Harald Pamminger: Max Stirner – ein Schüler Hegels?

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OCR-Texterkennung und Copyright by Max Stirner Archiv Leipzig 12.09.2009 Reichtum an Erscheinungen“ darbietet, „so wird außer der Menschenwelt auch die Sinnenund Ideenwelt in den Kreis der Besprechung zu ziehen und sowohl von dem, was die Menschen an sinnlichen, als dem, was sie an geistigen Gütern ihr eigen nennen, einiges zu sagen sein“. 1 Je nachdem, wie man den Begriff dessen entwickelt, gelangte man zu dem Gebot, „,in Jedem den Menschen zu respektieren‘“. 2 [377] Mit diesem Respekt vor dem Menschen, dem Menschlichen, geht einher, der Respekt vor dem, „was des Menschen ist“. 3 „Es haben die Menschen Eigenes, und Ich soll dies Eigene anerkennen und heilig halten. Ihr Eigenes besteht teils in äußerlicher, teils in innerlicher Habe. Jenes sind Dinge, dieses Geistigkeiten, Gedanken, Überzeugungen, edle Gefühle usw. Aber immer nur die rechtliche oder menschliche Habe soll Ich respektieren; die unrechtliche und unmenschliche brauche Ich nicht zu schonen, denn der Menschen wirklich Eigenes ist nur das Eigene des Menschen. Innerliche Habe dieser Art ist z. B. die Religion; weil die Religion frei, d. h. des Menschen ist, darum darf Ich sie nicht antasten. Ebenso ist eine innerliche Habe die Ehre; sie ist frei und darf von Mir nicht angetastet werden ... Religion und Ehre sind ,geistiges Eigentum‘. Im dinglichen Eigentum steht obenan die Person: meine Person ist mein erstes Eigentum. Daher Freiheit der Person; aber nur die rechtliche oder menschliche Person ist frei, die andere wird eingesperrt. Dein Leben ist Dein Eigentum; es ist aber den Menschen nur heilig, wenn es nicht das eines Unmenschen ist. Was der Mensch als solcher an körperlichen Gütern nicht behaupten kann, dürfen Wir ihm nehmen: dies der Sinn der Konkurrenz, der Gewerbefreiheit. Was er an geistigen Gütern nicht behaupten kann, verfällt Uns gleichfalls: so weit geht die Freiheit der Diskussion, der Wissenschaft, der Kritik.“ 4 Unantastbar sind jedoch die „geheiligten Güter“. Das sind jene, die zunächst „durch den Staat, die Gesellschaft, eigentlich aber durch den Menschen oder den ,Begriff‘, den ,Begriff der Sache‘“ geheiligt oder garantiert werden; „... der Begriff der geheiligten Güter ist der, daß sie wahrhaft menschliche seien, oder vielmehr, daß sie der Inhaber als Mensch und nicht als Unmensch besitze“. 5 [378] Stirner bemängelt am kritischen Liberalismus, daß er über die Heiligkeit der Güter „noch keinen Ausspruch getan“ habe, und er wähnt ihn „auch wohl, aller Heiligkeit abhold zu sein; allein da er gegen den Egoismus ankämpft, so muß er diesem Schranken setzen und darf den Unmenschen nicht über das Menschliche herfallen lassen. Seiner theoretischen Verachtung der ,Massen‘ müßte, wenn er die Gewalt gewönne, eine praktische Zurückweisung entsprechen“. 6 Im Liberalismus unterscheiden sich die verschiedenen Stufen, was die „Ausdehnung“ des „Begriff ,Mensch‘“ betrifft, und somit auch das, was dem einzelnen Menschen zukommt, und so nehmen „der politische, der soziale, der humane Mensch ..., der eine immer mehr als der andere, für ,den Menschen‘ in Anspruch. Wer diesen Begriff am besten gefaßt hat, der weiß am besten, was ,des Menschen‘ ist. Der Staat faßt diesen Begriff noch in politischer, die Gesellschaft in sozialer Beschränktheit, die Menschheit erst, so heißt es, erfaßt ihn ganz oder ,die Geschichte der Menschheit entwickelt ihn‘. Ist aber ,der Mensch gefunden‘, dann kennen 1 EE 271. 2 EE 271. 3 EE 272. 4 EE 272. 5 EE 272. 6 EE 273.

