Harald Pamminger: Max Stirner – ein Schüler Hegels?
Harald Pamminger: Max Stirner – ein Schüler Hegels? Harald Pamminger: Max Stirner – ein Schüler Hegels?
OCR-Texterkennung und Copyright by Max Stirner Archiv Leipzig – 12.09.2009 Volke, dem Staate an, darum auch Alles, was Ich mein eigen nannte“. 1 Des Staates Interesse liegt darin, „selbst reich zu sein“ und so ist es ihm gleich, ob der Einzelne reich oder arm ist. „Als Einzelne sind sie vor seinem Angesichte wirklich gleich, darin ist er gerecht“ 2 : als Arme und Reiche sind sie beide vor ihm – Nichts. Mit anderen Worten bedeutet dies, daß der Staat kein Interesse hat den Pauperismus zu beseitigen. „... dagegen hat er ein sehr großes Interesse daran, daß diejenigen Einzelnen, welche Ihn zu ihrem Ich machen, an seinem Reichtum Teil haben: er macht sie zu Teilnehmern an seinem Eigentum.“ 3 Eigentum wird zum Mittel der Belehnung für loyale Glieder der Gesellschaft, aber es bleibt doch sein – des Staates – Eigentum. Es ist und bleibt „sonach Staatseigentum, nicht Eigentum des Ichs. Daß der Staat nicht willkürlich dem Einzelnen entzieht, was er vom Staate hat, ist nur dasselbe, wie dies, daß der Staat sich selbst nicht beraubt. Wer ein Staats-Ich, d. h. ein guter Bürger oder Untertan ist, der trägt als solches Ich, nicht als eigenes, das Lehen ungestört. Dies nennt der Kodex dann so: Eigentum ist, was ich ,von Gottes und Rechts wegen‘ mein nenne. Von Gottes und Rechts wegen ist aber nur mein, solange – der Staat nichts dagegen hat“. 4 [385] Daraus geht hervor, daß der Staat „den Besitz des Eigentums an Bedingungen [knüpft], wie er Alles daran knüpft, z. B. die Ehe, indem er nur die von ihm sanktionierte Ehe gelten läßt, und sie meiner Gewalt entreißt. Eigentum ist aber nur mein Eigentum, wenn Ich dasselbe unbedingt inne habe: nur Ich, als unbedingtes Ich, habe Eigentum, schließe ein Liebesverhältnis, treibe freien Handel“. 5 Stirner, der den Staat negiert, setzt diesen, der ihn nicht zu etwas Eigenem kommen läßt, mit dem Pauperismus gleich. „Der Staat bekümmert sich nicht um Mich und das Meine, sondern um Sich und das Seine: Ich gelte ihm nur als sein Kind etwas, als ,Landeskind‘, als Ich bin Ich gar nichts für ihn. Was Mir als Ich begegnet, ist für den Verstand des Staates etwas Zufälliges: mein Reichtum wie meine Verarmung. Bin Ich aber mit allem Meinigen für ihn ein Zufall, so beweist dies, daß er Mich nicht begreifen kann: Ich gehe über seine Begriffe, oder sein Verstand ist zu kurz, um Mich zu begreifen. Darum kann er auch nichts für Mich tun. Der Pauperismus ist die Wertlosigkeit Meiner, die Erscheinung, daß Ich Mich nicht verwerten kann. Deshalb ist Staat und Pauperismus Ein und dasselbe. Der Staat läßt Mich nicht zu meinem Werte kommen und besteht nur durch meine Wertlosigkeit: er geht allezeit darauf aus, von Mir Nutzen zu ziehen, d. h. Mich zu exploitieren, auszubeuten, zu verbrauchen, bestände dieser Verbrauch auch nur darin, daß Ich für eine proles sorge (Proletariat); er will, Ich soll ,seine Kreatur‘ sein. Nur dann kann der Pauperismus gehoben werden, wenn Ich als Ich Mich verwerte, wenn Ich Mir selber Wert gebe, und meinen Preis selber mache. Ich muß Mich empören, um emporzukommen.“ 6 Mit der Verwertung Meiner geht „meine Arbeit, die Ich verwerten will“ 7 , Hand in Hand. [386] Meine Arbeit, d. h. Ich trachte danach, „‚Mich bezahlt zu machen‘“. 8 Zu diesem 1 EE 279 f. 2 EE 280. 3 EE 280. 4 EE 280. 5 EE 281. 6 EE 281 f. 7 EE 282. 8 EE 282.
