Harald Pamminger: Max Stirner – ein Schüler Hegels?
Harald Pamminger: Max Stirner – ein Schüler Hegels?
Harald Pamminger: Max Stirner – ein Schüler Hegels?
- No tags were found...
Create successful ePaper yourself
Turn your PDF publications into a flip-book with our unique Google optimized e-Paper software.
OCR-Texterkennung und Copyright by <strong>Max</strong> <strong>Stirner</strong> Archiv Leipzig <strong>–</strong> 12.09.2009<br />
Wenn Theologie und Philosophie den gleichen Gegenstand besitzen, die Philosophie aber in<br />
der Sukzession der Zeiten die verschiedenen Stufen der allmählich sich vollendenden Selbsterkenntnis<br />
ist, die sich realiter im philosophierenden Menschen verwirklicht, dann bleibt der<br />
Mensch doch das selbständige Zentrum der Welt.<br />
Dazu kam, daß Hegel den Geist wesentlich als das Tätige, sich Manifestierende begriff, so<br />
nämlich, daß in dem, was der Geist schafft, erkannt wird, was der Geist an und für sich ist.<br />
Danach muß in Religion und Kunst, Recht und Staat <strong>ein</strong>en Ausdruck finden, was der Mensch<br />
selbst ist. Sofern der Mensch der Schöpfer dieser Gebilde ist, kann man auch die Anthropologie<br />
zur Grundwissenschaft erheben.“ 1<br />
Dabei geht Feuerbach vom Bewußts<strong>ein</strong> aus, welches „im strengen Sinne ... nur da [ist], wo<br />
<strong>ein</strong>em Wesen s<strong>ein</strong>e Gattung, s<strong>ein</strong>e Wesenheit Gegenstand ist.“ 2<br />
[523] Wo dieses Bewußts<strong>ein</strong> ist, „da ist die Fähigkeit zur Wissenschaft. Die Wissenschaft ist<br />
das Bewußts<strong>ein</strong> der Gattungen. Im Leben verkehren wir mit Individuen, in der Wissenschaft<br />
mit Gattungen. Aber nur <strong>ein</strong> Wesen, dem s<strong>ein</strong>e eigene Gattung, s<strong>ein</strong>e Wesenheit Gegenstand<br />
ist, kann andere Dinge oder Wesen nach ihrer wesentlichen Natur zum Gegenstande machen“.<br />
3<br />
Dabei bedient sich der Mensch bestimmter Gattungsfunktionen <strong>–</strong> des Denkens, des Sprechens<br />
<strong>–</strong> welche er im Gegensatz zum Tier auch ohne <strong>ein</strong>en andern verrichten kann.<br />
„Der Mensch ist sich zugleich Ich und Du; er kann sich selbst an die Stelle des andern setzen,<br />
eben deswegen, weil ihm s<strong>ein</strong>e Gattung, s<strong>ein</strong> Wesen, nicht nur s<strong>ein</strong>e Individualität Gegenstand<br />
ist.<br />
Das Wesen des Menschen ... ist nicht nur der Grund, sondern auch der Gegenstand der Religion.<br />
Aber die Religion ist das Bewußts<strong>ein</strong> des Unendlichen.<br />
... Bewußts<strong>ein</strong> im strengen oder eigentlichen Sinne und Bewußts<strong>ein</strong> des Unendlichen ist<br />
untrennbar; beschränktes Bewußts<strong>ein</strong> ist k<strong>ein</strong> Bewußts<strong>ein</strong>; das Bewußts<strong>ein</strong> ist wesentlich<br />
allumfassender, unendlicher Natur. Das Bewußts<strong>ein</strong> des Unendlichen ist nichts anderes als<br />
das Bewußts<strong>ein</strong> von der Unendlichkeit des Bewußts<strong>ein</strong>s. Oder: im Bewußts<strong>ein</strong> des Unendlichen<br />
ist dem Bewußts<strong>ein</strong> die Unendlichkeit des eigenen Wesens Gegenstand.“ 4<br />
Ohne Gegenstand ist der Mensch nichts, aber „der Gegenstand, auf welchen sich <strong>ein</strong> Subjekt<br />
wesentlich, notwendig bezieht, ist nichts anders, als das eigene, aber gegenständliche Wesen<br />
des Subjekts. ...<br />
An dem Gegenstande wird daher der Mensch s<strong>ein</strong>er selbst bewußt: das Bewußts<strong>ein</strong> des Gegenstandes<br />
ist das Selbstbewußts<strong>ein</strong> des Menschen. Aus dem Gegenstande erkennst du den<br />
Menschen; an ihm ersch<strong>ein</strong>t dir s<strong>ein</strong> Wesen: der Gegenstand ist s<strong>ein</strong> offenbares Wesen, s<strong>ein</strong><br />
wahres, objektives Ich.<br />
[524] Und dies gilt k<strong>ein</strong>eswegs nur von den geistigen, sondern selbst auch von den sinnlichen<br />
Gegenständen. Auch die dem Menschen fernsten Gegenstände sind, weil und wiefern<br />
sie ihm Gegenstände sind, Offenbarungen des menschlichen Wesens.“ 5<br />
Ebenso verhält es sich mit Gott.<br />
Darum führt er weiters aus: „Das absolute Wesen, der Gott des Menschen ist s<strong>ein</strong> eigenes<br />
Wesen. Die Macht des Gegenstandes über ihn ist daher die Macht des eigenen Wesens. So<br />
ist die Macht des Gegenstandes des Gefühls die Macht des Gefühls, die Macht des Gegenstandes<br />
der Vernunft die Macht der Vernunft selbst, die Macht des Gegenstandes des Wil-<br />
1 Ebd., S. 83 f.<br />
2 Feuerbach, Ludwig: Das Wesen des Christentums. (Reclam) Stuttgart 1988. S. 37.<br />
3 Ebd.<br />
4 Ebd., S. 38.<br />
5 Ebd., S. 41.