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Harald Pamminger: Max Stirner – ein Schüler Hegels?

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OCR-Texterkennung und Copyright by <strong>Max</strong> <strong>Stirner</strong> Archiv Leipzig <strong>–</strong> 12.09.2009<br />

fort (s. z. B. MEW [3] S. 263).“ 1<br />

Hans G. Helms selbst geht noch viel weiter.<br />

Er sieht im „Einzigen und s<strong>ein</strong>em Eigentum“ die „früheste konsequente Formulierung ... der<br />

Ideologie des Mittelstandes“. Daß dies „k<strong>ein</strong> Zufall“ ist <strong>–</strong> wie er m<strong>ein</strong>t <strong>–</strong> begründet er, in Bezug<br />

auf Marx und Engels, demgemäß:<br />

„Die Industrialisierung hat mit dem Proletariat, der arbeitenden Klasse, auch die moderne<br />

Mittelklasse produziert, deren Funktionen Verwaltung der Arbeit und Verwaltung und Verteilung<br />

der Waren sind. Mit den neuen Produktionsver[477]hältnissen haben sich neue Administrations-<br />

und Distributionsverhältnisse entwickelt. Das Proletariat fand in Marx und Engels<br />

s<strong>ein</strong>e Fürsprecher, die halfen, s<strong>ein</strong>em Klassenbewußts<strong>ein</strong> adäquaten Ausdruck zu verschaffen<br />

und es politisch zu entfalten. Die Mittelklasse fand ihren Apostel in <strong>Stirner</strong>.<br />

Aber statt <strong>ein</strong>er gesellschaftlich determinierten Analyse ihrer Situation präsentiert er<br />

<strong>ein</strong>e egozentrische Ideologie; statt Klassensolidarität empfahl er Konkurrenzkampf bis<br />

aufs Messer; statt der gesellschaftlichen Interessen legte er ihr ihre je eigenen Privatinteressen<br />

nahe; statt politisch in die gesellschaftlichen Prozesse <strong>ein</strong>zugreifen, forderte er,<br />

sich unpolitisch im Bestehenden zu arrangieren und jeweils jener Fraktion ihr Votum<br />

zu geben, die ihre partikularen Interessen am besten zu fördern versprechen.<br />

Die Ursache für <strong>Stirner</strong>s Fehlleistung sind analysiert worden: es waren der Druck der gesellschaftlichen<br />

Verhältnisse, die an den mittelständischen Funktionen erlernten Denkstrukturen,<br />

funktionelle Anonymität und Isolation, die mittelständische Furcht, zwischen Proletariat und<br />

Bourgeoisie zerrieben und das heißt proletarisiert zu werden, und die insgeheim gehegte<br />

Hoffnung, gegen alle Wahrsch<strong>ein</strong>lichkeit zur Bourgeoisie aufsteigen zu können“. 2<br />

Aus welchem Lager der Wind weht, wird wohl bereits hier ersichtlich; aber dem ist noch<br />

nicht genug.<br />

„Weil <strong>Stirner</strong> das Klassenbewußts<strong>ein</strong> der Mittelklasse nicht zu formulieren vermochte,<br />

blieb die unmittelbare Wirkung des ,Einzigen‘ gering. Im Vormärz war die Mittelklasse<br />

noch zu schwach, um mit <strong>ein</strong>er radikalen Ideologie operieren zu können. Der ,Einzige‘<br />

wurde für die Mittelklasse erst [478] interessant, als sie sich stark genug fühlte, um mittels<br />

<strong>ein</strong>er radikalen Ideologie ihren partikularen Interessen Nachdruck zu verleihen.“ 3<br />

Helms empfiehlt s<strong>ein</strong>en Lesern dieses Wirkungszusammenhanges zu gedenken und er führt<br />

nun folgende These und deren, von ihm gezogenen, Schluß an: „<strong>Stirner</strong> hat nicht die Ideologie<br />

der Mittelklasse geschaffen: das Entstehen der Ideologie ist <strong>ein</strong>e Konsequenz der gesellschaftlichen<br />

Verhältnisse. Der ,Einzige‘ ist lediglich ihre erste konsequente Formulierung. Er<br />

hat auf die Mittelklasse Wirkung gehabt, doch erst, als die Entwicklung der Produktions-,<br />

Administrations- und Distributionsverhältnisse für diese Wirkung empfänglich gemacht hatte.“<br />

4<br />

An „<strong>Stirner</strong>s ideologische[r] Konstruktion ... und an ihrer historisch modifizierten Interpretation“<br />

läßt sich „die allgem<strong>ein</strong>e Entwicklung der faschistischen Ideologie genauer<br />

ablesen ... als an irgendwelchen anderen Dokumenten. Ihre Radikalität hebt sich aus dem<br />

ideologischen Strom hervor und macht sie zum Fieberthermometer für die in mittelständischen<br />

Gehirnen schwelende ideologische Glut. Deswegen ist die Geschichte des <strong>Stirner</strong>ianismus<br />

,zugleich <strong>ein</strong>e Geschichte des Faschismus‘“. 5<br />

Helms versucht nun im <strong>ein</strong>zelnen und mit großem Aufwand s<strong>ein</strong>e oben erwähnte These zu<br />

1 Ebd., S. 431 f.<br />

2 Hans G. Helms: Die Ideologie der anonymen Gesellschaft. <strong>Max</strong> <strong>Stirner</strong>s „Einziger“ und der Fortschritt des<br />

demokratischen Selbstbewußts<strong>ein</strong>s vom Vormärz bis zur Bundesrepublik. Köln 1966. S. 3.<br />

3 Ebd.<br />

4 Ebd., S. 3 f.<br />

5 Ebd., S. 4.

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