Harald Pamminger: Max Stirner – ein Schüler Hegels?
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OCR-Texterkennung und Copyright by <strong>Max</strong> <strong>Stirner</strong> Archiv Leipzig <strong>–</strong> 12.09.2009<br />
erhärten und zu beweisen.<br />
Auf s<strong>ein</strong> großes Unterfangen <strong>ein</strong>zugehen würde jedoch <strong>ein</strong>e gesonderte Aus<strong>ein</strong>andersetzung<br />
erfordern. Außerdem <strong>–</strong> in Ermangelung <strong>ein</strong>er Instanz, <strong>ein</strong> sachliches Urteil zu finden (vgl.<br />
Barth) <strong>–</strong> würde dieses Unternehmen sehr schnell auf das Niveau <strong>ein</strong>er unsachlichen, vielleicht<br />
sogar ideologischen Ideologiekritik herabsinken, was bedeuten würde, Helms mit s<strong>ein</strong>en eigenen<br />
Waffen schlagen zu wollen.<br />
[479] Dem Faschismusvorwurf möchte ich jedoch an dieser Stelle entschieden entgegentreten.<br />
Setzt man Faschismus mit <strong>ein</strong>em totalitären, despotischen System, sprechender Staat, gleich,<br />
so ist es <strong>Stirner</strong> selbst, der diesen Vorwurf entkräftet, denn: „Jeder Staat ist <strong>ein</strong>e Despotie,<br />
sei nun Einer oder Viele der Despot, oder seien, wie man sich’s wohl von der Republik<br />
vorstellt, Alle die Herren, d. h. despotisiere Einer den Andern. Es ist dies nämlich dann<br />
der Fall, wenn das jedesmal gegebene Gesetz, die ausgesprochene Willensm<strong>ein</strong>ung etwa<br />
<strong>ein</strong>er Volksversammlung fortan für den Einzelnen Gesetz s<strong>ein</strong> soll, dem er Gehorsam<br />
schuldig ist, oder gegen welches er die Pflicht des Gehorsams hat. Dächte man sich auch<br />
selbst den Fall, daß jeder Einzelne im Volke den gleichen Willen ausgesprochen hätte<br />
und hiedurch <strong>ein</strong> vollkommener ,Gesamtwille‘ zu Stande gekommen wäre: die Sache<br />
bliebe dennoch dieselbe. Wäre Ich nicht an m<strong>ein</strong>en gestrigen Willen heute und ferner<br />
gebunden? M<strong>ein</strong> Wille in diesem Falle wäre erstarrt. Die leidige Stabilität! M<strong>ein</strong> Geschöpf,<br />
nämlich <strong>ein</strong> bestimmter Willensausdruck, wäre m<strong>ein</strong> Gebieter geworden. Ich<br />
aber in m<strong>ein</strong>em Willen, Ich, der Schöpfer, wäre in m<strong>ein</strong>em Flusse und m<strong>ein</strong>er Auflösung<br />
gehemmt. Weil Ich gestern <strong>ein</strong> Narr war, müßte Ich‘s zeitlebens bleiben. So bin<br />
Ich im Staatsleben besten Falls <strong>–</strong> Ich könnte ebensogut sagen: schlimmsten Falls <strong>–</strong> <strong>ein</strong><br />
Knecht M<strong>ein</strong>er selbst. Weil Ich gestern <strong>ein</strong> Wollender war, bin Ich heute <strong>ein</strong> Willenloser,<br />
gestern freiwillig, heute unfreiwillig.<br />
Wie zu ändern? Nur dadurch, daß Ich k<strong>ein</strong>e Pflicht anerkenne, d. h. Mich nicht binde<br />
oder binden lasse. Habe Ich k<strong>ein</strong>e Pflicht, so kenne Ich auch k<strong>ein</strong> Gesetz.“ 1<br />
Dadurch sollte in erster Linie die Anklage oder Unterstellung des Faschismusverdachtes entkräftet<br />
werden, nicht jedoch <strong>Stirner</strong>s Ideologiehaftigkeit.<br />
[480] Helms schreibt an anderer Stelle, daß <strong>Max</strong> <strong>Stirner</strong> sich rühmte, „Religion und Philosophie<br />
endgültig überwunden zu haben. Wirklich aber war er der erste konsequente Ideologe.<br />
Von den Zeitgenossen begriffen das nur Marx und Engels“. 2<br />
In <strong>ein</strong>em von ihm (Helms) herausgegebenen Buch [<strong>Max</strong> <strong>Stirner</strong>: Der Einzige und s<strong>ein</strong> Eigentum<br />
und andere Schritten] formuliert er s<strong>ein</strong>e Kritik an <strong>Stirner</strong> im Nachwort <strong>–</strong> im obigen Sinn<br />
<strong>–</strong> folgendermaßen: „<strong>Stirner</strong> ist der Urheber <strong>ein</strong>er Ideologie, die der modernen Mittelklasse<br />
vortrefflich zupaß kommt“, wobei der „Ausgangspunkt der <strong>Stirner</strong>schen Philosophie ... die<br />
Philosophie <strong>Hegels</strong>, insbesondere die Religionsphilosophie [ist]“ und „unterm Deckmantel<br />
radikaler Ideologiekritik ... <strong>ein</strong>e radikalistische Ideologie geschaffen [wird], die alles bis dahin<br />
Bekannte übertrifft“. 3<br />
Dazu wäre hinzuzufügen, daß <strong>Stirner</strong> wohl wahrhaft <strong>ein</strong> „Ideologe“ war <strong>–</strong> ob bewußt oder<br />
unbewußt soll hier außer Streit gestellt bleiben <strong>–</strong> denn, wie aus s<strong>ein</strong>em Werk ersichtlich ist,<br />
hat er in dem Glauben, Religion und Philosophie überwunden zu haben, mit s<strong>ein</strong>em „Einzigen“<br />
<strong>ein</strong> neues „Heiliges“ geschaffen, welchem er <strong>ein</strong>gedenk s<strong>ein</strong>er Endlichkeit doch <strong>ein</strong>en<br />
Absolutheitsanspruch mitgegeben hat.<br />
Andererseits ist es nicht so abwegig, <strong>Stirner</strong> als frühen „Ideologiekritiker“ zu bezeichnen.<br />
1 EE 215.<br />
2 Helms, H. G.: Ideologie. S. 9.<br />
3 EE 263 ff. [nach der Ausgabe von Hans G. Helms 1968.]