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Harald Pamminger: Max Stirner – ein Schüler Hegels?

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OCR-Texterkennung und Copyright by <strong>Max</strong> <strong>Stirner</strong> Archiv Leipzig <strong>–</strong> 12.09.2009<br />

willst sie nur bewältigen und ihr Eigner werden, willst Dich in ihnen orientieren und zu Hause<br />

wissen, und befindest sie wahr oder siehst sie in ihren wahren Lichte dann, wenn sie Dir<br />

nicht mehr entschlüpfen können, k<strong>ein</strong>e ungepackte oder unbegriffene Stelle mehr haben, oder<br />

wenn sie Dir recht, wenn sie d<strong>ein</strong> Eigentum sind. werden sie nachgehends wieder schwerer,<br />

entwinden sie d<strong>ein</strong>er Gewalt sich wieder, so ist das eben ihre Unwahrheit, nämlich d<strong>ein</strong>e<br />

Ohnmacht. [453] D<strong>ein</strong>e Ohnmacht ist ihre Macht, d<strong>ein</strong>e Demut ihre Hoheit. Ihre Wahrheit also<br />

bist du oder ist das Nichts, welches Du für sie bist und in welches sie zerfließen, ihre<br />

Wahrheit ist ihre Nichtigkeit.<br />

Erst als das Eigentum M<strong>ein</strong>er kommen die Geister, die Wahrheiten, zur Ruhe, und sie sind<br />

dann erst wirklich, wenn ihnen die leidige Existenz entzogen und sie zu <strong>ein</strong>em Eigentum<br />

M<strong>ein</strong>er gemacht werden, wenn es nicht mehr heißt: die Wahrheit entwickelt sich, herrscht,<br />

macht sich geltend, die Geschichte (auch <strong>ein</strong> Begriff) siegt u. dgl. Niemals hat die Wahrheit<br />

gesiegt, sondern stets war sie <strong>ein</strong> Mittel zum Siege, ähnlich den Schwerte ... Die Wahrheit ist<br />

tot, <strong>ein</strong> Buchstabe, <strong>ein</strong> Wort, <strong>ein</strong> Material, das Ich verbrauche kann. Alle Wahrheit für sich ist<br />

tot, <strong>ein</strong> Leichnam; ...<br />

Mir sind die Gegenstände nur Material, das Ich verbrauche. Wo Ich hingreife, fasse Ich <strong>ein</strong>e<br />

Wahrheit, die Ich Mir zurichte. Die Wahrheit ist Mir gewiß, und Ich brauche sie nicht zu ersehnen.<br />

Der Wahrheit <strong>ein</strong>en Dienst zu leisten, ist nirgends m<strong>ein</strong>e Absicht; sie ist Mir nur <strong>ein</strong><br />

Nahrungsmittel für m<strong>ein</strong>en denkenden Kopf ... Wie für den Christen die Wirklichkeit oder<br />

Weltlichkeit, so ist für Mich die Wahrheit ,eitel und nichtig‘. Sie existiert gerade so gut, als<br />

die Dinge dieser Welt fortexistieren ... aber sie ist eitel, weil sie ihren Wert nicht in sich hat,<br />

sondern in Mir. Für sich ist sie wertlos. Die Wahrheit ist <strong>ein</strong>e <strong>–</strong> Kreatur.“ 1 Da er sich die<br />

Wahrheit zu eigen macht, sind „Alle Wahrheiten unter Mir ... Mir lieb; <strong>ein</strong>e Wahrheit über<br />

Mir, <strong>ein</strong>e Wahrheit, nach der Ich Mich richten müßte, kenne Ich nicht. Für Mich gibt es k<strong>ein</strong>e<br />

Wahrheit, denn über Mich geht nichts! Auch nicht m<strong>ein</strong> Wesen, auch nicht das Wesen des<br />

Menschen geht über Mich! Und zwar über Mich, diese ,Tropfen am Eimer‘, diesen<br />

,unbedeutenden Menschen‘!“ 2<br />

[454] Ganz ähnlich verhält es sich mit der „Idee“.<br />

„Soll nur gesagt s<strong>ein</strong>, daß man in jeder Zeit gedacht, mithin Gedanken oder Wahrheiten gehabt<br />

hat, und daß diese in der folgenden Zeit andere waren, als in der früheren? N<strong>ein</strong>, es soll<br />

heißen, daß jede Zeit ihre ,Glaubenswahrheiten‘ hatte; und in der Tat ist noch k<strong>ein</strong>e erschienen,<br />

worin nicht <strong>ein</strong>e ,höhere Wahrheit‘ anerkannt worden wäre, <strong>ein</strong>e Wahrheit, der man als<br />

,Hoheit und Majestät‘ sich unterwerfen zu müssen glaubte. Jede Wahrheit <strong>ein</strong>er Zeit ist die<br />

fixe Idee derselben, und wenn man später <strong>ein</strong>e andere Wahrheit fand, so geschah dies immer<br />

nur, weil man <strong>ein</strong>e andere suchte: man reformierte nur die Narrheit und zog ihr <strong>ein</strong> modernes<br />

Kleid an. Denn man sollte doch ... von <strong>ein</strong>er ,Idee begeistert‘ s<strong>ein</strong>. [...] Der modernste Herrscher<br />

dieser Art ist ,unser Wesen‘ oder ,der Mensch‘.<br />

Für alle freie Kritik war <strong>ein</strong> Gedanke das Kriterium, für die eigene Kritik bin Ich‘s, Ich, der<br />

Unsagbare, mithin nicht bloß Gedachte; denn das bloß Gedachte ist stets sagbar, weil Wort<br />

und Gedanke zusammenfallen. Wahr ist, was m<strong>ein</strong> ist, unwahr das, dem Ich eigen bin;<br />

wahr z. B der Ver<strong>ein</strong>, unwahr der Staat und die Gesellschaft. Die ,freie und wahre‘<br />

Kritik sorgt für die konsequente Herrschaft <strong>ein</strong>es Gedanken, <strong>ein</strong>er Idee, <strong>ein</strong>es Geistes,<br />

die ,eigene‘ für nichts als m<strong>ein</strong>en Selbstgenuß. Darin aber gleicht die letztere in der Tat <strong>–</strong><br />

und Wir wollen ihr dies ,Schmach‘ nicht ersparen! <strong>–</strong> der tierische Kritik des Instinktes. Mir<br />

ist es, wie dem kritisierenden Tiere, nur um Mich, nicht ,um die Sache‘ zu tun. Ich bin das<br />

Kriterium der Wahrheit, Ich aber bin k<strong>ein</strong>e Idee, sondern mehr als die Idee, d. h. unaussprech-<br />

1 EE 397 f.<br />

2 EE 399.

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