Harald Pamminger: Max Stirner – ein Schüler Hegels?
Harald Pamminger: Max Stirner – ein Schüler Hegels?
Harald Pamminger: Max Stirner – ein Schüler Hegels?
- No tags were found...
You also want an ePaper? Increase the reach of your titles
YUMPU automatically turns print PDFs into web optimized ePapers that Google loves.
OCR-Texterkennung und Copyright by <strong>Max</strong> <strong>Stirner</strong> Archiv Leipzig <strong>–</strong> 12.09.2009<br />
diese Freiheit der Ver[447]nunft oder Freiheit der Gedanken war von jeher das Ideal der<br />
christlichen Welt. Das Denken <strong>–</strong> und, wie gesagt, ist der Glaube auch Denken, wie das Denken<br />
Glaube ist <strong>–</strong> wollte man freimachen, die Denkenden, d. h. sowohl die Gläubigen als die<br />
Vernünftigen, sollten frei s<strong>ein</strong>, für die Übrigen war die Freiheit unmöglich. Die Freiheit der<br />
Denkenden aber ist die ,Freiheit der Kinder Gottes‘ und zugleich die unbarmherzigste <strong>–</strong> Hierarchie<br />
oder Herrschaft des Gedankens: denn dem Gedanken erliege Ich. Sind die Gedanken<br />
frei, so bin Ich ihr Sklave, so habe Ich k<strong>ein</strong>e Gewalt über sie und werde von ihnen beherrscht.<br />
Ich aber will den Gedanken haben, will voller Gedanken s<strong>ein</strong>, aber zugleich will Ich gedankenlos<br />
s<strong>ein</strong>, und bewahre Mir statt der Gedankenfreiheit die Gedankenlosigkeit“. 1<br />
Daß man, um sich mitzuteilen, der Sprache, des Wortes sich bedient, bestreitet <strong>Stirner</strong> nicht,<br />
aber die „Sprache“, das „Wort“ erhält bei ihm <strong>ein</strong> anderes Gepräge.<br />
„Kommt es darauf an, sich zu verständigen und mitzuteilen, so kann Ich allerdings nur von<br />
den menschlichen Mitteln Gebrauch machen, die Mir, weil Ich zugleich Mensch bin, zu Gebote<br />
stehen. Und wirklich habe Ich nur als Mensch Gedanken, als Ich bin Ich zugleich gedankenlos.<br />
Wer <strong>ein</strong>en Gedanken nicht los werden kann, der ist soweit nur Mensch, ist <strong>ein</strong> Knecht<br />
der Sprache, dieser Menschensatzung, dieses Schatzes von menschlichen Gedanken. Die<br />
Sprache oder ,das Wort‘ tyrannisiert Uns am ärgsten, weil sie <strong>ein</strong> ganzes Heer von fixen Ideen<br />
gegen uns aufführt. Beobachte Dich <strong>ein</strong>mal jetzt eben bei d<strong>ein</strong>em Nachdenken, und Du wirst<br />
finden, wie Du nur dadurch weiter kommst, daß Du jeden Augenblick gedanken- und sprachlos<br />
wirst. Du bist nicht etwa bloß im Schlafe, sondern selbst im tiefsten Nachdenken gedanken-<br />
und sprachlos, ja dann gerade am meisten. Und nur durch diese Gedankenlosigkeit, die<br />
verkannte ,Gedankenfreiheit‘ oder Freiheit vom Gedanken bist Du d<strong>ein</strong> eigen. Erst von ihr<br />
aus gelangst Du dazu, die Sprache als d<strong>ein</strong> Eigentum zu verbrauchen.“ 2<br />
[448] Bezogen auf den Selbstgenuß heißt es weiter: „Ist das Denken nicht m<strong>ein</strong> Denken, so<br />
ist es bloß <strong>ein</strong> fortgesponnener Gedanke, ist Sklavenarbeit oder Arbeit <strong>ein</strong>es ,Dieners am<br />
Worte‘. Für m<strong>ein</strong> Denken ist nämlich der Anfang nicht <strong>ein</strong> Gedanke, sondern Ich, und darum<br />
bin Ich auch s<strong>ein</strong> Ziel, wie denn s<strong>ein</strong> ganzer Verlauf nur <strong>ein</strong> Verlauf m<strong>ein</strong>es Selbstgenusses<br />
ist; für das absolute oder freie Denken ist hingegen das Denken selbst der Anfang, und es<br />
quält sich damit, diesen Anfang als die äußerste ,Abstraktion‘ (z. B. als S<strong>ein</strong>) aufzustellen.<br />
Ebendiese Abstraktion oder dieser Gedanke wird dann weiter ausgesponnen.<br />
Das absolute Denken ist die Sache des menschlichen Geistes, und dieser ist <strong>ein</strong> heiliger<br />
Geist. Daher ist dies Denken Sache der Pfaffen, die ,Sinn dafür haben‘, Sinn für die ,höchsten<br />
Interessen der Menschheit‘ für ,den Geist‘.“ 3 Mithin gelangt er über den Begriff der Sprache,<br />
des Wortes, zum Begriff der „Wahrheiten“, welche ihm synonym ersch<strong>ein</strong>en.<br />
„Dem Gläubigen sind die Wahrheiten <strong>ein</strong>e ausgemachte Sache, <strong>ein</strong>e Tatsache; dem frei Denkenden<br />
<strong>ein</strong>e Sache, die erst noch ausgemacht werden soll.“ 4<br />
Denn dem „Denken kann ich so wenig entsagen, als dem Empfinden, der Tätigkeit des Geistes<br />
so wenig als der Sinnentätigkeit. Wie das Empfinden unser Sinn für die Dinge, so ist das<br />
Denken unser Sinn für die Wesen (Gedanken). Die Wesen haben ihr Das<strong>ein</strong> an allem Sinnlichen,<br />
besonders am Worte. Die Macht der Worte folgt auf die der Dinge: erst wird man durch<br />
die Rute bezwungen, hernach durch Überzeugung. Die Gewalt der Dinge überwindet unser<br />
Mut, unser Geist; gegen die Macht <strong>ein</strong>er Überzeugung, also des Wortes, verliert selbst die<br />
Folter und das Schwert s<strong>ein</strong>e Übermacht und Kraft“. 5<br />
Dieser Macht sich zu unterwerfen liegt nicht im Sinne <strong>Stirner</strong>s, denn so wie „Mich die<br />
1 EE 388.<br />
2 EE 388 f.<br />
3 EE 389.<br />
4 EE 389.<br />
5 EE 390.