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Harald Pamminger: Max Stirner – ein Schüler Hegels?

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OCR-Texterkennung und Copyright by <strong>Max</strong> <strong>Stirner</strong> Archiv Leipzig <strong>–</strong> 12.09.2009<br />

Soll jedoch „der Lebensgenuß über die Lebenssehnsucht oder Lebenshoffnung triumphieren,<br />

so muß er sie in ihrer doppelten Bedeutung .. bezwingen, die geistliche und weltliche Armut<br />

ekrasieren, das Ideal vertilgen und <strong>–</strong> die Not ums tägliche Brot. Wer s<strong>ein</strong> Leben aufwenden<br />

muß, um das Leben zu fristen, der kann es nicht genießen, und wer s<strong>ein</strong> Leben erst sucht, der<br />

hat es nicht und kann es ebensowenig genießen ...“ 1<br />

Die nach dem Leben Hungernden „haben k<strong>ein</strong>e Macht über ihr gegenwärtiges“. 2<br />

Diese haben „<strong>ein</strong>en Lebensberuf, <strong>ein</strong>e Lebensaufgabe“, haben durch ihr „Leben Etwas zu<br />

verwirklichen und herzustellen, <strong>ein</strong> Etwas, für welches unser Leben nur Mittel und Werkzeug<br />

ist, <strong>ein</strong> Etwas, das mehr wert ist, als dieses Leben, <strong>ein</strong> Etwas, dem man das Leben schuldig ist<br />

...<br />

Weil Wir aber unser Leben jenem Etwas schulden, darum haben Wir <strong>–</strong> dies das Nächste <strong>–</strong><br />

k<strong>ein</strong> Recht es uns zu nehmen“. 3<br />

Mit diesem Gedanken stellt er die Frage nach dem Tode, respektive nach dem Selbstmord.<br />

[432] So konstatiert er dem Christentum <strong>ein</strong>e „Tendenz“, die es nicht erlaubt „anders an den<br />

Tod zu denken, als mit der Absicht, ihm s<strong>ein</strong>en Stachel zu nehmen und <strong>–</strong> hübsch fortzuleben<br />

und sich zu erhalten. Alles läßt der Christ geschehen und über sich ergehen ...; sich selbst töten<br />

darf er nicht, er darf sich nur <strong>–</strong> erhalten, und an der ,Bereitung <strong>ein</strong>er zukünftigen Stätte‘<br />

arbeiten ... ,Überwindung des Todes‘ liegt ihm am Herzen ...“ 4<br />

Nicht anders verhält es sich <strong>–</strong> s<strong>ein</strong>er Ansicht nach <strong>–</strong> bei den Sittlichen.<br />

Dieser „will das Gute, das Rechte, und wenn er die Mittel ergreift, welche zu diesem Ziele<br />

führen, wirklich führen, so sind diese Mittel nicht s<strong>ein</strong>e Mittel, sondern die des Guten, Rechten<br />

usw. selbst. Unsittlich sind diese Mittel niemals, weil der gute Zweck selbst sich durch sie<br />

vermittelt: der Zweck heiligt die Mittel. Diesen Grundsatz nennt man jesuitisch, er ist aber<br />

durchaus ,sittlich‘. Der Sittliche handelt im Dienste <strong>ein</strong>es Zweckes oder <strong>ein</strong>er Idee: er macht<br />

sich zum Werkzeug der Idee des Guten, wie der Fromme <strong>ein</strong> Werk- oder Rüstzeug Gottes zu<br />

s<strong>ein</strong> sich zum Ruhme anrechnet. Den Tod abzuwarten, heischt das sittliche Gebot als das Gute;<br />

ihn sich selbst geben, ist unsittlich und böse: der Selbstmord findet k<strong>ein</strong>e Entschuldigung<br />

vor dem Richterstuhl der Sittlichkeit“. 5<br />

Der Sittliche verbietet ihn, „weil Ich m<strong>ein</strong> Leben dem Vaterlande usw. schulde“, denn „es<br />

verliert ja das Gute an mir <strong>ein</strong> Werkzeug, wie Gott <strong>ein</strong> Rüstzeug. Bin ich unsittlich, so ist<br />

dem Guten mit m<strong>ein</strong>er Besserung gedient, bin Ich ,gottlos‘, so hat Gott Freude an m<strong>ein</strong>er<br />

Bußfertigkeit: Selbstmord ist also sowohl gottlos als ruchlos. Wenn <strong>ein</strong>er, dessen Standpunkt<br />

die Religiosität ist, sich das Leben nimmt, so handelt er gottvergessen; ist aber der Standpunkt<br />

des Selbstmörders die Sittlichkeit, so handelt er pflichtvergessen, unsittlich ...<br />

[433] Was von der Frömmigkeit und Sittlichkeit gilt, wird notwendig auch die Menschlichkeit<br />

treffen, weil man dem Menschen, der Menschheit oder Gattung gleichfalls s<strong>ein</strong> Leben<br />

schuldig ist. Nur wenn Ich k<strong>ein</strong>em Wesen verpflichtet bin, ist die Erhaltung des Lebens <strong>–</strong><br />

m<strong>ein</strong>e Sache“. 6<br />

Ist man jedoch „jenem Wesen“ verpflichtet, so gehört ihm all „m<strong>ein</strong> Fühlen, Denken und<br />

Wollen, all m<strong>ein</strong> Tun und Trachten“ und es ist Allen gem<strong>ein</strong>, „daß das höchste Wesen unser<br />

Leben zu richten habe“. 7<br />

Ist bei den Frommen Gott der Richter, so richten sich die Liberalen „nach dem Menschen:<br />

1 EE 360.<br />

2 EE 360.<br />

3 EE 361.<br />

4 EE 361 f.<br />

5 EE 362.<br />

6 EE 362 f.<br />

7 EE 363.

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