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Harald Pamminger: Max Stirner – ein Schüler Hegels?

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OCR-Texterkennung und Copyright by <strong>Max</strong> <strong>Stirner</strong> Archiv Leipzig <strong>–</strong> 12.09.2009<br />

nicht ,göttlich‘, sondern ,menschlich‘ wollen sie s<strong>ein</strong> und leben.<br />

Der Mensch ist des Liberalen höchstes Wesen, der Mensch s<strong>ein</strong>es Lebens Richter, die<br />

Menschlichkeit s<strong>ein</strong> Leitfaden oder Katechismus. Gott ist Geist, aber der Mensch ist der<br />

,vollkommenste Geist‘, das endliche Resultat der langen Geisterjagd oder der ,Forschung in<br />

den Tiefen der Gottheit‘, d. h. in den Tiefen des Geistes.<br />

Jeder d<strong>ein</strong>er Züge soll menschlich s<strong>ein</strong>; Du selbst sollst es vom Wirbel bis zur Zehe, im Innern<br />

wie im Äußern s<strong>ein</strong>: denn die Menschlichkeit ist d<strong>ein</strong> Beruf.<br />

Beruf <strong>–</strong> Bestimmung <strong>–</strong> Aufgabe! <strong>–</strong>“. 1<br />

Dagegen spricht sich <strong>Stirner</strong> jedoch vehement aus: „Ein Mensch ist zu nichts ,berufen‘ und<br />

hat k<strong>ein</strong>e ,Aufgabe‘, k<strong>ein</strong>e ,Bestimmung‘, so wenig als <strong>ein</strong>e Pflanze oder <strong>ein</strong> Tier <strong>ein</strong>en<br />

,Beruf‘ hat.“ 2<br />

Am Beispiel der Natur <strong>–</strong> die „Blume folgt nicht dem Berufe, sich zu vollenden, aber sie<br />

wendet alle ihre Kräfte auf, die Welt, so gut sie kann, zu genießen und zu verzehren, d. h. sie<br />

saugt so viel Säfte der Erde, so viel Luft des Äthers, so viel Licht der Sonne <strong>ein</strong>, als sie bekommen<br />

und beher[434]bergen kann. Der Vogel lebt k<strong>ein</strong>em Berufe nach, aber er gebraucht<br />

s<strong>ein</strong>e Kräfte so viel es geht: er hascht Käfer und singt nach Herzenslust“ 3 <strong>–</strong> versucht er zu<br />

verdeutlichen, worin der Ursprung s<strong>ein</strong>es Genusses liegt, und woran es den „Ideal-<br />

Gläubigen“ mangelt.<br />

An der Kraft!<br />

„Der Blume und des Vogels Kräfte sind aber im Vergleich zu denen <strong>ein</strong>es Menschen gering,<br />

und viel gewaltiger wird <strong>ein</strong> Mensch, der s<strong>ein</strong>e Kräfte anwendet, in die Welt <strong>ein</strong>greifen als<br />

Blume und Tier. Einen Beruf hat er nicht, aber er hat Kräfte, die sich äußern, wo sie sind,<br />

weil ihr S<strong>ein</strong> ja <strong>ein</strong>zig in ihrer Äußerung besteht und so wenig untätig verharren können als<br />

das Leben, das, wenn es auch nur <strong>ein</strong>e Sekunde ,stille stände‘, nicht mehr Leben wäre. Nun<br />

könnte man dem Menschen zurufen: gebrauche d<strong>ein</strong>e Kraft. Doch in diesen Imperativ würde<br />

der Sinn gelegt werden, es sei des Menschen Aufgabe, s<strong>ein</strong>e Kraft zu gebrauchen. So ist es<br />

nicht. Es gebraucht vielmehr wirklich Jeder s<strong>ein</strong>e Kraft, ohne dies erst für s<strong>ein</strong>en Beruf anzusehen:<br />

es gebraucht Jeder in jedem Augenblicke so viel Kraft als er besitzt ...<br />

Darum nun, weil Kräfte sich stets von selbst werktätig erweisen, wäre das Gebot, sie zu gebrauchen,<br />

überflüssig und sinnlos. S<strong>ein</strong>e Kräfte zu gebrauchen ist nicht der Beruf und die<br />

Aufgabe des Menschen, sondern es ist s<strong>ein</strong>e allezeit wirkliche, vorhandene Tat. Kraft ist nur<br />

<strong>ein</strong> <strong>ein</strong>facheres Wort für Kraftäußerung.“ 4<br />

Aufgrund dessen gelangt <strong>Stirner</strong> zu der Behauptung: „Was Einer werden kann, das wird er<br />

auch“. 5<br />

Ebenso wie „diese Rose von vornher<strong>ein</strong> wahre Rose, diese Nachtigall stets wahre Nachtigall<br />

ist, so bin Ich nicht erst wahrer Mensch, wenn Ich m<strong>ein</strong>en Beruf erfülle, m<strong>ein</strong>er Bestimmung<br />

nachlebe, sondern Ich bin von Haus ,wahrer Mensch‘. M<strong>ein</strong> erstes Lallen ist das Lebenszeichen<br />

<strong>ein</strong>es [435] ,wahren Menschen‘, m<strong>ein</strong>e Lebenskämpfe s<strong>ein</strong>e Kraftergüsse, m<strong>ein</strong> letzter<br />

Atemzug das letzte Kraftaushauchen ,des Menschen‘“. 6<br />

Und weiters: „Nicht in der Zukunft, <strong>ein</strong> Gegenstand der Sehnsucht, liegt der wahre Mensch,<br />

sondern daseiend und wirklich liegt er in der Gegenwart. Wie und wer Ich auch sei, freudvoll<br />

und leidvoll, <strong>ein</strong> Kind oder <strong>ein</strong> Greis, in Zuversicht oder Zweifel, im Schlaf oder im Wachen,<br />

Ich bin es, Ich bin der wahre Mensch.<br />

1 EE 364.<br />

2 EE 366.<br />

3 EE 366.<br />

4 EE 366 f.<br />

5 EE 364.<br />

6 EE 367.

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