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Harald Pamminger: Max Stirner – ein Schüler Hegels?

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OCR-Texterkennung und Copyright by <strong>Max</strong> <strong>Stirner</strong> Archiv Leipzig <strong>–</strong> 12.09.2009<br />

im Sinne Bruno Bauers.<br />

[483] Helms <strong>–</strong> wenn auch mit <strong>ein</strong>er anderen Intention <strong>–</strong> äußert dazu folgendes: „<strong>Stirner</strong>s<br />

Zeitgenossen bedeutete der ,Einzige‘ noch nicht das, was die Nachwelt an ihm schätzte.<br />

Die Zeitgenossen bezogen ihn mehr auf ihre private, denn auf ihre öffentliche Existenz.<br />

Der ,Einzige‘ war ihnen nicht Ausdruck <strong>ein</strong>er spezifischen Klassenzugehörigkeit, von der sie<br />

k<strong>ein</strong>e deutliche Vorstellung hatten, über die sie sich auch Klarheit nicht verschaffen wollten.“<br />

1<br />

Zurückkehrend zum Begriff der Bohème, wie er auch bei Mautz auftaucht, sei hier noch <strong>ein</strong><br />

Zitat von Karl Joël angeführt, welches bei Helms <strong>ein</strong>gang findet: „Aber ist nicht <strong>Stirner</strong> im<br />

Innersten der Philosoph der Bohème? Ist nicht der Urfreie aus den Freien hervorgewachsen?<br />

... der Geist jenes Kreises, der auch der Geist <strong>Stirner</strong>s war, war der Geist des<br />

Hegelianismus, aber der vom Katheder auf die Gasse gefallene, in stechende Scherben<br />

zerbrochene, der kritisch zersetzte Hegelianismus ... Aus Dekadents der <strong>Hegels</strong>chen<br />

Dialektik wuchs <strong>ein</strong> geistiges Messerheldentum.“ 2<br />

Zu der auf dem Marxismus beruhenden <strong>–</strong> dies geht aus der verwendeten Terminologie hervor<br />

<strong>–</strong> <strong>Stirner</strong>-Interpretation von H. G. Helms ist noch <strong>ein</strong>iges hinzuzufügen.<br />

Wie bereits festgestellt, sieht er in ihm den „ersten Ideologen des neuen Mittelstandes“ 3<br />

[484] Diesen Mittelstand definiert er folgendermaßen in Bezug auf die Ideologie: „Die Stellung<br />

des Mittelstandes in den Produktionsverhältnissen, vor allem s<strong>ein</strong>e Disparität von den<br />

Produktionsmitteln, machte <strong>ein</strong>e Ideologie als Formulierung mittelständischen Selbstbewußts<strong>ein</strong>s<br />

und mittelständischer Interessen unabweislich. Das Proletariat hat politische Machtmittel<br />

durch die aus Klassenbewußts<strong>ein</strong> und -solidarität entspringenden Kräfte, konzentriert in<br />

der nie konsequent zur Anwendung gekommenen Macht, mit <strong>ein</strong>em Generalstreik der Gesellschaft<br />

s<strong>ein</strong>en Willen zu diktieren. Die bürgerliche Klasse hat das Kapital; es ist häufig genug<br />

erfolgreiches Mittel der Unterdrückung gewesen. Der Mittelstand hat nichts. Ein Generalstreik<br />

der Verwalter könnte heute vielleicht gefährlich werden, wo k<strong>ein</strong>er mehr auf den Gedanken<br />

kommt, <strong>ein</strong>en Generalstreik auszurufen; früher hätte er nur unbedeutende Ärgernisse<br />

gestiftet. Der Mittelstand hat nur s<strong>ein</strong>e Ideologie. Sie muß alle übrigen Machtmittel ersetzen:<br />

Klassenbewußts<strong>ein</strong>, Klassensolidarität und die Gewalt des Kapitals.“ 4<br />

Einem derart verkürzten Mittelstand bleibt wohl nichts anderes übrig, als auf den „vollendeten<br />

Demagogen“ 5 <strong>Max</strong> <strong>Stirner</strong> her<strong>ein</strong>zufallen, der sich „stilistisch durch das <strong>ein</strong>hämmernde<br />

Immergleiche der Argumentation“ zur Geltung bringt. In diesem Immergleichen sieht Helms<br />

„<strong>ein</strong> methodisches Radikalmittel der Ideologie. <strong>Stirner</strong> schreit den Einzigkeitsanwärter solange<br />

an: du bist <strong>ein</strong>zig! bis der Leser in Ekstase zurückschreit: Ich bin <strong>ein</strong>zig! Heil <strong>Stirner</strong>! befiehl,<br />

ich folge!“ 6<br />

Diese Ansicht baut Helms noch weiter aus: „<strong>Stirner</strong>s Begriffe sind leer; der Leser hat sie mit<br />

s<strong>ein</strong>er Privatm<strong>ein</strong>ung aufzufüllen. Der ,Einzige‘ ist das Schema, das die Privatm<strong>ein</strong>ung<br />

ideologisch ausrichtet.“ 7<br />

[485] Zugegebenermaßen ist <strong>Stirner</strong>s Stil und Sprache in ihrer Art „<strong>ein</strong>zigartig“, aber sie mit<br />

derartigen Negativa in Verbindung zu bringen, entbehrt nicht <strong>ein</strong>er gewissen Fragwürdigkeit,<br />

sprich Ideologiehaftigkeit.<br />

1 Helms: Ideologie. S. 47.<br />

2 Joël, Karl: <strong>Stirner</strong>. In: Neue Deutsche Rundschau (Freie Bühne), IX. Jg., 3 & 4. Quartal, Berlin 1898, p. 998.<br />

Zit. in: Helms: Ideologie. S. 50.<br />

3 Helms: Ideologie. S. 69.<br />

4 Ebd.<br />

5 Ebd., S. 199.<br />

6 Ebd., S. 211.<br />

7 Ebd., S. 216.

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