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Harald Pamminger: Max Stirner – ein Schüler Hegels?

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OCR-Texterkennung und Copyright by <strong>Max</strong> <strong>Stirner</strong> Archiv Leipzig <strong>–</strong> 12.09.2009<br />

Sinne Glieder <strong>ein</strong>er Familie, wenn sie das Bestehen der Familie zu ihrer Aufgabe machen; ...<br />

Eines muß jedem Familienmitgliede fest und heilig s<strong>ein</strong>, nämlich die Familie selbst, ... die<br />

Pietät.<br />

Daß die Familie bestehen soll, das bleibt dem Gliede derselben, solange es sich vom familienf<strong>ein</strong>dlichen<br />

Egoismus frei erhält, <strong>ein</strong>e unantastbare Wahrheit. Mit Einem Worte <strong>–</strong>: Ist die<br />

Familie heilig, so darf sich K<strong>ein</strong>er, der zu ihr gehört, lossagen, widrigenfalls er an der Familie<br />

zum ,Verbrecher‘ wird; er darf niemals <strong>ein</strong> familienf<strong>ein</strong>dliches Interesse verfolgen ... Wer das<br />

tut, der hat ,die Familie entehrt‘, hat ihr ,Schande gemacht‘ usw.“. 1<br />

Es kommt allerdings vor, daß in <strong>ein</strong>em Familienmitglied, in <strong>ein</strong>em Einzelnen zwei Kräfte<br />

wirksam werden können.<br />

Zum <strong>ein</strong>en kann es vorkommen, daß diese Kraft, der egoistische Trieb, zu schwach ist und so<br />

wird dieser Einzelne den [362] Ansprüchen der Familie genügen und mit ihr harmonieren.<br />

Zum anderen besteht die Möglichkeit, daß der egoistische Trieb stärker ausgeprägt ist und<br />

sich so der Einzelne den Wünschen der Familie widersetzt und sich ihren Gesetzen entzieht.<br />

Aber <strong>–</strong> so fragt <strong>Stirner</strong> <strong>–</strong> was „von beiden liegt Mir näher am Herzen, das Familienwohl oder<br />

m<strong>ein</strong> Wohl? In unzähligen Fällen werden beide friedlich mit<strong>ein</strong>ander gehen und der Nutzen,<br />

welcher der Familie zu Teil wird, zugleich der m<strong>ein</strong>ige s<strong>ein</strong> und umgekehrt. Da läßt sich‘s<br />

schwer entscheiden, ob Ich eigennützig oder gem<strong>ein</strong>nützig denke, und Ich schmeichle Mir<br />

vielleicht wohlgefällig mit m<strong>ein</strong>er Uneigennützigkeit. Aber es kommt der Tag, wo <strong>ein</strong> Entweder<br />

<strong>–</strong> Oder Mich zittern macht, wo Ich m<strong>ein</strong>en Stammbaum zu entehren ... im Begriff stehe“.<br />

2<br />

Diesen Moment, in dem der Egoismus über der Pietät steht, sich die Eigennützigkeit nicht<br />

mehr hinter der Uneigennützigkeit versteckt hält, bezeichnet <strong>Stirner</strong> mit dem Terminus „Leidenschaft“<br />

„Die unbändige Leidenschaft läßt sich endlich nicht mehr zähmen und untergräbt das Gebäude<br />

der Pietät. Freilich werdet Ihr sagen, die Familie werfe aus Eigensinn jene Eigenwilligen<br />

... aus ihrem Schoße; ... All<strong>ein</strong> es ist eben <strong>ein</strong>e Ausflucht, um die Schuld von sich abzuwälzen<br />

... Sie [die Pietätlosen] werden nicht ausgestoßen, sondern stoßen sich aus, indem<br />

sie ihre Leidenschaft, ihren Eigenwillen höher achten als den Familienverband.“ 3<br />

Eingedenk <strong>ein</strong>es von ihm gemachten Vergleiches zwischen Familie und Kirchenverband <strong>–</strong><br />

beiden ist die Einhaltung ihrer „heiligen Gesetze“ gem<strong>ein</strong> <strong>–</strong> setzt er s<strong>ein</strong>e Ausführungen wie<br />

folgt fort: „Dort hat der Egoismus gesiegt, hier siegt die Pietät, und das egoistische Herz blutet;<br />

dort war der Egoismus stark, hier war er <strong>–</strong> schwach. Die Schwachen aber, das wissen Wir<br />

längst, das sind die <strong>–</strong> Uneigennützigen. Für sie ... sorgt die Familie, weil sie der Familie angehören,<br />

..., nicht sich angehören und für sich sorgen. [363] Diese Schwachheit lobt z. B. Hegel,<br />

wenn er der Wahl der Eltern die Heiratspartie der Kinder anheimgestellt wissen will.“ 4<br />

Der Familie als heiliger Gem<strong>ein</strong>schaft, welcher der Einzelne Gehorsam schuldet, kommt im<br />

„Familiengericht“, im „Familienrat“ auch richterliche Funktion zu.<br />

Dieses Familiengericht und die von ihn verhängte „Strafe“ gerät jedoch des öfteren in Kollision<br />

mit dem Staate, welcher diese Strafe als „Rache“ abtut. Er „verhindert die Strafe, dies<br />

heilige Familiengericht, weil vor s<strong>ein</strong>er, des Staates, ,Heiligkeit‘ die untergeordnete Heiligkeit<br />

der Familie jedesmal erbleicht und entheiligt wird, sobald sie mit dieser höhern Heiligkeit<br />

in Konflikt gerät. Ohne den Konflikt läßt der Staat die kl<strong>ein</strong>ere Heiligkeit der Familie<br />

gelten; im entgegengesetzten Falle aber gebietet er sogar das Verbrechen gegen die Familie,<br />

1 EE 241 f.<br />

2 EE 242.<br />

3 EE 243.<br />

4 EE 244.

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