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Harald Pamminger: Max Stirner – ein Schüler Hegels?

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OCR-Texterkennung und Copyright by <strong>Max</strong> <strong>Stirner</strong> Archiv Leipzig <strong>–</strong> 12.09.2009<br />

Egoismus!‘“ 1<br />

[408] Einen weiteren Punkt in <strong>Stirner</strong>s Ergüssen über „den Verkehr mit Menschen“ stellt das<br />

„Gebot der Liebe“ 2 dar.<br />

„Für den Verkehr mit Menschen wird unter allen, welche religiös leben, <strong>ein</strong> ausdrückliches<br />

Gesetz obenangestellt, dessen Befolgung man wohl sündhafter Weise zuweilen zu vergessen,<br />

dessen absoluten Wert aber zu leugnen man sich niemals getraut; dies ist das Gesetz der <strong>–</strong><br />

Liebe, dem auch Diejenigen noch nicht untreu geworden sind, die gegen ihr Prinzip zu kämpfen<br />

sch<strong>ein</strong>en und ihren Namen hassen; denn auch sie haben der Liebe noch, ja sie lieben inniger<br />

und geläuterter, sie lieben ,den Menschen und die Menschheit‘.<br />

Formulieren Wir den Sinn dieses Gesetzes, so wird er etwa folgender s<strong>ein</strong>: Jeder Mensch<br />

muß <strong>ein</strong> Etwas haben, das ihn über sich geht. Du sollst d<strong>ein</strong> ,Privatinteresse‘ hintansetzen,<br />

wenn es die Wohlfahrt Anderer, das Wohl des Vaterlandes, der Gesellschaft, das Gem<strong>ein</strong>wohl,<br />

das Wohl der Menschheit, die gute Sache u. dgl. gilt! Vaterland, Gesellschaft, Menschheit<br />

usw. muß Dir über Dich gehen, und gegen ihr Interesse muß d<strong>ein</strong> ,Privatinteresse‘ zurückstehen;<br />

denn du darfst k<strong>ein</strong> <strong>–</strong> Egoist s<strong>ein</strong>.“ 3<br />

Wie sehr dieses „Gesetz der Liebe“ den Interessen <strong>Stirner</strong>s zuwiderläuft, wollen wir nun im<br />

folgenden der Betrachtung zuführen.<br />

Für ihn ist es klar, daß die „Liebe ... <strong>ein</strong>e weitgehende religiöse Forderung“ ist, „die nicht<br />

etwa auf die Liebe zu Gott und den Menschen sich beschränkt, sondern in jeder Beziehung<br />

obenansteht. Was Wir auch tun, denken, wollen, immer soll der Grund davon die Liebe s<strong>ein</strong>.<br />

So dürfen Wir zwar urteilen, aber nur ,mit Liebe‘ ... Auch in unserer Kritik über Menschen<br />

soll die Liebe unveränderter Grundton bleiben“. 4<br />

Bezüglich der Urteile unterscheidet er wohl zwei Arten <strong>–</strong> die des Hasses und jene der Liebe <strong>–</strong><br />

beiden ist jedoch <strong>ein</strong>es gem<strong>ein</strong>sam: sie sind nicht unsere eigenen Urteile.<br />

[409] Erstere sind „Urteile des Uns beherrschenden Hasses, ,gehässige Urteile‘“, zweitere<br />

„Urteile der uns beherrschenden Liebe, ... ,liebevolle, nachsichtige‘ Urteile“. 5<br />

Somit sind sie „nicht unsere eigenen, ... gar nicht wirkliche Urteile“. 6<br />

Mit Bibelzitaten <strong>–</strong> „Wer in der Liebe bleibet, der bleibet in Gott und Gott in ihm“ (1. Joh. 4,<br />

16) <strong>–</strong> oder anderen christlichen Sprüchen <strong>–</strong> „Gott ist die Liebe! Alle Zeit und alle Geschlechter<br />

erkennen in diesem Worte den Mittelpunkt des Christentums“ und <strong>ein</strong>em dem Athanasius<br />

zugewiesenen: „Gott ist Mensch geworden, um die Menschen göttlich zu machen“ <strong>–</strong> versucht<br />

<strong>Stirner</strong> auf die Parallelität zwischen Christentum und die in neuerer Zeit auftretenden, auf<br />

dem Menschen basierenden, Beglückungsversuche hinzuweisen.<br />

„Gott, der die Liebe ist, ist <strong>ein</strong> zudringlicher Gott: er kann die Welt nicht in Ruhe lassen,<br />

sondern will sie beseligen ... Er hat s<strong>ein</strong>e Hand überall im Spiele ... Wie aber Gott, so macht‘s<br />

der Mensch. Jener will partout die Welt beseligen, und der Mensch will sie beglücken, will<br />

alle Menschen glücklich machen. Daher will jeder ,Mensch‘ die Vernunft, welche er selbst zu<br />

haben m<strong>ein</strong>t, in Allen erwecken: Alles soll durchaus vernünftig s<strong>ein</strong>. Gott plagt sich mit dem<br />

Teufel und der Philosoph mit der Unvernunft und dem Zufälligen. Gott läßt k<strong>ein</strong> Wesen s<strong>ein</strong>en<br />

eigenen Gang gehen, und der Mensch will Uns gleichfalls nur <strong>ein</strong>en menschlichen Wandel<br />

führen lassen.<br />

Wer aber voller heiliger (religiöser, sittlicher, humaner) Liebe ist, der liebt nur den Spuk, den<br />

,wahren Menschen‘, und verfolgt mit dumpfer Unbarmherzigkeit den Einzelnen, den wirkli-<br />

1 EE 316 f.<br />

2 Mackay: <strong>Stirner</strong>. S. 145.<br />

3 EE 319 f.<br />

4 EE 320.<br />

5 EE 320.<br />

6 EE 320.

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