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Harald Pamminger: Max Stirner – ein Schüler Hegels?

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OCR-Texterkennung und Copyright by <strong>Max</strong> <strong>Stirner</strong> Archiv Leipzig <strong>–</strong> 12.09.2009<br />

indifferenten Berlin und des literarischen Cafés“ 1 interpretiert.<br />

Auch Mautz bezeichnet <strong>Stirner</strong> als den „Philosoph der vormärzlichen Berliner Intellektuellen-Bohème.<br />

Der ,Einzige und s<strong>ein</strong> Eigentum‘ ist der philosophische Ausdruck der sozial<br />

entwurzelten Bohème“. 2<br />

Diese <strong>–</strong> m<strong>ein</strong>t er <strong>–</strong> „ist dadurch charakterisiert, daß sie <strong>ein</strong>erseits aus der durch Arbeitsteilung<br />

rational bestimmten ,bürgerlichen‘ Gesellschaft herausfällt, andererseits aber [475] nolens volens<br />

selbst <strong>ein</strong>e spezifisch ,bürgerliche‘ Kunst und Philosophie liefert, indem ihre Art der<br />

Produktivität, die sich zwar in ihrer Äußerungsform in posierten Gegensatz zu allem<br />

,Bürgerlichen‘ stellt, als ,Ausdruck‘ gerade innerhalb des ,bürgerlich‘-gesellschaftlichen Ganzen<br />

durchaus ihre Stelle und Funktion und ihren tragenden Hintergrund hat“. 3<br />

Außerdem kommt Mautz zu dem Schluß, daß <strong>Stirner</strong> „<strong>ein</strong>e Karikatur des ,Bürgers‘“ gibt, ...<br />

„ohne zu ahnen, wie gerade in diesem Unternehmen noch s<strong>ein</strong> Denken sich als ,bürgerlich‘<br />

erweist. <strong>Stirner</strong> vertritt eben nur nicht mehr den loyal-saturierten, sondern den anarchisch-<br />

‚empörten‘ Typ des Bourgeois, der Sturm läuft gegen die bestehende Ordnung, ohne politisch<br />

revolutionär s<strong>ein</strong> zu wollen“. 4 Dieser Sturmlauf findet im <strong>Stirner</strong>schen Terminus „Empörung“<br />

ihren Ausdruck.<br />

Die „Szenerie“, die Versammlungen der „Freien“ in der W<strong>ein</strong>stube Hippel, diese Zusammenkunft<br />

„gescheiterter Existenzen“ 5 , „hat später dazu verleitet, ihre Philosophie ... und<br />

ihren Radikalismus als <strong>ein</strong>e den politischen Inhalt nach zufällige Folge ... an den Rand der<br />

bürgerlichen Gesellschaft zu schieben, wo Empörung privat bleibt“. 6<br />

In bereits erwähntem Nachwort von Meyer fügt dieser <strong>–</strong> bezogen auf Marx und Engels, welche<br />

sich in der ‚Deutschen Ideologie‘ <strong>ein</strong>gehend mit <strong>Stirner</strong>s Werk beschäftigt haben <strong>–</strong>hinzu,<br />

daß beide „von <strong>ein</strong>em Verdienst“ sprechen, „das ,er wider s<strong>ein</strong>en Willen und ohne es zu wissen<br />

[hat]: das verdienst, der Ausdruck der deutschen Kl<strong>ein</strong>bürger von heute zu s<strong>ein</strong>, die danach<br />

trachten, Bourgeois zu werden‘ (MEW [3] S. 395 f.)“. 7<br />

[476] Ergänzend bemerkt Meyer anschließend: „Diesen Hinweis hat wiederum Hans G.<br />

Helms dazu benutzt, die <strong>Stirner</strong>sche Philosophie vom Rande ins Zentrum <strong>ein</strong>er<br />

,mittelständischen‘, vom Vormärz bis heute grassierenden Ideologie zu versetzen, welche<br />

nicht all<strong>ein</strong> dem aufs Emporkommen bedachten und vom Ruin bedrohten traditionellen (selbständigen)<br />

Kl<strong>ein</strong>bürgertum eignet, sondern erst recht den Angestellten und Beamten (den<br />

Verwaltern der Herrschaft). Demgegenüber ist die Beurteilung <strong>Stirner</strong>s durch Marx und Engels<br />

an den historischen Begriffen des deutschen Kl<strong>ein</strong>bürgertums und an <strong>ein</strong> spezifisches<br />

Verständnis von Ideologie gebunden. Denn ,deutsche Ideologie‘ heißt zweierlei: sie erklärt<br />

den spekulativen Charakter <strong>ein</strong>er Philosophie (Herrschaft der Ideen) als notwendigen Korrelat<br />

der Arbeitsteilung und der Verselbständigung gesellschaftlicher Verhältnisse über den Menschen;<br />

und sie behauptet, daß diese Philosophie in <strong>ein</strong>er konkreten historischen Situation<br />

über<strong>ein</strong>kommt mit den Illusionen, die die außerordentlich zahlreiche Klasse der deutschen<br />

Kl<strong>ein</strong>bürger auf Grund ihrer armseligen Lage und des Zurückbleibens des Industriekapitalismus<br />

in Deutschland entwickelt, und welche sich als Illusion über die Bourgeoisie und die<br />

bürgerliche Gesellschaft (in der Form des Glaubens an die Ideologie der Bourgeoisie) herausstellen.<br />

<strong>Stirner</strong>s Kampf gegen das Bestehende setzt beide Formen der Ideologie voraus und<br />

1 Ebd.<br />

2 Mautz, K. A.: Die Philosophie <strong>Stirner</strong>s. S. 130.<br />

3 Ebd., S. 130 f.<br />

4 Ebd., S. 131.<br />

5 Löwith, K.: Die <strong>Hegels</strong>che Linke. S. 12.<br />

6 Mayer, A.: Nachwort. S. 431.<br />

7 Ebd.

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