OCR-Texterkennung und Copyright by Max Stirner Archiv Leipzig 12.09.2009 Wir auch das dem Menschen Eigene, das Eigentum des Menschen, das Menschliche“. 1 Damit befinden wir uns mitten in der „Eigentumsfrage“, die sich für Stirners auf sich bezogenen Einzelnen natürlich in anderer Weise stellt. „Mag aber der einzelne Mensch darum, weil ihn der Mensch oder der Begriff Mensch, d. h. weil ihn sein Menschsein dazu ,berechtigt‘, auf noch so viel Rechte Anspruch machen: was kümmert Mich sein Recht und sein Anspruch? Hat er sein Recht nur von dem Menschen und hat er‘s nicht von Mir, so hat er für Mich kein Recht. Sein Leben z. B. gilt Mir nur, was Mir’s wert ist. Ich respektiere weder sein sogenanntes Eigentumsrecht oder sein Recht auf dingliche Güter, noch auch sein Recht auf das ,Heiligtum seines Innern‘ oder [379] sein Recht darauf, daß die geistigen Güter und Göttlichkeiten, seine Götter, ungekränkt bleiben. Seine Güter, die sinnlichen wie die geistigen, sind mein und Ich schalte damit als Eigentümer nach dem Maß meiner Gewalt. Die Eigentumsfrage birgt einen weiteren Sinn in sich, als die beschränkte Fragstellung herauszubringen erlaubt. Auf das, was man unsere Habe nennt, allein bezogen, ist sie keiner Lösung fähig; die Entscheidung findet sich erst bei dem, ,von welchem Wir Alles haben‘. Vom Eigner hängt das Eigentum ab.“ 2 Wie aber sieht dieses Verhältnis nun aus? „Die Welt gehört ,dem Menschen‘, und soll von Mir als sein Eigentum respektiert werden. Eigentum ist das Meinige! Eigentum im bürgerlichen Sinne bedeutet heiliges Eigentum, der Art, daß Ich dein Eigentum respektieren muß. ... Anders verhält sich die Sache im egoistischen Sinne. Von deinem und euren Eigentum trete Ich nicht scheu zurück, sondern sehe es stets als mein Eigentum an, woran Ich nichts zu ,respektieren‘ brauche. Tuet doch desgleichen mit dem, was Ihr mein Eigentum nennt! Bei dieser Ansicht werden Wir Uns am leichtesten miteinander verständigen.“ 3 Mit diesem Schritt setzt er sich bereits über die „Heiligkeit des Eigentums“ hinweg und er beginnt nun anhand der von ihm dargestellten Liberalismen die Eigentumsfrage aufzurollen, um sie auf den Punkt seinen Standpunkt zu bringen. So trugen seiner Ansicht nach die politischen Liberalen dafür Sorge, „daß womöglich alle Servituten abgelöst werden“, und „Jeder freier Herr auf seinem Grunde sei“, sei dieser auch noch so klein, wichtig dabei ist nur, wenn „man ... Eigenes, nämlich ein respektiertes Eigentum hat“. 4 [380] Stirners Ansicht nach hat der Staat „desto mehr ,freie Leute und gute Patrioten‘“ 5 , je mehr solcher Eigner er hat. Da die politischen Liberalen, wie alle Religiösen, „auf den Respekt, die Humanität, die Liebestugenden“ rechnen, befinden sie sich „in unaufhörlichem Ärger“, da in der Praxis die Leute nichts respektieren und so „die kleinen Besitzungen wieder von größeren Eigentümern aufgekauft werden, und aus den ,freien Leuten‘ ... Taglöhner“ werden. 6 „Hätten dagegen die ,kleinen Eigentümer‘ bedacht, daß auch das große Eigentum das ihrige sei, so hätten sie sich nicht selber respektvoll davon ausgeschlossen, und würden nicht ausge- 1 EE 273. 2 EE 273 f. 3 EE 274. „Eigentum ist das Meinige!“ im Original nicht hervorgehoben. 4 EE 275. 5 EE 275. 6 EE 275.

