Harald Pamminger: Max Stirner – ein Schüler Hegels?

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OCR-Texterkennung und Copyright by Max Stirner Archiv Leipzig 12.09.2009 schlossen worden sein.“ 1 Deshalb so meint er verdient das Eigentum, wie es von den bürgerlichen Liberalen verstanden wird, die Angriffe der Kommunisten und Proudhons. Das Eigentum der bürgerlichen Liberalen „ist unhaltbar, weil der bürgerliche Eigentümer wahrhaft nichts als ein Eigentumsloser, ein überall Ausgeschlossener ist“. 2 Am Beispiel Proudhons Stirner nimmt dabei dessen Werk „Qu’est-ce que la propriété?“ zur Hand will er uns jedoch zeigen, daß auch dieser Weg nicht zu dem von ihm gewünschten Ziele führt. So schreibt er: „Proudhon will nicht den propriétaire, sondern den posseseur oder usufruitier. Was heißt das? Er will, daß der Boden nicht Einem gehöre; aber der Nutzen desselben und gestände man ihm auch nur den hundertsten Teil dieses Nutzens, dieser Frucht, zu er ist ja doch sein Eigentum, mit welchem er nach Belieben schalten kann. Wer nur den Nutzen seines Ackers hat, ist allerdings nicht der Eigentümer desselben; noch weniger, wer, wie Proudhon will, von diesem Nutzen so viel abgeben muß, als zu seinem Bedarf nicht notwendig erfordert wird; allein er ist der Eigentümer des ihm verbleibenden Anteils. [381] Also negiert Proudhon nur dieses und jenes Eigentum, nicht das Eigentum. Wenn Wir den Grundeigentümern den Grund nicht länger lassen, sondern Uns zueignen wollen, so vereinigen Wir Uns zu diesem Zwecke, bilden einen Verein, eine société, die sich zur Eigentümerin macht; glückt es Uns, so hören jene auf, Grundeigentümer zu sein. Und wie von Grund und Boden, so können Wir sie noch aus manchem andern Eigentum hinausjagen, um es zu unserm Eigentum zu machen, zum Eigentum der Erobernden. Die Erobernden bilden eine Sozietät, die man sich so groß denken kann, daß sie nach und nach die ganze Menschheit umfaßt; aber auch die sogenannte Menschheit ist als solche nur ein Gedanke (Spuk); ihre Wirklichkeit sind die Einzelnen. Und diese Einzelnen werden als eine Gesamtmasse nicht weniger willkürlich mit Grund und Boden umgehen, als ein vereinzelter Einzelner, oder sogenannter propriétaire. Auch so bleibt also das Eigentum bestehen, und zwar auch als ,ausschließlich‘, indem die Menschheit, diese große Sozietät, den Einzelnen von ihrem Eigentum ausschließt (ihm vielleicht nur ein Stück davon verpachtet, zu Lehn gibt), wie sie ohnehin alles, was nicht Menschheit ist, ausschließt“. 3 Daß dies so bleibt bzw. wird, begründet er derart: „Dasjenige, woran Alle Anteil haben wollen, wird demjenigen Einzelnen entzogen werden, der es für sich allein haben will, es wird zu einem Gemeingut gemacht. Als an einem Gemeingut hat Jeder seinen Anteil, und dieser Anteil ist sein Eigentum ... Proudhon konnte sein weitläufiges Pathos sparen, wenn er sagte: Es gibt einige Dinge, die nur Wenigen gehören, und auf die Wir übrigen von nun an Anspruch oder Jagd machen wollen. Laßt es Uns nehmen, weil man durch‘s Nehmen zum Eigentum kommt, und das für jetzt noch uns entzogene Eigentum auch nur durch‘s Nehmen an die Eigentümer gekommen ist. Es wird sich besser nutzen lassen, wenn es in Unser Aller Händen ist, als wenn die Wenigen darüber verfügen. Assoziieren wir Uns daher zu dem Zwecke dieses Raubes (vol). Dafür schwindelt er Uns vor, die [382] Sozietät sei die ursprüngliche Besitzerin und die einzige Eigentümerin von unverjährbarem Rechte; an ihr sei der sogenannte Eigentümer zum Diebe geworden (La propriété c‘est le vol); wenn sie nun dem dermaligen Eigentümer sein Eigentum entziehe, so raube sie ihm nichts, da sie nur ihr unverjährbares Recht geltend mache.“ 4 Somit kommt Stirner zu seinem Schluß: „So weit kommt man mit dem Spuk der Sozietät als einer moralischen Person. Im Gegenteil gehört dem Menschen, was er erlangen kann: Mir 1 EE 275. 2 EE 275. 3 EE 275 f. 4 EE 276 f.

