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Harald Pamminger: Max Stirner – ein Schüler Hegels?

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OCR-Texterkennung und Copyright by <strong>Max</strong> <strong>Stirner</strong> Archiv Leipzig <strong>–</strong> 12.09.2009<br />

das Greisenalter des Geistes aber ist s<strong>ein</strong>e vollkommene Reife, in welcher er zurückgeht zur<br />

Einheit, aber als Geist.“ 1<br />

„Hegel weist darauf hin, daß diese Ersch<strong>ein</strong>ung, wonach die Völker erst in ihrer Spätzeit philosophieren,<br />

dann nämlich, wenn ihnen der Untergang bevorsteht ... ,Man kann sagen, wo <strong>ein</strong><br />

Volk aus s<strong>ein</strong>em konkreten Leben überhaupt heraus ist, Trennung und Unterschied der Stände<br />

entstanden ist und das Volk sich s<strong>ein</strong>em Untergang nähert, wo <strong>ein</strong> Bruch zwischen dem<br />

inneren Streben und der äußeren Wirklichkeit <strong>ein</strong>getreten ist, die bisherige Gestalt der Religion<br />

usw. nicht mehr genügt, wo der Geist Gleichgültigkeit an s<strong>ein</strong>er lebendigen Existenz<br />

kundgibt oder unbefriedigt in derselben weilt und <strong>ein</strong> sittliches Leben sich auflöst <strong>–</strong> erst da<br />

wird philosophiert. Der Geist flüchtet nämlich dann in die Räume des Gedankens, um gegen<br />

die wirkliche Welt sich <strong>ein</strong> Reich des [465] Gedankens zu bilden; und die Philosophie ist die<br />

Versöhnung des Verderbens jener reellen Welt, das der Gedanke angefangen hat. Wenn die<br />

Philosophie mit ihren Abstraktionen grau in grau malt, ist Frische und Lebendigkeit der Jugend<br />

schon fort; und es ist ihre Versöhnung <strong>ein</strong>e Versöhnung nicht in der Wirklichkeit, sondern<br />

in der ideellen Welt’.“ 2<br />

Dazu vermerkt Hegel in s<strong>ein</strong>er Vorrede zur Rechtsphilosophie <strong>–</strong> bezüglich der Versöhnung<br />

in der ideellen Welt, jenem, „wie die Welt s<strong>ein</strong> soll“ <strong>–</strong> daß die Philosophie „dazu ohnehin ...<br />

immer zu spät [kommt]. Als der Gedanke der Welt ersch<strong>ein</strong>t sie erst in der Zeit, nachdem die<br />

Wirklichkeit ihren Bildungsprozeß vollendet und sich fertig gemacht hat. Dies, was der Begriff<br />

lehrt, zeigt notwendig ebenso die Geschichte, daß erst in der Reife der Wirklichkeit das<br />

Ideale dem Realen gegenüber ersch<strong>ein</strong>t und jenes sich dieselbe Welt, in ihrer Substanz erfaßt,<br />

in Gestalt <strong>ein</strong>es intellektuellen Reiches erbaut. Wenn die Philosophie ihr Grau in Grau malt,<br />

dann ist <strong>ein</strong>e Gestalt des Lebens alt geworden, und mit Grau in Grau läßt sie sich nicht verjüngen,<br />

sondern nur erkennen ...“ 3<br />

Barth sieht k<strong>ein</strong> Anzeichen dafür, „daß Hegel s<strong>ein</strong>e eigene Philosophie, das heißt die Totalität<br />

der Philosophie, die sich in ihm ihr Organ gebildet hatte, von dieser allgem<strong>ein</strong>en Gesetzmäßigkeit<br />

auszunehmen gesonnen war. Vielmehr muß der Abschluß der Vorlesungen über<br />

die Geschichte der Philosophie in der Anschauung bestärken, daß Hegel s<strong>ein</strong> philosophisches<br />

Werk als ,die letzte Philosophie‘ begriffen habe. Was er vermittelt, ist die Philosophie, in<br />

welcher die ,Totalität der Formen‘ enthalten ist, und zwar so enthalten, daß sie als das notwendige<br />

,Produkt und Resultat‘ ersch<strong>ein</strong>t, in welchem die Wahrheit aller früheren Stufen des<br />

Geistes aufbewahrt bleibt und zu ihrem Recht kommt.<br />

[466] Die Philosophie ist <strong>ein</strong>e geschichtliche Bewegung, wie auch das Leben ,nur als Prozeß<br />

ist‘. Sie muß notwendig <strong>ein</strong> Prozeß in der Doppelbedeutung von Entwicklungsgang und Gerichtsverfahren,<br />

in welchem der Geist selbst über s<strong>ein</strong>e Taten zu Gerichte sitzt und das Gerechte<br />

als das Vernünftige und wahrhaft Wirkliche im Urteilsspruch obsiegt ...“ 4<br />

Weil <strong>Hegels</strong> Versöhnung der Idee mit der Wirklichkeit „nur <strong>ein</strong>e Versöhnung im Reiche des<br />

Ideellen, nicht aber in der Welt des Realen ist“ 5 , so mußte dies unweigerlich zu kritischen<br />

Reaktionen führen.<br />

So wirft ihm Marx <strong>–</strong> und nicht nur dieser <strong>–</strong> vor, „daß in s<strong>ein</strong>er Philosophie die Welt auf dem<br />

Kopf stehe. Damit soll zum Ausdruck kommen, daß das <strong>Hegels</strong>che System ideologische, daß<br />

heißt unvernünftige Bestandteile enthalte.“ 6<br />

Die Lösung dieses Problems sch<strong>ein</strong>t <strong>ein</strong>fach.<br />

1 Hegel: Werke. Bd. 12. S. 138. (vgl. Kapitel IV, Abschnitt 4. 1. S. 237.)<br />

2 Barth, Hans: Wahrheit und Ideologie. S. 65 f.<br />

3 Hegel: Werke. Bd. 7. S. 27 f.<br />

4 Bart, Hans: Wahrheit und Ideologie. S. 66.<br />

5 Ebd.<br />

6 Ebd., S. 72.

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