Harald Pamminger: Max Stirner – ein Schüler Hegels?
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OCR-Texterkennung und Copyright by <strong>Max</strong> <strong>Stirner</strong> Archiv Leipzig <strong>–</strong> 12.09.2009<br />
der Reflexion wird sie Subjekt und Objekt; diese Produkte der r<strong>ein</strong>en Reflexion setzt die philosophische<br />
Reflexion in ihrer bleibenden Entgegensetzung ins Absolute. Die Entgegensetzung<br />
der spekulativen Reflexion ist nicht mehr <strong>ein</strong> Objekt und <strong>ein</strong> Subjekt, sondern <strong>ein</strong>e subjektive<br />
transzendentale Anschauung und <strong>ein</strong>e objektive transzendentale Anschauung, jene<br />
Ich, diese Natur <strong>–</strong> beides die [42] höchsten Ersch<strong>ein</strong>ungen der absoluten, sich selbst anschauenden<br />
Vernunft. Daß diese beiden Entgegengesetzten <strong>–</strong> sie heißen nun Ich und Natur, r<strong>ein</strong>es<br />
und empirisches Selbstbewußts<strong>ein</strong>, Erkennen und S<strong>ein</strong>. Sich-Selbst-Setzen und Entgegensetzen,<br />
Endlichkeit und Unendlichkeit <strong>–</strong> zugleich in dem Absoluten gesetzt werden, in<br />
dieser Antinomie erblickt die gem<strong>ein</strong>e Reflexion nichts als den Widerspruch, nur die Vernunft<br />
in diesem absoluten Widerspruch die Wahrheit, durch welchen beides gesetzt und beides<br />
vernichtet ist, weder beide, und beide zugleich sind.“ 1<br />
Das Problem der Natur ist es, welches Schelling von Fichte <strong>–</strong> bei aller Gem<strong>ein</strong>samkeit des<br />
Ausgangspunktes <strong>–</strong> unterscheidet.<br />
„In <strong>ein</strong>er s<strong>ein</strong>er früheren Schriften hat Schelling Transzendentalphilosophie und Naturphilosophie<br />
als die Seiten der Wissenschaft vorgestellt, später die Naturphilosophie für sich, und<br />
zwar in dem Sinne der allgem<strong>ein</strong>en Philosophie; s<strong>ein</strong>e Philosophie hat er auch Naturphilosophie<br />
genannt.“ 2<br />
Naturphilosophie ist k<strong>ein</strong>e „Spezialdisziplin“ der Philosophie. Schellings Verdienst ist es<br />
laut Hegel nicht, „daß er an das Auffassen der Natur den Gedanken brachte, sondern daß er<br />
die Kategorien des Denkens der Natur änderte“ 3 , indem er „den Begriff und die Form des Begriffs<br />
in der Natur <strong>ein</strong>geführt“ habe, „den Begriff ... an die Stelle der gewöhnlichen Verstandesmetaphysik“<br />
gestellt habe. 4<br />
Schelling begriff das Wesen der Natur aus dem Wesen des Geistes: „Die Natur soll der<br />
sichtbare Geist, der Geist die unsichtbare Natur s<strong>ein</strong>.“ 5<br />
[43] Wie bereits weiter oben erwähnt, war die Über<strong>ein</strong>stimmung mit Fichte nicht so vollständig,<br />
wie dieser m<strong>ein</strong>te. So verlegte Schelling „zwar die Vorstellung der Materie ins Bewußts<strong>ein</strong>,<br />
aber er deutete das Bewußts<strong>ein</strong> selbst aus dem Antagonismus <strong>ein</strong>er unbeschränkten<br />
und <strong>ein</strong>er beschränkenden Kraft. Absolute Schrankenlosigkeit, erklärte er, würde <strong>ein</strong> Bewußts<strong>ein</strong><br />
ebenso unmöglich machen wie absolute Beschränktheit. Jene Polarität der Kräfte ist die<br />
Voraussetzung allen Fühlens, Wahrnehmens und Erkennens. In der Natur herrscht der nämliche<br />
(a priori voraussetzende) Antagonismus: die nämliche Polarität des Unbeschränkten und<br />
des Beschränkenden ermöglicht hier Attraktion und Repulsion. Das alles hätte sich vielleicht<br />
noch im Rahmen <strong>ein</strong>er die Wissenschaftslehre naturphilosophisch ergänzenden Transzendentalphilosophie<br />
entwickeln lassen. Aber nun geht Schelling jedenfalls in <strong>ein</strong>em entscheidenden<br />
Punkt über Fichte hinaus. Er behauptet nicht nur, daß die Polarität der Kräfte in der Natur der<br />
Polarität des menschlichen Geistes im Bewußts<strong>ein</strong> entspricht; er vertritt auch die Überzeugung,<br />
daß sich die ,Anschauung‘ unmittelbar in den Besitz dieser Erkenntnis zu setzen vermag.<br />
... In der absoluten Identität des ,Geistes in uns‘ und der ,Natur außer uns‘ löst sich das<br />
Problem, wie <strong>ein</strong>e Natur außer uns möglich sei. Der Geist der Natur entspricht der Natur des<br />
Geistes.“ 6<br />
Mit dieser Bestimmung des Wesens des Geistes und des Wesens der Natur „aus <strong>ein</strong> und derselben<br />
Quelle“ 7 hat Schelling <strong>ein</strong>en weiteren Schritt in s<strong>ein</strong>er Denkentwicklung vorbereitet,<br />
1 Hegel: Werke Bd. 2. S. 114 f.<br />
2 Ebd. Bd. 20. S. 424.<br />
3 Ebd. S. 426.<br />
4 Ebd. S. 444.<br />
5 Glockner, H.: Europ. Philosophie. S. 746.<br />
6 Ebd. S. 745 f.<br />
7 Bubner, R.: Dt. Idealismus. S. 222.