OCR-Texterkennung und Copyright by Max Stirner Archiv Leipzig 12.09.2009 gehört die Welt. Sagt Ihr etwas anderes mit dem entgegengesetzten Satze: ,Allen gehört die Welt‘? Alle sind Ich und wieder Ich usw. Aber Ihr macht aus den ,Allen‘ einen Spuk, und macht ihn heilig, so daß dann die ,Alle‘ zum fürchterlichen Herrn des Einzelnen werden. Auf ihre Seite stellt sich das Gespenst des ,Rechtes‘.“ 1 Da Stirner in Proudhon, wie auch in den Kommunisten, Kämpfer gegen den Egoismus sieht, sind sie für ihn „Fortsetzungen und Konsequenzen des christlichen Prinzips, des Prinzips der Liebe, der Aufopferung für ein Allgemeines, ein Fremdes ... Also: Weil Feinde des Egoismus, darum sind sie Christen, oder allgemeiner: religiöse Menschen, Gespenstergläubige, Abhängige, Diener irgend eines Allgemeinen (Gottes, der Gesellschaft usw.).“ 2 Stirner jedoch behauptet: „Eigentümer ist weder Gott noch der Mensch (die ,menschliche Gesellschaft‘), sondern der Einzelne.“ 3 Mit der Frage nach den Eigentum ist auch die Frage nach dem Diebstahl verbunden. Stirner wähnt Proudhon in dem Glauben, daß dieser vom Eigentum bereits das Schlimmste aussage, wenn er es Diebstahl nennt. Aber: „Ist der Begriff ,Diebstahl‘ überhaupt anders möglich, als wenn man den Begriff [383] ,Eigentum‘ gelten läßt. Wie kann man stehlen. wenn nicht schon Eigentum vorhanden ist? Was Keinem gehört, kann nicht gestohlen werden ... Mithin ist nicht das Eigentum Diebstahl, sondern durch das Eigentum erst wird ein Diebstahl möglich.“ 4 Wie sieht es aber nun weiter mit dem Eigentum aus? „Das Privateigentum lebt von der Gnade des Rechts. Nur im Rechte hat es seine Gewähr Besitz ist ja noch noch nicht Eigentum, er wird erst ,das Meinige‘ durch Zustimmung des Rechts ; es ist keine Tatsache, nicht un fait, wie Proudhon meint, sondern eine Fiktion, ein Gedanke. Das ist das Rechtseigentum, rechtliches Eigentum, garantiertes Eigentum. Nicht durch Mich ist es mein, sondern durch’s Recht.“ 5 Dieser Gedanken kann Stirner jedoch in keinster Weise befriedigen, denn Eigentum ist „der Ausdruck für die unumschränkte Herrschaft über Etwas (Ding, Tier, Mensch), womit ,Ich schalten und walten kann nach Gutdünken‘. ... Eigentum wird durch Gewalt bedingt. Was Ich in der Gewalt habe, das ist mein eigen. Solange Ich Mich als Inhaber behaupte, bin Ich der Eigentümer der Sache; entgeht Mir‘s wieder, gleichviel durch welche Macht, z. B. durch mein Anerkenntnis eines Anrechts Anderer an die Sache ; so ist das Eigentum erloschen. So fällt Eigentum und Besitz in Eins zusammen. Nicht ein außerhalb meiner Gewalt liegendes Recht legitimiert Mich, sonder lediglich meine Gewalt; habe Ich die nicht mehr, so entschwindet mir die Sache ... Wer die Sache zu nehmen und zu behaupten weiß, dem gehört sie, bis sie ihm wieder genommen wird, wie die Freiheit Dem gehört, der sie sich nimmt. Über das Eigentum entscheidet nur die Gewalt, und da der Staat, gleichviel ob Staat der Bürger oder der Lumpe oder der Menschen schlechthin, der allein Gewaltige ist, so ist er allein Eigentümer; Ich, der Einzige, habe nichts, und werde nur belehnt ... Unter der Herrschaft des Staates gibt es kein Eigentum Meiner“. 6 [384] Das Eigentum wie Stirner es versteht ist hier „noch nicht in seinem vollen Werte anerkannt worden“, denn „das Eigentum war nur Eigentum eines Gespenstes, z. B. Volkseigentum; meine ganze Existenz ,gehörte dem Vaterlande‘: Ich gehöre dem Vaterlande, dem 1 EE 277. 2 EE 277 f. 3 EE 278. 4 EE 278. 5 EE 278. 6 EE 279.

OCR-Texterkennung und Copyright by <strong>Max</strong> <strong>Stirner</strong> Archiv Leipzig <strong>–</strong> 12.09.2009<br />

gehört die Welt. Sagt Ihr etwas anderes mit dem entgegengesetzten Satze: ,Allen gehört die<br />

Welt‘? Alle sind Ich und wieder Ich usw. Aber Ihr macht aus den ,Allen‘ <strong>ein</strong>en Spuk, und<br />

macht ihn heilig, so daß dann die ,Alle‘ zum fürchterlichen Herrn des Einzelnen werden. Auf<br />

ihre Seite stellt sich das Gespenst des ,Rechtes‘.“ 1<br />

Da <strong>Stirner</strong> in Proudhon, wie auch in den Kommunisten, Kämpfer gegen den Egoismus sieht,<br />

sind sie für ihn „Fortsetzungen und Konsequenzen des christlichen Prinzips, des Prinzips der<br />