OCR-Texterkennung und Copyright by Max Stirner Archiv Leipzig – 12.09.2009 Zwecke muß Ich in freiem Verkehr mit den Menschen, den Einzelnen, stehen. Allerdings kann der Staat „es nicht dulden, daß der Mensch zum Menschen in einem direkten Verhältnis stehe; er muß dazwischentreten als – Mittler, muß – intervenieren. Was Christus war, was die Heiligen, die Kirche, das ist der Staat geworden, nämlich ,Mittler‘. Er reißt den Menschen vom Menschen, um sich als ,Geist‘ in die Mitte zu stellen“. 1 Waren diese Gedanken auf die gegenständliche Arbeit bezogen, so sieht Stirner das gleiche Verhältnis für die geistige Arbeit wirksam. „Es erlaubt Mir der Staat alle meine Gedanken zu verwerten und an den Mann zu bringen ..., allein nur so lange als meine Gedanken – seine Gedanken sind. Hege Ich dagegen Gedanken, welche er nicht approbieren, d. h. zu den seinigen machen kann, so erlaubt er Mir durchaus nicht, sie zu verwerten, sie in den Austausch, den Verkehr zu bringen. Meine Gedanken sind nur frei, wenn sie Mir durch die Gnade des Staates vergönnt sind, d. h. wenn sie Gedanken des Staates sind. Frei philosophieren läßt er Mich nur, sofern Ich Mich als ,Staatsphilosoph‘ bewähre; gegen den Staat darf Ich nicht philosophieren, so gerne er‘s auch nachsieht, daß Ich ihm von seinen ,Mängeln‘ helfe, ihn ,fördere‘.“ 2 Stirner konstatiert dem Staat, daß er sich vor „nichts ... mehr zu fürchten“ habe, „als vor dem Werte Meiner, und nichts muß er sorgfältiger zu verhüten suchen, als jede Mir entgegenkommende Gelegenheit, Mich selbst zu verwerten. Ich bin der Todfeind des Staates, der stets in der Alternative schwebt: Er oder ich. Darum hält er strenge darauf, nicht nur Mich nicht gelten zu lassen, sondern das Meinige zu hintertreiben. Im Staate gibt es kein – Eigentum, d. h. [387] kein Eigentum des Einzelnen, sondern nur Staatseigentum. Nur durch den Staat habe Ich, was Ich habe, wie Ich nur durch ihn bin, was Ich bin. Mein Privateigentum ist nur dasjenige, was der Staat Mir von dem Seinigen überläßt, indem er andere Staatsglieder darum verkürzt (priviert): es ist Staatseigentum“. 3 Stirner weitet die Eigentumsfrage aus. Diesmal lautet sie – mit folgender Antwort – so: „Was ist also mein Eigentum? Nichts als was in meiner Gewalt ist! Zu welchem Eigentum bin Ich berechtigt? Zu jedem, zu welchem Ich Mich – ermächtige. Das Eigentums- Recht gebe Ich Mir, indem Ich Mir Eigentum nehme, oder Mir die Macht des Eigentümers, die Vollmacht, die Ermächtigung gebe. Worüber man Mir die Gewalt nicht zu entreißen vermag, das bleibt mein Eigentum; wohlan so entscheide die Gewalt über das Eigentum, und Ich will Alles von meiner Gewalt erwarten! Fremde Gewalt, Gewalt, die Ich einem Andern lasse, macht Mich zum Leibeigenen; so möge eigene Gewalt Mich zum Eigner machen. Ziehe Ich denn die Gewalt zurück, welche Ich Andern aus Unkunde über die Stärke meiner eigenen Gewalt eingeräumt habe! Sage Ich Mir, wohin meine Gewalt langt, das ist mein Eigentum, und nehme Ich alles als Eigentum in Anspruch, was zu erreichen Ich Mich stark genug fühle, und lasse Ich mein wirkliches Eigentum so weit reichen, als Ich zu nehmen Mich berechtige, d. h. – ermächtige.“ 4 Um solcher Art zu meinem Eigentum zu gelangen, muß hier „... der Egoismus, der Eigennutz entscheiden, nicht das Prinzip der Liebe“, denn dieses „kennt nur Opfer und fordert ,Aufopferung‘“, wogegen „der Egoismus ... nicht daran [denkt] etwas aufzuopfern, sich etwas zu vergeben; er entscheidet einfach: Was Ich brauche, muß Ich haben und will Ich Mir verschaffen“. 5 [388] Stirner sieht in allen Versuchen, „über das Eigentum vernünftige Gesetze zu geben“, das Prinzip der Liebe am Werke. „Auch den Sozialismus und Kommunismus kann man 1 EE 282 f. 2 EE 283. 3 EE 283 f. 4 EE 284 f. 5 EE 285.