OCR-Texterkennung und Copyright by <strong>Max</strong> <strong>Stirner</strong> Archiv Leipzig <strong>–</strong> 12.09.2009<br />

Reichtum an Ersch<strong>ein</strong>ungen“ darbietet, „so wird außer der Menschenwelt auch die Sinnenund<br />

Ideenwelt in den Kreis der Besprechung zu ziehen und sowohl von dem, was die Menschen<br />

an sinnlichen, als dem, was sie an geistigen Gütern ihr eigen nennen, <strong>ein</strong>iges zu sagen<br />

s<strong>ein</strong>“. 1<br />

Je nachdem, wie man den Begriff dessen entwickelt, gelangte man zu dem Gebot, „,in Jedem<br />

den Menschen zu respektieren‘“. 2<br />

[377] Mit diesem Respekt vor dem Menschen, dem Menschlichen, geht <strong>ein</strong>her, der Respekt<br />

vor dem, „was des Menschen ist“. 3<br />

„Es haben die Menschen Eigenes, und Ich soll dies Eigene anerkennen und heilig halten. Ihr<br />

Eigenes besteht teils in äußerlicher, teils in innerlicher Habe. Jenes sind Dinge, dieses Geistigkeiten,<br />

Gedanken, Überzeugungen, edle Gefühle usw. Aber immer nur die rechtliche oder<br />

menschliche Habe soll Ich respektieren; die unrechtliche und unmenschliche brauche Ich<br />

nicht zu schonen, denn der Menschen wirklich Eigenes ist nur das Eigene des Menschen. Innerliche<br />

Habe dieser Art ist z. B. die Religion; weil die Religion frei, d. h. des Menschen ist,<br />

darum darf Ich sie nicht antasten. Ebenso ist <strong>ein</strong>e innerliche Habe die Ehre; sie ist frei und<br />

darf von Mir nicht angetastet werden ... Religion und Ehre sind ,geistiges Eigentum‘. Im<br />

dinglichen Eigentum steht obenan die Person: m<strong>ein</strong>e Person ist m<strong>ein</strong> erstes Eigentum.<br />

Daher Freiheit der Person; aber nur die rechtliche oder menschliche Person ist frei, die<br />

andere wird <strong>ein</strong>gesperrt. D<strong>ein</strong> Leben ist D<strong>ein</strong> Eigentum; es ist aber den Menschen nur<br />

heilig, wenn es nicht das <strong>ein</strong>es Unmenschen ist.<br />

Was der Mensch als solcher an körperlichen Gütern nicht behaupten kann, dürfen Wir ihm<br />

nehmen: dies der Sinn der Konkurrenz, der Gewerbefreiheit. Was er an geistigen Gütern nicht<br />

behaupten kann, verfällt Uns gleichfalls: so weit geht die Freiheit der Diskussion, der Wissenschaft,<br />

der Kritik.“ 4<br />

Unantastbar sind jedoch die „geheiligten Güter“. Das sind jene, die zunächst „durch den<br />

Staat, die Gesellschaft, eigentlich aber durch den Menschen oder den ,Begriff‘, den ,Begriff<br />

der Sache‘“ geheiligt oder garantiert werden; „... der Begriff der geheiligten Güter ist der, daß<br />

sie wahrhaft menschliche seien, oder vielmehr, daß sie der Inhaber als Mensch und nicht als<br />

Unmensch besitze“. 5<br />

[378] <strong>Stirner</strong> bemängelt am kritischen Liberalismus, daß er über die Heiligkeit der Güter<br />

„noch k<strong>ein</strong>en Ausspruch getan“ habe, und er wähnt ihn „auch wohl, aller Heiligkeit abhold zu<br />

s<strong>ein</strong>; all<strong>ein</strong> da er gegen den Egoismus ankämpft, so muß er diesem Schranken setzen und darf<br />

den Unmenschen nicht über das Menschliche herfallen lassen. S<strong>ein</strong>er theoretischen Verachtung<br />

der ,Massen‘ müßte, wenn er die Gewalt gewönne, <strong>ein</strong>e praktische Zurückweisung entsprechen“.<br />

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Im Liberalismus unterscheiden sich die verschiedenen Stufen, was die „Ausdehnung“ des<br />

„Begriff ,Mensch‘“ betrifft, und somit auch das, was dem <strong>ein</strong>zelnen Menschen zukommt, und<br />

so nehmen „der politische, der soziale, der humane Mensch ..., der <strong>ein</strong>e immer mehr als der<br />

andere, für ,den Menschen‘ in Anspruch. Wer diesen Begriff am besten gefaßt hat, der weiß<br />

am besten, was ,des Menschen‘ ist. Der Staat faßt diesen Begriff noch in politischer, die Gesellschaft<br />

in sozialer Beschränktheit, die Menschheit erst, so heißt es, erfaßt ihn ganz oder<br />

,die Geschichte der Menschheit entwickelt ihn‘. Ist aber ,der Mensch gefunden‘, dann kennen<br />

1 EE 271.<br />

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