Harald Pamminger: Max Stirner – ein Schüler Hegels?
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OCR-Texterkennung und Copyright by <strong>Max</strong> <strong>Stirner</strong> Archiv Leipzig <strong>–</strong> 12.09.2009<br />
als höchste Wahrheit.“ 1<br />
In der Religion besteht die Identität des Wesens des Menschen mit der Anschauung vom<br />
Wesen der Welt und des Menschen.<br />
Den im Wesen des Menschen als höchste Wahrheit angeschauten Gott „bezweifeln, heißt<br />
mich selbst bezweifeln. Nur das, wo Gott abstrakt gedacht wird, s<strong>ein</strong>e Prädikate durch philosophische<br />
Abstraktion vermittelt sind, entsteht die Unterscheidung oder Trennung zwischen<br />
Subjekt und Prädikat, Existenz und Wesen <strong>–</strong> entsteht der Sch<strong>ein</strong>, daß die Existenz oder das<br />
Subjekt etwas andres ist, als das Prädikat, etwas Unmittelbares, Unbezweifelbares im Unterschiede<br />
von dem bezweifelbaren Prädikat. Aber es ist nur <strong>ein</strong> Sch<strong>ein</strong>. Gott, der abstrakte<br />
Prädikate, hat auch <strong>ein</strong>e abstrakte Existenz. Die Existenz, das S<strong>ein</strong> ist so verschieden, als<br />
die Qualität verschieden ist.<br />
Die Identität des Subjekts und Prädikats erhellt am deutlichsten aus dem Entwicklungsgange<br />
der Religion, welcher identisch mit dem Entwicklungsgange der menschlichen Kultur.“ 2<br />
[529] Für Feuerbach sind es „die persönlichen Prädikate all<strong>ein</strong> ..., welche das Wesen der<br />
Religion begründen, in welchen das göttliche Wesen der Religion Gegenstand ist. ... als persönliche<br />
Bestimmungen, r<strong>ein</strong> menschliche Bestimmungen sind, und daß sich folglich der<br />
Mensch in der Religion im Verhalten zu Gott zu s<strong>ein</strong>em eigenen Wesen verhält“. 3<br />
Dennoch gesteht er <strong>ein</strong>, „daß, je menschlicher dem Wesen nach Gott ist, um so größer<br />
sch<strong>ein</strong>bar der Unterschied zwischen ihm und dem Menschen ist, d. h. um so mehr von der<br />
Reflexion über die Religion, von der Theologie die Identität, die Einheit des göttlichen<br />
und menschlichen Wesens geleugnet, und das Menschliche, wie es als solches dem Menschen<br />
Gegenstand s<strong>ein</strong>es Bewußts<strong>ein</strong>s ist, herabgesetzt wird ... Je mehr das Sinnliche vern<strong>ein</strong>t<br />
wird, desto sinnlicher ist der Gott, dem das Sinnliche geopfert wird. Was man<br />
nämlich der Gottheit opfert <strong>–</strong> darauf legt man <strong>ein</strong>en besondern Wert, daran hat Gott <strong>ein</strong> besonderes<br />
Wohlgefallen ... Der Mensch bejaht in Gott, was er an sich selbst vern<strong>ein</strong>t“. 4<br />
Bezüglich dieser Selbstvern<strong>ein</strong>ung schreibt Feuerbach weiter: „So vern<strong>ein</strong>t der Mensch in<br />
der Religion s<strong>ein</strong>e Vernunft: er weiß nichts aus sich von Gott, s<strong>ein</strong>e Gedanken sind nur weltlich,<br />
irdisch: er kann nur glauben, was Gott ihm offenbart. Aber dafür sind die Gedanken Gottes<br />
menschliche, irdische Gedanken; er hat Pläne, wie der Mensch, im Kopf; er bequemt sich<br />
nach den Umständen und Verstandeskräften der Menschen wie <strong>ein</strong> Lehrer nach der Fassungskraft<br />
s<strong>ein</strong>er <strong>Schüler</strong>; er berechnet genau den Effekt s<strong>ein</strong>er Gaben und Offenbarungen; er<br />
beobachtet den Menschen in all s<strong>ein</strong>em Tun und Treiben; er weiß alles <strong>–</strong> auch das Irdischste,<br />
das Gem<strong>ein</strong>ste, das Schlechteste. Kurz, der Mensch vern<strong>ein</strong>t Gott gegenüber s<strong>ein</strong> Wissen,<br />
s<strong>ein</strong> Denken, um in Gott s<strong>ein</strong> Wissen, s<strong>ein</strong> Denken zu setzen. Der Mensch gibt s<strong>ein</strong>e Person<br />
auf, aber dafür ist ihm Gott, das allmächtige, unumschränkte [530] Wesen <strong>ein</strong> persönliches<br />
Wesen; er vern<strong>ein</strong>t die menschliche Ehre, das menschliche Ich, aber dafür ist ihm Gott <strong>ein</strong><br />
selbstisches, egoistisches Wesen, das in allem nur sich, nur s<strong>ein</strong>e Ehre, s<strong>ein</strong>en Nutzen sucht,<br />
Gott eben die Selbstbefriedigung der eignen, gegen alles andere mißgünstigen Selbstischkeit,<br />
Gott der Selbstgenuß des Egoismus. Die Religion vern<strong>ein</strong>t ferner das Gute als <strong>ein</strong>e Beschaffenheit<br />
des menschlichen Wesens: der Mensch ist schlecht, verdorben, unfähig zum Guten,<br />
aber dafür ist Gott nur gut, Gott das gute Wesen. Es wird die wesentliche Forderung gemacht,<br />
daß das Gute als Gott dem Menschen Gegenstand sei.“ 5<br />
Dies bedeutet jedoch nichts anderes, als daß das Gute <strong>ein</strong>e „wesentliche Bestimmung des<br />
1 Ebd., S. 62.<br />
2 Ebd., S. 63.<br />
3 Ebd., S. 69 f.<br />
4 Ebd., S. 70 ff.<br />
5 Ebd., S. 73.