Harald Pamminger: Max Stirner – ein Schüler Hegels?
Harald Pamminger: Max Stirner – ein Schüler Hegels?
Harald Pamminger: Max Stirner – ein Schüler Hegels?
- No tags were found...
Create successful ePaper yourself
Turn your PDF publications into a flip-book with our unique Google optimized e-Paper software.
OCR-Texterkennung und Copyright by <strong>Max</strong> <strong>Stirner</strong> Archiv Leipzig <strong>–</strong> 12.09.2009<br />
stellt s<strong>ein</strong>e allmähliche Erhebung über das Fichtesche Prinzip und den Kantischen Inhalt dar,<br />
mit welchem er anging; sie enthält nicht <strong>ein</strong>e Folge der ausgearbeiteten Teile der Philosophie<br />
nach<strong>ein</strong>ander, sondern <strong>ein</strong>e Folge s<strong>ein</strong>er Bildungsstufen.“ 1<br />
Auch Hermann Glockner berichtet ähnlich, daß Schelling „unbekümmert s<strong>ein</strong>e Studien vor<br />
den Augen des Publikums (machte): was heute für den Kathedervortrag ausgearbeitet worden<br />
war, wanderte bisweilen schon morgen in die Druckerei“. 2<br />
Geht Fichte vom Ich als dem Ersten aus, um die Totalität des Wissens abzuleiten, so geht<br />
Schelling davon aus, daß „das Prinzip des Wissens ... das absolute Ich“ (G. Pöltner) ist. [36]<br />
Dieses absolute Ich steht für ihn von vornher<strong>ein</strong> an der Stelle Gottes.<br />
Ist das absolute Ich für Fichte transzendentalphilosophisch das Prinzip des endlichen Bewußts<strong>ein</strong>s,<br />
gekennzeichnet durch s<strong>ein</strong>en Gegenstandsbezug, so ist es für Schelling „das alle<br />
Scheidung übersteigende Ur<strong>ein</strong>e“ (G. Pöltner). Dieses, als absolutes Ich, kann „niemals Objekt<br />
werden“ (Schelling).<br />
„Das Ich, wenn es unbedingt seyn soll, muß außer aller Sphäre objektiver Beweisbarkeit liegen.<br />
Objektiv beweisen, daß das Ich unbedingt sey, hieße beweisen, daß es bedingt sey. Beim<br />
Unbedingten muß das Prinzip des Seyns und s<strong>ein</strong>es Denkens zusammenfallen. Es ist, bloß<br />
weil es ist, es wird gedacht, bloß weil es gedacht wird.“ 3<br />
Dieses Ich ist r<strong>ein</strong>e Identität und absolute Freiheit. Zugänglich ist das absolute und nichtobjektivierbare<br />
Ich durch die „intellektuelle Anschauung“.<br />
Die intellektuelle Anschauung ist bei Schelling unmittelbare Anschauung des über das<br />
Selbstbewußts<strong>ein</strong> hinausliegenden Absoluten.<br />
Das absolute Ich wird in <strong>ein</strong>em auf <strong>ein</strong> Objekt gerichtetes Wissen nicht zugänglich, man<br />
kann s<strong>ein</strong>er nur unmittelbar inne werden. Unmittelbares Innes<strong>ein</strong> aber ist Anschauung. Sinnlich<br />
kann die Anschauung des Absoluten nicht s<strong>ein</strong>, da sinnliche Anschauung objektbezogen<br />
ist, sondern nur intellektuelle Anschauung macht die Anschauung des Absoluten möglich.<br />
„Das Ich kann durch k<strong>ein</strong>en bloßen Begriff gegeben seyn. Denn Begriffe sind nur in der<br />
Sphäre des Bedingten, nur von Objekten möglich. Wäre das Ich <strong>ein</strong> Begriff, so müßt‘ es etwas<br />
Höheres geben, in dem er s<strong>ein</strong>e Einheit <strong>–</strong> etwas Niedereres, in dem er s<strong>ein</strong>e Vielfalt erhalten<br />
hätte, kurz: das Ich wäre durchgängig bedingt. Mithin kann das Ich nur in [37] <strong>ein</strong>er<br />
Anschauung bestimmt seyn. Aber das Ich ist nur dadurch Ich, daß es niemals Objekt werden<br />
kann, mithin kann es in k<strong>ein</strong>er sinnlichen Anschauung, also nur in <strong>ein</strong>er solchen, die gar k<strong>ein</strong><br />
Objekt anschaut, gar nicht sinnlich ist, d. h. in <strong>ein</strong>er intellektualen Anschauung bestimmbar<br />
seyn. <strong>–</strong> Wo Objekt ist, da ist sinnliche Anschauung, und umgekehrt. Wo also k<strong>ein</strong> Objekt ist,<br />
d. i. im absoluten Ich, da ist k<strong>ein</strong>e sinnliche Anschauung, also entweder gar k<strong>ein</strong>e, oder intellektuale<br />
Anschauung. Das Ich also ist für sich selbst als bloßes Ich in intellektualer Anschauung<br />
bestimmt.“ 4<br />
In s<strong>ein</strong>en ‚Vorlesungen über die Geschichte der Philosophie‘ bemerkt Hegel diesbezüglich:<br />
„Ich, als r<strong>ein</strong>er Akt, als r<strong>ein</strong>es Tun, ist im Wissen selbst nicht objektiv, deswegen, weil<br />
es Prinzip alles Wissens ist. ,Soll es also Objekt des Wissens werden, so muß dies durch <strong>ein</strong>e<br />
vom gem<strong>ein</strong>en Wissen ganz verschiedene Art zu wissen geschehen‘. Das unmittelbare Bewußts<strong>ein</strong><br />
dieser Identität ist das Anschauen, innerlich aber wird es die ,intellektuelle Anschauung‘;<br />
sie ist <strong>ein</strong> Wissen, das Produzieren s<strong>ein</strong>es Objekts ist: sinnliche Anschauung ist<br />
Anschauen, das ersch<strong>ein</strong>t so, daß das Anschauen selbst vom Angeschauten verschieden ist.<br />
Die intellektuelle Anschauung ist nun Organ alles transzendentalen Denkens, überhaupt der<br />
1 Ebd.<br />
2 Glockner, H.: Europ. Philosophie. S. 748.<br />
3 Schelling, F. W. J.: Werke I, 167.<br />
4 Ebd. 181.