- Page 139 and 140: OCR-Texterkennung und Copyright by
- Page 141 and 142: OCR-Texterkennung und Copyright by
- Page 143 and 144: OCR-Texterkennung und Copyright by
- Page 145 and 146: OCR-Texterkennung und Copyright by
- Page 147 and 148: OCR-Texterkennung und Copyright by
- Page 149 and 150: OCR-Texterkennung und Copyright by
- Page 151 and 152: OCR-Texterkennung und Copyright by
- Page 153 and 154: OCR-Texterkennung und Copyright by
- Page 155 and 156: OCR-Texterkennung und Copyright by
- Page 157 and 158: OCR-Texterkennung und Copyright by
- Page 159 and 160: OCR-Texterkennung und Copyright by
- Page 161 and 162: OCR-Texterkennung und Copyright by
- Page 163 and 164: OCR-Texterkennung und Copyright by
- Page 165 and 166: OCR-Texterkennung und Copyright by
- Page 167 and 168: OCR-Texterkennung und Copyright by
- Page 169 and 170: OCR-Texterkennung und Copyright by
- Page 171 and 172: OCR-Texterkennung und Copyright by
- Page 173 and 174: OCR-Texterkennung und Copyright by
- Page 175 and 176: OCR-Texterkennung und Copyright by
- Page 177 and 178: OCR-Texterkennung und Copyright by
- Page 179 and 180: OCR-Texterkennung und Copyright by
- Page 181 and 182: OCR-Texterkennung und Copyright by
- Page 183 and 184: OCR-Texterkennung und Copyright by
- Page 185 and 186: OCR-Texterkennung und Copyright by
- Page 187 and 188: OCR-Texterkennung und Copyright by
- Page 189: OCR-Texterkennung und Copyright by
- Page 193 and 194: OCR-Texterkennung und Copyright by
- Page 195 and 196: OCR-Texterkennung und Copyright by
- Page 197 and 198: OCR-Texterkennung und Copyright by
- Page 199 and 200: OCR-Texterkennung und Copyright by
- Page 201 and 202: OCR-Texterkennung und Copyright by
- Page 203 and 204: OCR-Texterkennung und Copyright by
- Page 205 and 206: OCR-Texterkennung und Copyright by
- Page 207 and 208: OCR-Texterkennung und Copyright by
- Page 209 and 210: OCR-Texterkennung und Copyright by
- Page 211 and 212: OCR-Texterkennung und Copyright by
- Page 213 and 214: OCR-Texterkennung und Copyright by
- Page 215 and 216: OCR-Texterkennung und Copyright by
- Page 217 and 218: OCR-Texterkennung und Copyright by
- Page 219 and 220: OCR-Texterkennung und Copyright by
- Page 221 and 222: OCR-Texterkennung und Copyright by
- Page 223 and 224: OCR-Texterkennung und Copyright by
- Page 225 and 226: OCR-Texterkennung und Copyright by
- Page 227 and 228: OCR-Texterkennung und Copyright by
- Page 229 and 230: OCR-Texterkennung und Copyright by
- Page 231 and 232: OCR-Texterkennung und Copyright by
- Page 233 and 234: OCR-Texterkennung und Copyright by
- Page 235 and 236: OCR-Texterkennung und Copyright by
- Page 237 and 238: OCR-Texterkennung und Copyright by
- Page 239 and 240: OCR-Texterkennung und Copyright by
OCR-Texterkennung und Copyright by <strong>Max</strong> <strong>Stirner</strong> Archiv Leipzig <strong>–</strong> 12.09.2009<br />
Zwecke muß Ich in freiem Verkehr mit den Menschen, den Einzelnen, stehen.<br />
Allerdings kann der Staat „es nicht dulden, daß der Mensch zum Menschen in <strong>ein</strong>em direkten<br />
Verhältnis stehe; er muß dazwischentreten als <strong>–</strong> Mittler, muß <strong>–</strong> intervenieren. Was Christus<br />
war, was die Heiligen, die Kirche, das ist der Staat geworden, nämlich ,Mittler‘. Er<br />
reißt den Menschen vom Menschen, um sich als ,Geist‘ in die Mitte zu stellen“. 1<br />
Waren diese Gedanken auf die gegenständliche Arbeit bezogen, so sieht <strong>Stirner</strong> das gleiche<br />
Verhältnis für die geistige Arbeit wirksam.<br />
„Es erlaubt Mir der Staat alle m<strong>ein</strong>e Gedanken zu verwerten und an den Mann zu bringen ...,<br />
all<strong>ein</strong> nur so lange als m<strong>ein</strong>e Gedanken <strong>–</strong> s<strong>ein</strong>e Gedanken sind. Hege Ich dagegen Gedanken,<br />