Liebe, der Aufopferung für <strong>ein</strong> Allgem<strong>ein</strong>es, <strong>ein</strong> Fremdes ... Also: Weil F<strong>ein</strong>de des Egoismus,<br />

darum sind sie <strong>–</strong> Christen, oder allgem<strong>ein</strong>er: religiöse Menschen, Gespenstergläubige, Abhängige,<br />

Diener irgend <strong>ein</strong>es Allgem<strong>ein</strong>en (Gottes, der Gesellschaft usw.).“ 2<br />

<strong>Stirner</strong> jedoch behauptet: „Eigentümer ist weder Gott noch der Mensch (die ,menschliche<br />

Gesellschaft‘), sondern der Einzelne.“ 3<br />

Mit der Frage nach den Eigentum ist auch die Frage nach dem Diebstahl verbunden. <strong>Stirner</strong><br />

wähnt Proudhon in dem Glauben, daß dieser vom Eigentum bereits das Schlimmste aussage,<br />

wenn er es Diebstahl nennt. Aber: „Ist der Begriff ,Diebstahl‘ überhaupt anders möglich, als<br />

wenn man den Begriff [383] ,Eigentum‘ gelten läßt. Wie kann man stehlen. wenn nicht schon<br />

Eigentum vorhanden ist? Was K<strong>ein</strong>em gehört, kann nicht gestohlen werden ... Mithin ist<br />

nicht das Eigentum Diebstahl, sondern durch das Eigentum erst wird <strong>ein</strong> Diebstahl<br />

möglich.“ 4<br />

Wie sieht es aber nun weiter mit dem Eigentum aus?<br />

„Das Privateigentum lebt von der Gnade des Rechts. Nur im Rechte hat es s<strong>ein</strong>e Gewähr<br />

<strong>–</strong> Besitz ist ja noch noch nicht Eigentum, er wird erst ,das M<strong>ein</strong>ige‘ durch Zustimmung<br />

des Rechts <strong>–</strong>; es ist k<strong>ein</strong>e Tatsache, nicht un fait, wie Proudhon m<strong>ein</strong>t, sondern <strong>ein</strong>e Fiktion,<br />

<strong>ein</strong> Gedanke. Das ist das Rechtseigentum, rechtliches Eigentum, garantiertes Eigentum. Nicht<br />

durch Mich ist es m<strong>ein</strong>, sondern durch’s <strong>–</strong> Recht.“ 5<br />

Dieser Gedanken kann <strong>Stirner</strong> jedoch in k<strong>ein</strong>ster Weise befriedigen, denn Eigentum ist „der<br />

Ausdruck für die unumschränkte Herrschaft über Etwas (Ding, Tier, Mensch), womit ,Ich<br />

schalten und walten kann nach Gutdünken‘. ... Eigentum wird durch Gewalt bedingt. Was<br />

Ich in der Gewalt habe, das ist m<strong>ein</strong> eigen. Solange Ich Mich als Inhaber behaupte, bin<br />

Ich der Eigentümer der Sache; entgeht Mir‘s wieder, gleichviel durch welche Macht, z.<br />

B. durch m<strong>ein</strong> Anerkenntnis <strong>ein</strong>es Anrechts Anderer an die Sache <strong>–</strong>; so ist das Eigentum erloschen.<br />

So fällt Eigentum und Besitz in Eins zusammen. Nicht <strong>ein</strong> außerhalb m<strong>ein</strong>er<br />

Gewalt liegendes Recht legitimiert Mich, sonder lediglich m<strong>ein</strong>e Gewalt; habe Ich die<br />

nicht mehr, so entschwindet mir die Sache ... Wer die Sache zu nehmen und zu behaupten<br />

weiß, dem gehört sie, bis sie ihm wieder genommen wird, wie die Freiheit Dem gehört,<br />

der sie sich nimmt. <strong>–</strong><br />

Über das Eigentum entscheidet nur die Gewalt, und da der Staat, gleichviel ob Staat der Bürger<br />

oder der Lumpe oder der Menschen schlechthin, der all<strong>ein</strong> Gewaltige ist, so ist er all<strong>ein</strong><br />

Eigentümer; Ich, der Einzige, habe nichts, und werde nur belehnt ... Unter der Herrschaft des<br />

Staates gibt es k<strong>ein</strong> Eigentum M<strong>ein</strong>er“. 6<br />

[384] Das Eigentum <strong>–</strong> wie <strong>Stirner</strong> es versteht <strong>–</strong> ist hier „noch nicht in s<strong>ein</strong>em vollen Werte<br />

anerkannt worden“, denn „das Eigentum war nur Eigentum <strong>ein</strong>es Gespenstes, z. B. Volkseigentum;<br />

m<strong>ein</strong>e ganze Existenz ,gehörte dem Vaterlande‘: Ich gehöre dem Vaterlande, dem<br />

1 EE 277.<br />

2 EE 277 f.<br />

3 EE 278.<br />

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