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Harald Pamminger: Max Stirner – ein Schüler Hegels?

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OCR-Texterkennung und Copyright by <strong>Max</strong> <strong>Stirner</strong> Archiv Leipzig <strong>–</strong> 12.09.2009<br />

nur Eine Beziehung, die der Brauchbarkeit, der Nutzbarkeit, des Nutzens.“ 1<br />

Anhand der Begriffe „Wahrheit“ und „Lüge“ versucht <strong>Stirner</strong> <strong>ein</strong> weiteres Mal den Verkehr<br />

mit Menschen aus egoistischer Sicht zu erklären.<br />

„Zu derjenigen Liebe, welche sich auf das ,Wesen des Menschen‘ gründet oder in der kirchlichen<br />

und sittlichen Periode als <strong>ein</strong> ,Gebot‘ auf Uns liegt, muß man erzogen werden. In welcherlei<br />

Art der moralische Einfluß, das Hauptingredienz unserer Erziehung, den Verkehr der<br />

Menschen zu [416] regeln sucht, soll hier wenigstens an Einem Beispiele mit egoistischen<br />

Augen betrachtet werden.<br />

Die Uns erziehen, lassen sich‘s angelegen s<strong>ein</strong>, frühzeitig Uns das Lügen abzugewöhnen und<br />

den Grundsatz <strong>ein</strong>zuprägen, daß man stets die Wahrheit sagen müsse. Machte man für diese<br />

Regel den Eigennutz zur Basis, so würde Jeder leicht begreifen, wie er das Vertrauen zu sich,<br />

welches er bei Andern erwecken will, durch Lügen verscherze, und wie richtig sich der Satz<br />

erweise: Wer <strong>ein</strong>mal lügt, dem glaubt man nicht, und wenn er auch die Wahrheit spricht. Zu<br />

gleicher Zeit würde er jedoch auch fühlen, daß er nur demjenigen mit der Wahrheit entgegenzukommen<br />

habe, welchen er befugt, die Wahrheit zu hören.“ 2<br />

Auch der Staat macht den Eigennutz zur Basis, denn er „verfährt überall ungläubig gegen die<br />

Individuen, weil er in ihrem Egoismus s<strong>ein</strong>en natürlichen F<strong>ein</strong>d erkennt ... Der Staat glaubt<br />

und vertraut dem Einzelnen nicht, und stellt sich so selbst mit ihm auf den Lügen-Komment:<br />

er traut Mir nur, wenn er sich von der Wahrheit m<strong>ein</strong>er Aussage überführt hat, wozu ihm oft<br />

k<strong>ein</strong> anderes Mittel bleibt als der Eid. Wie deutlich beweist auch dieser, daß der Staat nicht<br />

auf unsere Wahrheitsliebe und Glaubwürdigkeit rechnet, sondern auf unser Interesse, unseren<br />

Eigennutz: er verläßt sich darauf, daß Wir Uns nicht durch <strong>ein</strong>en M<strong>ein</strong>eid werden mit Gott<br />

überwerfen wollen“. 3<br />

<strong>Stirner</strong> vertritt jedoch s<strong>ein</strong>e egoistische Ansicht, indem er m<strong>ein</strong>t: „Ich will Euch belügen,<br />

weil Ich Euch k<strong>ein</strong>en Anspruch und k<strong>ein</strong> Recht auf m<strong>ein</strong>e Aufrichtigkeit gegeben habe. Mag<br />

der Gott, ,welcher die Wahrheit ist‘, noch so drohend herabsehen, mag das Lügen Mir noch<br />

so sauer werden. Ich habe dennoch den Mut der Lüge, und selbst wenn ich m<strong>ein</strong>es Lebens<br />

überdrüssig wäre, selbst wenn Mir nichts willkommener erschiene, als euer Henkerschwert,<br />

so sollt Ihr dennoch die Freude nicht haben, an Mir <strong>ein</strong>en Sklaven [417] der Wahrheit finden,<br />

den Ihr durch eure Pfaffenkünste zum Verräter an s<strong>ein</strong>em Willen macht. Als Ich jene hochverräterischen<br />

Worte sprach, da wollte Ich, daß Ihr nichts davon wissen solltet; desselben Willen<br />

behalte Ich jetzt bei und lasse Mich durch den Fluch der Lüge nicht schrecken.“ 4<br />

<strong>Stirner</strong> ändert die Sache <strong>ein</strong> wenig ab und schreibt: „Ein M<strong>ein</strong>eid und Lüge um <strong>–</strong> M<strong>ein</strong>etwillen!<br />

Hieße das nicht jeder Niederträchtigkeit das Wort reden? Es sch<strong>ein</strong>t allerdings so, nur<br />

gleicht es darin ganz und gar dem ,um Gottes willen‘. Denn wurde nicht jede Niederträchtigkeit<br />

um Gottes willen verübt, alle Blutgerüste um s<strong>ein</strong>etwillen erfüllt ...? Brach man nicht<br />

heilige Gelübde um s<strong>ein</strong>etwillen, und ziehen nicht alle Tage noch Missionäre und Pfaffen<br />

umher, um Juden, Heiden, Protestanten oder Katholiken usw. zum Verrat am Glauben ihrer<br />

Väter zu bringen <strong>–</strong> um s<strong>ein</strong>etwillen? Und das sollte bei dem um M<strong>ein</strong>etwillen schlimmer<br />

s<strong>ein</strong>? Was heißt denn M<strong>ein</strong>etwegen? Da denkt man gleich an ,schnöden Gewinn‘. Wer aber<br />

aus Liebe zu schnödem Gewinne handelt, tut das zwar s<strong>ein</strong>etwegen ... jedoch ist er, für den er<br />

den Gewinn sucht, <strong>ein</strong> Sklave des Gewinnes, nicht erhaben über Gewinn ist Einer ... nicht<br />

sich, ist nicht s<strong>ein</strong> eigen. Muß <strong>ein</strong> Mensch, den die Leidenschaft der Habgier beherrscht, nicht<br />

den Geboten dieser Herrin folgen ...? Also <strong>ein</strong> Habgieriger ist k<strong>ein</strong> Eigner, sondern <strong>ein</strong><br />

1 EE 329 ff.<br />

2 EE 332.<br />

3 EE 333.<br />

4 EE 334.

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