welche er nicht approbieren, d. h. zu den s<strong>ein</strong>igen machen kann, so erlaubt er Mir durchaus<br />
nicht, sie zu verwerten, sie in den Austausch, den Verkehr zu bringen. M<strong>ein</strong>e Gedanken sind<br />
nur frei, wenn sie Mir durch die Gnade des Staates vergönnt sind, d. h. wenn sie Gedanken<br />
des Staates sind. Frei philosophieren läßt er Mich nur, sofern Ich Mich als ,Staatsphilosoph‘<br />
bewähre; gegen den Staat darf Ich nicht philosophieren, so gerne er‘s auch nachsieht, daß Ich<br />
ihm von s<strong>ein</strong>en ,Mängeln‘ helfe, ihn ,fördere‘.“ 2<br />
<strong>Stirner</strong> konstatiert dem Staat, daß er sich vor „nichts ... mehr zu fürchten“ habe, „als vor dem<br />
Werte M<strong>ein</strong>er, und nichts muß er sorgfältiger zu verhüten suchen, als jede Mir entgegenkommende<br />
Gelegenheit, Mich selbst zu verwerten. Ich bin der Todf<strong>ein</strong>d des Staates, der stets<br />
in der Alternative schwebt: Er oder ich. Darum hält er strenge darauf, nicht nur Mich nicht<br />
gelten zu lassen, sondern das M<strong>ein</strong>ige zu hintertreiben. Im Staate gibt es k<strong>ein</strong> <strong>–</strong> Eigentum,<br />
d. h. [387] k<strong>ein</strong> Eigentum des Einzelnen, sondern nur Staatseigentum. Nur durch den<br />
Staat habe Ich, was Ich habe, wie Ich nur durch ihn bin, was Ich bin. M<strong>ein</strong> Privateigentum<br />
ist nur dasjenige, was der Staat Mir von dem S<strong>ein</strong>igen überläßt, indem er andere<br />
Staatsglieder darum verkürzt (priviert): es ist Staatseigentum“. 3<br />
<strong>Stirner</strong> weitet die Eigentumsfrage aus. Diesmal lautet sie <strong>–</strong> mit folgender Antwort <strong>–</strong> so:<br />
„Was ist also m<strong>ein</strong> Eigentum? Nichts als was in m<strong>ein</strong>er Gewalt ist! Zu welchem Eigentum<br />
bin Ich berechtigt? Zu jedem, zu welchem Ich Mich <strong>–</strong> ermächtige. Das Eigentums-<br />
Recht gebe Ich Mir, indem Ich Mir Eigentum nehme, oder Mir die Macht des Eigentümers,<br />
die Vollmacht, die Ermächtigung gebe.<br />
Worüber man Mir die Gewalt nicht zu entreißen vermag, das bleibt m<strong>ein</strong> Eigentum; wohlan<br />
so entscheide die Gewalt über das Eigentum, und Ich will Alles von m<strong>ein</strong>er Gewalt erwarten!<br />
Fremde Gewalt, Gewalt, die Ich <strong>ein</strong>em Andern lasse, macht Mich zum Leibeigenen; so möge<br />
eigene Gewalt Mich zum Eigner machen. Ziehe Ich denn die Gewalt zurück, welche Ich Andern<br />
aus Unkunde über die Stärke m<strong>ein</strong>er eigenen Gewalt <strong>ein</strong>geräumt habe! Sage Ich Mir,<br />
wohin m<strong>ein</strong>e Gewalt langt, das ist m<strong>ein</strong> Eigentum, und nehme Ich alles als Eigentum in Anspruch,<br />
was zu erreichen Ich Mich stark genug fühle, und lasse Ich m<strong>ein</strong> wirkliches Eigentum<br />
so weit reichen, als Ich zu nehmen Mich berechtige, d. h. <strong>–</strong> ermächtige.“ 4<br />
Um solcher Art zu m<strong>ein</strong>em Eigentum zu gelangen, muß hier „... der Egoismus, der Eigennutz<br />
entscheiden, nicht das Prinzip der Liebe“, denn dieses „kennt nur Opfer und<br />
fordert ,Aufopferung‘“, wogegen „der Egoismus ... nicht daran [denkt] etwas aufzuopfern,<br />
sich etwas zu vergeben; er entscheidet <strong>ein</strong>fach: Was Ich brauche, muß Ich haben<br />
und will Ich Mir verschaffen“. 5<br />
[388] <strong>Stirner</strong> sieht in allen Versuchen, „über das Eigentum vernünftige Gesetze zu geben“,<br />
das Prinzip der Liebe am Werke. „Auch den Sozialismus und Kommunismus kann man<br />
1 EE 282 f.<br />
2 EE 283.<br />
3 EE 283 f.<br />
4 EE 284 f.<br />
5 EE 285.