Harald Pamminger: Max Stirner – ein Schüler Hegels?
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OCR-Texterkennung und Copyright by <strong>Max</strong> <strong>Stirner</strong> Archiv Leipzig <strong>–</strong> 12.09.2009<br />
Bin Ich aber der Mensch und habe Ich ihn, den die religiöse Menschheit als fernes Ziel bezeichnete,<br />
wirklich in Mir gefunden, so ist auch alles ,wahrhaft Menschliche‘ m<strong>ein</strong> eigen.<br />
Was man der Idee der Menschheit zuschrieb, das gehört Mir.“ 1<br />
Und darum, weil ich der „wahre Mensch“ bin, ist alles „m<strong>ein</strong> Eigen“ und „darum hole<br />
Ich Mir wieder, was sich Mir entziehen will, vor allem aber hole Ich Mich stets wieder,<br />
wenn Ich zu irgend <strong>ein</strong>er Dienstbarkeit Mir entschlüpfet bin. Aber auch dies ist nicht<br />
m<strong>ein</strong> Beruf, sondern m<strong>ein</strong>e natürliche Tat.<br />
Genug, es ist <strong>ein</strong> mächtiger Unterschied, ob Ich Mich zum Ausgangs- oder zum Zielpunkte<br />
mache. Als letzteren habe Ich Mich nicht, bin Mir mithin noch fremd, bin m<strong>ein</strong> Wesen, m<strong>ein</strong><br />
,wahres Wesen‘, und dieses Mir fremde ,wahre Wesen‘ wird als <strong>ein</strong> Spuk von tausenderlei<br />
Namen s<strong>ein</strong> Gespött mit Mir treiben. Weil Ich noch nicht Ich bin, so ist <strong>ein</strong> Anderer ... Ich,<br />
m<strong>ein</strong> Ich“. 2<br />
<strong>Stirner</strong> will im Grunde darauf hinaus, daß man „die Regel der Klugen“ verachte, „die Menschen<br />
zu nehmen wie sie sind“, sondern man „nimmt sie lieber wie sie s<strong>ein</strong> sollen“. 3<br />
Diese Differenz versucht er aufzulösen.<br />
[436] So schreibt er: „Wohlan, die Menschen sind, wie sie s<strong>ein</strong> sollen, s<strong>ein</strong> können. Was sollen<br />
sie s<strong>ein</strong>? Doch wohl nicht mehr als sie s<strong>ein</strong> können! Und was können sie s<strong>ein</strong>? Auch eben<br />
nicht mehr als sie <strong>–</strong> können, d. h. als sie das Vermögen, die Kraft zu s<strong>ein</strong> haben. Das aber<br />
sind sie wirklich, weil, was sie nicht sind, die zu s<strong>ein</strong> nicht imstande sind: denn imstande s<strong>ein</strong><br />
heißt <strong>–</strong> wirklich s<strong>ein</strong>. Man ist nichts imstande, was man nicht wirklich ist, man ist nichts imstande<br />
zu tun, was man nicht wirklich tut ... Möglichkeit und Wirklichkeit fallen immer zusammen.<br />
Man kann nichts, was man nicht tut, wie man nichts tut, was man nicht kann.“ 4<br />
Der Begriff der Möglichkeit impliziert für <strong>Stirner</strong> immer <strong>ein</strong> Denken.<br />
„Es ist möglich, daß alle Menschen vernünftig leben, d. h. Ich kann Mir denken, daß alle<br />
usw. Da nun m<strong>ein</strong> Denken nicht bewirken kann, mithin auch nicht bewirkt, daß alle Menschen<br />
vernünftig leben, sondern dies den Menschen selbst überlassen bleiben muß, so ist die<br />
allgem<strong>ein</strong>e Vernunft für Mich nur denkbar, <strong>ein</strong>e Denkbarkeit, als solche aber in der Tat <strong>ein</strong>e<br />
Wirklichkeit, die nur in Bezug auf das, was ich nicht machen kann, nämlich die Vernünftigkeit<br />
der Andern, <strong>ein</strong>e Möglichkeit genannt wird. So weit es von Dir abhängt, könnten alle<br />
Menschen vernünftig s<strong>ein</strong>, denn Du hast nichts dagegen, ja so weit d<strong>ein</strong> Denken reicht,<br />
kannst Du vielleicht auch k<strong>ein</strong> Hindernis entdecken, und mithin steht auch in d<strong>ein</strong>em Denken<br />
der Sache nichts entgegen: sie ist Dir denkbar.“ 5<br />
Möglichkeit impliziert aber auch <strong>ein</strong> „Zukünftiges“, welches „die volle Kraft des<br />
,Wirklichen‘“ enthält, denn „für das Heute ist das Morgen die wirkliche Zukunft“. 6<br />
<strong>Stirner</strong> will sich jedoch nicht auf den Begriff Möglichkeit versteifen, sondern nur zeigen, daß<br />
der „Gedanke ... die besessene Welt“ beherrscht.<br />
[437] „Nun denn, die Möglichkeit ist nichts anders, als die Denkbarkeit, und der gräßlichen<br />
Denkbarkeit sind seither unzählige Opfer gefallen. Es war denkbar, daß die Menschen vernünftig<br />
werden könnten, denkbar, daß sie Christum erkennen, denkbar, daß sie für das Gute<br />
sich begeistern und sittlich werden, denkbar, daß sie alle in den Schoß der Kirche sich flüchten,<br />
denkbar, daß sie nichts Staatsgefährliches sinnen, sprechen und tun, denkbar, daß sie gehorsame<br />
Untertanen s<strong>ein</strong> könnten: darum aber, weil es denkbar war, war es <strong>–</strong> so lautet der<br />
Schluß <strong>–</strong> möglich, und weiter, weil es den Menschen möglich war (hier eben liegt das Trüge-<br />
1 EE 367.<br />
2 EE 368.<br />
3 EE 368.<br />
4 EE 369.<br />
5 EE 369 f.<br />
6 EE 370.