der<br />

Freiheit“, wenn auch mit unterschiedlichen Zielsetzungen.<br />

[534] „Die Idee der Freiheit“ ist für Hegel „das lebendige Gute, das in dem Selbstbewußts<strong>ein</strong><br />

s<strong>ein</strong> Wissen, Wollen und durch dessen Handeln s<strong>ein</strong>e Wirklichkeit ... hat, <strong>–</strong> der zur vorhandenen<br />

Welt und zur Natur des Selbstbewußts<strong>ein</strong>s gewordene Begriff der Freiheit“. 1<br />

Für ihn bedeutet Sittlichkeit „daß m<strong>ein</strong> Wille als dem Begriff gemäß gesetzt sei <strong>–</strong> s<strong>ein</strong>e Subjektivität<br />

aufgehoben sei“.<br />

So sind für ihn „Ehe, Staat die <strong>ein</strong>zigen sittlichen Ganzen“. (vgl. Zusatz § 142 Rechtsphilosophie)<br />

Freiheit ist nach Hegel „dort daseiend, wo wir Rechtsverhältnisse haben. Das heißt nicht, daß<br />

Rechtsverhältnisse Freiheit schon verwirklichten, aber sie sind die Bedingungen ihres Das<strong>ein</strong>s.<br />

So lange der ,Gedanke Freiheit‘ in m<strong>ein</strong>em Herzen oder auch in m<strong>ein</strong>em Kopf ist, im<br />

theoretischen Sinne nicht erkannt, im praktischen von der Gesellschaft nicht anerkannt ist, ist<br />

Freiheit nicht wirkliche Freiheit, sondern so abstrakt, daß verschiedene Auffassungen von der<br />

gesellschaftlich wünschenswerten Ordnung des menschlichen Lebens verschiedene sogenannte<br />

Begriffe der Freiheit ausbilden können. Sie können dann gegen<strong>ein</strong>ander nur noch mit Gewalt<br />

ausgetragen werden“. 2<br />

1 Hegel: Werke. Bd. 7. S. 292.<br />

2 Liebrucks, Bruno: Recht, Moralität und Sittlichkeit bei Hegel. In: Riedel, M.: Materialien zur Rechtsphilosophie.<br />

Bd. 2. S. 13.

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