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Harald Pamminger: Max Stirner – ein Schüler Hegels?

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OCR-Texterkennung und Copyright by <strong>Max</strong> <strong>Stirner</strong> Archiv Leipzig <strong>–</strong> 12.09.2009<br />

ne Triebe, aber gehorsam der Herrin: Vernunft. Ich habe die ,geistige Freiheit‘, ,Freiheit des<br />

Geistes‘ gewonnen. Damit bin Ich denn gerade dem Geiste untertan geworden. Der Geist befiehlt<br />

Mir, die Vernunft leitet Mich, sie sind m<strong>ein</strong>e Führer und Gebieter. Es herrschen die<br />

,Vernünftigen‘, die ,Diener des Geistes‘“. 1<br />

<strong>Stirner</strong> bezweifelt nicht, daß die Bildung etwas gebracht hat, hat sie doch „Mich zum Gewaltigen<br />

gemacht. Sie hat Mir Gewalt über alle Antriebe gegeben ... Der Geist hat Mich zum<br />

Herrn gemacht. <strong>–</strong> Aber über den Geist selbst habe Ich k<strong>ein</strong>e Gewalt. Aus der Religion (Bildung)<br />

lerne Ich wohl die Mittel zur ,Besiegung der Welt‘, aber nicht, wie Ich auch Gott bezwinge<br />

und s<strong>ein</strong>er Herr werde; denn Gott ,ist der Geist‘. Und zwar kann der Geist, dessen Ich<br />

nicht Herr zu werden vermag, die mannigfaltigsten Gestalten haben: er kann Gott heißen oder<br />

Volksgeist, Staat, Familie, Vernunft, auch <strong>–</strong> Freiheit, Menschlichkeit, Mensch.<br />

Ich nehme mit Dank auf, was die Jahrhunderte der Bildung Mir erworben haben; nichts davon<br />

will Ich wegwerfen und aufgeben: Ich habe nicht umsonst gelebt. Die Erfahrung, daß Ich<br />

Gewalt über m<strong>ein</strong>e Natur habe und nicht der Sklave m<strong>ein</strong>er Begierden zu s<strong>ein</strong> brauche, soll<br />

Mir nicht verloren gehen; die Erfahrung, daß Ich durch Bildungsmittel die Welt bezwingen<br />

kann, ist zu teuer erkauft, als daß Ich sie vergessen könnte. Aber Ich will nach mehr“. 2<br />

[440] Was mit der bisherigen Geschichte verdeutlicht werden sollte, der Übergang von der<br />

Sinnlichkeit auf die Geistigkeit, ist nur das Versetzen von <strong>ein</strong>em Standpunkt auf <strong>ein</strong>en neuen<br />

festen Standpunkt.<br />

Mit anderen Worten: „... der Sinn dürfe nicht auf das Vergängliche, sondern all<strong>ein</strong> auf das<br />

Unvergängliche gerichtet s<strong>ein</strong>, nicht aufs Zeitliche, sondern Ewige, Absolute, Göttliche,<br />

R<strong>ein</strong>menschliche usw. <strong>–</strong> aufs Geistige.<br />

Man sah sehr bald <strong>ein</strong>, daß es nicht gleichgültig sei, woran man s<strong>ein</strong> Herz hänge, oder womit<br />

man sich beschäftige; man erkannte die Wichtigkeit des Gegenstandes. Ein über die Einzelheit<br />

der Dinge erhabener Gegenstand ist das Wesen der Dinge; ja das Wesen ist all<strong>ein</strong> das<br />

Denkbare an ihnen, ist für den denkenden Menschen. Darum richte nicht länger D<strong>ein</strong>en Sinn<br />

auf die Dinge, sondern D<strong>ein</strong>e Gedanken auf das Wesen.“ 3<br />

Dem fügt <strong>Stirner</strong> noch hinzu: „So lange Ich Mit nicht das <strong>ein</strong>zig Wichtige bin, ist’s gleichgültig,<br />

von welchem Gegenstande Ich ,viel Wesens‘ mache, und nur m<strong>ein</strong> größeres oder kl<strong>ein</strong>eres<br />

Verbrechen gegen ihn ist von Wert. Der Grad m<strong>ein</strong>er Anhänglichkeit und Ergebenheit<br />

bezeichnet den Standpunkt m<strong>ein</strong>er Dienstbarkeit, der Grad m<strong>ein</strong>er Versündigung zeigt das<br />

Maß m<strong>ein</strong>er Eigenheit.“ 4<br />

Bezogen auf die Gegenstände vertritt er die Ansicht, es „hat Jeder <strong>ein</strong> Verhältnis zu den Objekten,<br />

und zwar verhält sich Jeder anders zu denselben ... wie Wir mit den Dingen umspringen,<br />

das ist die Sache unseres Beliebens, unserer Willkür: Wir gebrauche sie nach Herzenslust,<br />

oder deutlicher, Wir gebrauchen sie, wie Wir eben können“. 5<br />

Das hat k<strong>ein</strong>e andere Bedeutung als, was „<strong>ein</strong> Mensch ist, das macht er aus den Dingen; ,wie<br />

du die Welt anschaust, so schaut sie Dich wieder an‘ ... Die Dinge schaut man eben recht an,<br />

wenn man aus ihnen macht, was man will (unter [441] Dingen sind hier Objekte, Gegenstände<br />

überhaupt verstanden, wie Gott, unsere Mitmenschen, <strong>ein</strong>e Liebchen, <strong>ein</strong> Buch, <strong>ein</strong> Tier<br />

usw.). Und darum sind die Dingen und ihre Anschauung nicht das Erste, sondern Ich bin’s,<br />

m<strong>ein</strong> Wille ist’s. Man will Gedanken aus den Dingen herausbringen, will Vernunft in der<br />

Welt entdecken, will Heiligkeit in ihr haben: daher wird man sie finden ... Was Ich suchen<br />

will, das bestimme Ich ... Ich erkiese Mir das, wonach m<strong>ein</strong> Sinn steht, und erkiesend beweise<br />

1 EE 373.<br />

2 EE 373 f.<br />

3 EE 375.<br />

4 EE 375.<br />

5 EE 376 f.

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