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Harald Pamminger: Max Stirner – ein Schüler Hegels?

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OCR-Texterkennung und Copyright by <strong>Max</strong> <strong>Stirner</strong> Archiv Leipzig <strong>–</strong> 12.09.2009<br />

„Die bisherige Welt sann auf nichts als auf Gewinn des Lebens, sorgte fürs <strong>–</strong> Leben. Denn ob<br />

alle Tätigkeit für das diesseitige oder für das jenseitige, für das zeitliche oder für das ewige<br />

Leben in Spannung gesetzt wird, ob man nach dem ,täglichen Brote‘ lechzt ... oder nach dem<br />

,heiligen Brote‘ ... das ändert den Zweck der Spannung und Sorge nicht, der im <strong>ein</strong>en wie im<br />

andern Fall sich als das Leben ausweist. Kündigen sich die modernen Tendenzen anders an?<br />

Man will, daß Niemand mehr um die nötigsten Lebensbedürfnisse in Verlegenheit komme,<br />

sondern sich darin gesichert finde, und anderseits lehrt man, daß der Mensch sich ums Diesseits<br />

zu bekümmern und in die wirkliche Welt <strong>ein</strong>zuleben habe, ohn eitle Sorge um <strong>ein</strong> Jenseits.“<br />

1<br />

<strong>Stirner</strong> faßt nun „dieselbe Sache von <strong>ein</strong>er andern Seite auf. Wer nur besorgt ist, daß er lebe,<br />

vergißt über dieser Ängstlichkeit leicht den Genuß des Lebens. Ist‘s ihm nur ums Leben zu<br />

tun und denkt er, wenn Ich nur das liebe Leben [430] habe, so verwendet er nicht s<strong>ein</strong>e volle<br />

Kraft darauf, das Leben zu nutzen, d. h. zu genießen. Wie aber nutzt man das Leben? Indem<br />

man‘s verbraucht, gleich dem Lichte, das man nutzt, indem man‘s verbrennt. Man nutzt das<br />

Leben und mithin sich, den Lebendigen, indem man es und sich verzehrt. Lebensgenuß ist<br />

Verbrauch des Lebens“. 2<br />

So simpel dieser Gedanke auch aussieht, <strong>Stirner</strong> gibt sich damit noch nicht zufrieden.<br />

„Nun <strong>–</strong> den Genuß des Lebens suchen Wir auf! Und was tat die religiöse Welt? Sie suchte<br />

das Leben auf.“ 3<br />

Die mit der Suche nach dem „wahren Leben“ Beschäftigten stellen bestimmte Fragen auf,<br />

die darauf hindeuten, daß „die Fragenden erst sich suchten“. 4<br />

<strong>Stirner</strong>s Einwendungen sehen hingegen folgendermaßen aus:<br />

„Erst dann, wenn Ich M<strong>ein</strong>er gewiß bin und Mich nicht mehr suche, bin Ich wahrhaft m<strong>ein</strong><br />

Eigentum: Ich habe Mich, darum brauche und genieße Ich Mich. Dagegen kann Ich M<strong>ein</strong>er<br />

nimmermehr froh werden, solange Ich denke, m<strong>ein</strong> wahres Ich hätte Ich erst noch zu finden,<br />

und es müsse dahin kommen, daß nicht Ich, sondern Christus in Mir lebe oder irgend <strong>ein</strong> anderes<br />

geistiges, d. h. gespenstisches Ich, z. B. der wahre Mensch, das Wesen des Menschen u.<br />

dgl.<br />

Ein ungeheurer Abstand trennt beide Anschauungen: in der alten gehe Ich auf Mich zu, in<br />

der neuen gehe Ich von Mir aus, in jener sehne Ich Mich nach Mir, in dieser habe Ich Mich<br />

und mache es mit Mir, wie man‘s mit jedem andern Eigentum macht, <strong>–</strong> Ich genieße Mich<br />

nach m<strong>ein</strong>em Wohlgefallen. Ich bange nicht mehr um‘s Leben, sondern ,vertue‘ es.<br />

Von jetzt an lautet die Frage, nicht wie man das Leben erwerben, sondern wie man‘s vertun,<br />

genießen könne, oder nicht wie man das wahre Ich herzustellen, sondern wie man sich aufzulösen,<br />

sich auszuleben habe.<br />

Was wäre das Ideal wohl anders, als das gesuchte, stets [431] ferne Ich? Sich sucht man,<br />

folglich hat man sich noch nicht, man trachtet nach dem, was man s<strong>ein</strong> soll, folglich ist man‘s<br />

nicht. Man lebt in Sehnsucht und hat Jahrtausende in ihr, hat in Hoffnung gelebt. Ganz anders<br />

lebt es sich im <strong>–</strong> Genuß!“ 5<br />

Diese Sehnsucht betrifft jedoch nicht nur die Frommen, sondern „Alle, die der scheidenden<br />

Geschichtsperiode angehören“ und es sollen „namentlich die Philosophen ... den<br />

Frommen gegenübergestellt“ werden, denn diese haben an nichts „anderes gedacht, als<br />

an das Ideal“, auf nichts „anderes gesonnen, als auf das absolute Ich“. 6<br />

1 EE 358.<br />

2 EE 358 f.<br />

3 EE 359.<br />

4 EE 359.<br />

5 EE 359 f.<br />

6 EE 360.

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