Harald Pamminger: Max Stirner – ein Schüler Hegels?
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OCR-Texterkennung und Copyright by <strong>Max</strong> <strong>Stirner</strong> Archiv Leipzig <strong>–</strong> 12.09.2009<br />
Wohl haben Marx und Engels den ‚Einzigen und s<strong>ein</strong> Eigentum‘ wegen „<strong>Stirner</strong>s protestantisch-messianischen<br />
Tons ... als ,altes und neues Testament‘ apostrophiert“, aber dem Urteil<br />
Helms‘, daß die darin enthaltenen „Perspektiven die Auffassungsgabe <strong>ein</strong>es Handlungsreisenden,<br />
Ladenschwengels, Krämers, Dentisten oder Subalternbeamten sehr be<strong>ein</strong>drucken<br />
müssen und bestimmt nicht überfordern“ 1 , kann aufgrund <strong>ein</strong>er sehr verkürzten Sichtweise<br />
nicht beigepflichtet werden.<br />
Mackay <strong>–</strong> bekannt wegen s<strong>ein</strong>er glühenden Verehrung für <strong>Stirner</strong> <strong>–</strong> betrachtet das Thema der<br />
Sprache <strong>Stirner</strong>s von s<strong>ein</strong>er Warte aus verständlicherweise anders.<br />
„Er ersch<strong>ein</strong>t nicht mit der Herablassung des Priesters: er steht nicht in dem Dienste<br />
Gottes, noch in dem irgend <strong>ein</strong>er Idee; nicht mit der Geschäftigkeit des Lehrers: er<br />
überlässt es uns, Das, was er sagt, zu glauben oder zu verwerfen; nicht mit der Sorge<br />
des Arztes: er lässt uns leben und sterben, denn er weiss, dass unsere Einbildung unsere<br />
Krankheit ist. Er kommt auch nicht als der Philosoph, der uns in dem Netze <strong>ein</strong>es neuen<br />
Systems der Speculation zu fangen sucht; er verschmäht s<strong>ein</strong>e Sprache, s<strong>ein</strong>e hässliche,<br />
dunkle und unverständliche Sprache, dieses Privilegium, dessen alle Jene sich bedienen,<br />
die nur unter <strong>ein</strong>ander reden wollen; er schafft sich s<strong>ein</strong>e eigene Sprache, denn er weiss,<br />
dass alle Erkenntniss auch verständlich s<strong>ein</strong> kann, wenn sie nur verständlich s<strong>ein</strong> will.<br />
Er spricht nicht von uns; kaum, dass er zu uns spricht.<br />
Er spricht von sich und immer nur von sich, und wir sehen, wie dieses s<strong>ein</strong> Ich <strong>ein</strong>e<br />
Fessel nach der andern von sich streift, bis es auch der letzten ledig in stolzer<br />
Selbst[486]herrlichkeit als s<strong>ein</strong> eigener Herr dasteht: unbesiegbar auf dem Platze, den<br />
er sich endlich erobert.“ 2<br />
Die Ausdrucksweise <strong>Stirner</strong>s <strong>–</strong> sich damit aus<strong>ein</strong>anderzusetzen, ist <strong>ein</strong> wichtiger Faktor bei<br />
der Interpretation s<strong>ein</strong>es Werkes <strong>–</strong> beschäftigt Mackay noch weiter.<br />
„Völlig originell, wie <strong>Stirner</strong>‘s Gedanken, sind auch Sprache und Styl s<strong>ein</strong>es Buches. Er hat<br />
es <strong>–</strong> ,das mühsame Werk der besten Jahre s<strong>ein</strong>e Lebens‘ <strong>–</strong> selbst <strong>ein</strong>mal ,den theilweise unbeholfenen<br />
Ausdruck dessen, was er wollte‘ genannt. ,So sehr‘, sagt er von sich weiter, ,hatte er<br />
mit <strong>ein</strong>er Sprache zu kämpfen, die von Philosophen verderbt, von Staats-, Religions- und anderen<br />
Gläubigen gemissbraucht, und <strong>ein</strong>er grenzenlosen Begriffsverwirrung fähig gemacht<br />
worden war‘.<br />
Diese Sprache ist dennoch von <strong>ein</strong>em grossen Zauber. Sie ist nicht weich und schmiegsam,<br />
denn sie will nicht locken und verführen; sie ist nicht dunkel und schwer, denn sie will nicht<br />
verblüffen und <strong>ein</strong>schüchtern. Aber sie ist mehr als Alles dies: in ihrer kristallr<strong>ein</strong>en Klarheit<br />
ist sie wahrhaftig, lebendig und jedes Ausdrucks fähig. Sie kennt k<strong>ein</strong>e Phrasen, k<strong>ein</strong>en Widerspruch<br />
und k<strong>ein</strong>e Halbheit. Sie begnügt sich nie mit Andeutungen und in allem, was sie<br />
sagt, geht sie auf das Ziel los, bis sie es erreicht hat.“ 3<br />
Feuerbach, <strong>Stirner</strong>s Zeitgenosse und Gegner, hat trotz der gegensätzlichen M<strong>ein</strong>ungen, die<br />
beide vertreten, <strong>Stirner</strong> <strong>–</strong> es wurde bereits erwähnt <strong>–</strong> <strong>ein</strong>mal als den „genialsten und freiesten<br />
Schriftsteller“ 4 bezeichnet, den er kennengelernt habe.<br />
Daß <strong>Stirner</strong>s Sprache „nicht mehr diejenige <strong>Hegels</strong> oder Feuerbachs ist“, geht aus der<br />
Lektüre s<strong>ein</strong>es Werkes <strong>ein</strong>deutig hervor, auch wenn er die bei ihnen gebrauchten Begriffe<br />
verwendet, jedoch zugibt, wie am Beispiel des Begriffes der [487] Liebe, in Ermangelung <strong>ein</strong>es<br />
anderen „in unserer christlichen Sprache“ 5 , k<strong>ein</strong>es zu finden, welches er gebrauchen<br />
könnte.<br />
1 Ebd., S: 71.<br />
2 Mackay: <strong>Stirner</strong>. S. 150.<br />
3 Ebd., S. 155 f.<br />
4 Ebd., S. 166.<br />
5 EE 328.