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Harald Pamminger: Max Stirner – ein Schüler Hegels?

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OCR-Texterkennung und Copyright by <strong>Max</strong> <strong>Stirner</strong> Archiv Leipzig <strong>–</strong> 12.09.2009<br />

Diese Diskrepanz wäre überwunden, wenn man „[aufhörte] zwischen Mir, wie Ich bin, und<br />

Mir, wie ich s<strong>ein</strong> soll“ 1 zu unterscheiden.<br />

Realisation findet das „Ideal ,der Mensch‘ ... wenn ... die christliche Anschauung umschlägt<br />

in den Satz: ,Ich, dieser Einzige, bin der Mensch‘. Die Begriffsfrage: ,was ist der<br />

Mensch?‘ <strong>–</strong> hat sich dann in die persönliche umgesetzt: ,wer ist der Mensch?‘; Bei ,was‘<br />

sucht man den Begriff, um ihn zu realisieren; bei ,wer‘ ist‘s überhaupt k<strong>ein</strong>e Frage<br />

mehr, sondern die Antwort im Fragenden gleich persönlich vorhanden: die Frage beantwortet<br />

sich von selbst.“ 2<br />

[520] Trotz aller Gegensätzlichkeit zu Hegel <strong>–</strong> s<strong>ein</strong>e Aus<strong>ein</strong>andersetzung mit ihm wurde hier<br />

verdeutlicht <strong>–</strong> bleibt <strong>Stirner</strong> dem Satz aus der Vorrede zu <strong>Hegels</strong> Rechtsphilosophie „Was<br />

vernünftig ist, ist wirklich; und was wirklich ist, das ist vernünftig“ 3 „treu“, auch wenn<br />

in s<strong>ein</strong>em Fall das Vernünftige, Wirkliche, der sich selbst wissende „Einzige“ ist.<br />

[521] <strong>Max</strong> <strong>Stirner</strong>, <strong>ein</strong>er der Vertreter der <strong>Hegels</strong>chen Linken, geht bei s<strong>ein</strong>en Überlegungen<br />

von G. W. F. Hegel und Ludwig Feuerbach aus und versucht in s<strong>ein</strong>em Werk ‚Der Einzige<br />

und s<strong>ein</strong> Eigentum‘ den Nachweis zu erbringen, daß „das <strong>ein</strong>zige Reale das Individuum sei,<br />

das Ich, und daß etwas nur insofern Wert habe, als es dem Ich dient: ,Mir geht nichts über<br />

Mich‘. Die Philosophie <strong>Stirner</strong>s ist das Musterbeispiel <strong>ein</strong>es konsequent durchdachten Individualismus“.<br />

4<br />

So konsequent, daß er „<strong>ein</strong>en unbändigen Individualismus und die Durchbrechung aller moralischen<br />

und rechtlichen Schranken predigte“. 5<br />

Mit s<strong>ein</strong>er „extrem individualistischen Position“ entwirft er <strong>ein</strong> „ungleich dunkleres Menschenbild“<br />

als andere Denker des Anarchismus, wobei er „dem Individuum das Recht zu allem<br />

zu[schrieb], dessen es fähig sei; halte das Individuum etwas für Recht, so sei es recht,<br />

außerhalb gebe es k<strong>ein</strong> Recht. Er war jedem Zwang abgeneigt und propagierte <strong>ein</strong>zig und all<strong>ein</strong><br />

die Freiwilligkeit. So dachte er auch für die Gesellung der Menschen an die freie Assoziation“.<br />

6<br />

Dabei war für <strong>Stirner</strong> und andere Linkshegelianer „ihr gem<strong>ein</strong>samer <strong>–</strong> theoretischer <strong>–</strong> F<strong>ein</strong>d<br />

... Hegel, der objektive Denker; aber wie Liebe und Haß immer gepaart sind, so erweisen sich<br />

alle diese Kontrahenten gegen Hegel zugleich als Hegelianer, wenn sie von ihm die Art und<br />

Methode s<strong>ein</strong>es Denkens übernehmen. Wenn auch s<strong>ein</strong> metaphysischer Glaube abgelehnt<br />

wird, so denkt man doch in <strong>Hegels</strong>cher Dialektik.“ 7<br />

[522] Genaugenommen ist es jedoch der Versuch, Hegel zu überwinden.<br />

Als Ausgangspunkt dieses Versuches kann man durchaus Feuerbachs Religionskritik ansehen,<br />

welche sich „mühelos an Hegel anschließen“ 8 konnte.<br />

„Die Identifikation von Theologie und Philosophie <strong>ein</strong>erseits und anderseits die Bestimmungen<br />

der Aufgabe der Philosophie dahin, daß sich im philosophierenden Subjekt als dem Träger<br />

und Organ des sich selbstbegreifenden Weltgeistes die Selbsterkenntnis des Geistes vollzieht,<br />

bereiten die Feuerbachsche Wendung zur Anthropologie vor. Die Eigenständigkeit der<br />

Theologie war durch Hegel ohnehin vernichtet worden. Theologie ist die Vorstufe der Philosophie,<br />

und sofern die Philosophie Theologie ist, hat die Theologie ihren Charakter entscheidend<br />

verändert: sie hat nicht mehr geglaubte Inhalte zum Gegenstand, sondern gewußte.<br />

1 EE 410.<br />

2 EE 411 f.<br />

3 Hegel: Werke. Bd. 7. S. 24.<br />

4 Schischkoff, G.: Philosophisches Wörterbuch. S. 670.<br />

5 Görlitz, Alex (Hrsg.): Handlexikon zur Politikwissenschaft. R<strong>ein</strong>bek bei Hamburg 1973. S. 16.<br />

6 Fenske, H. u. a.: Geschichte der politischen Ideen. S. 458.<br />

7 Diemer, Alwin; Frenzel, Ivo (Hrsg.): Philosophie. Frankfurt/Main 1967. S. 66.<br />

8 Barth, Hans: Wahrheit und Ideologie. S. 83.

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