Harald Pamminger: Max Stirner – ein Schüler Hegels?
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OCR-Texterkennung und Copyright by <strong>Max</strong> <strong>Stirner</strong> Archiv Leipzig <strong>–</strong> 12.09.2009<br />
Bestimmend für den „Charakter <strong>ein</strong>er Gesellschaft“ ist der „Charakter ihrer Mitglieder: sie<br />
sind die Schöpfer derselben“, und das diese immer „fern davon [waren], Sich zur vollen Entwicklung<br />
und Geltung kommen zu lassen, haben die Menschen bisher auch ihre Gesellschaft<br />
nicht auf Sich gründen, oder vielmehr, sie haben nur ,Gesellschaften‘ gründen und in Gesellschaften<br />
leben können“. 1<br />
[358] Für <strong>Stirner</strong> waren Gesellschaften immer „mächtige Personen, sogenannte ,moralische<br />
Personen‘“, vor welchen der Einzelne Furcht hatte.<br />
Solche mächtige Personen <strong>–</strong> oder Gespenster, wie er sie auch benennt <strong>–</strong> besetzt er mit dem<br />
Namen „Volk“ oder „Völkchen“, im Extremfall könnte man auch „Menschheit“ oder „Familie“<br />
dazu sagen.<br />
„Also das Volk, <strong>–</strong> die Menschheit oder die Familie <strong>–</strong>, haben seither, wie es sch<strong>ein</strong>t, Geschichte<br />
gespielt: k<strong>ein</strong> egoistisches Interesse sollte in diesen Gesellschaften aufkommen, sondern<br />
lediglich allgem<strong>ein</strong>e, nationale oder Volksinteressen, Standesinteressen, Familieninteressen<br />
oder ,allgem<strong>ein</strong>e menschliche Interessen‘. Wer aber hat die Völker, deren Untergang<br />
die Geschichte erzählt, zu Fall gebracht? Wer anders als der Egoist, der s<strong>ein</strong>e Befriedigung<br />
suchte! Schlich sich <strong>ein</strong>mal <strong>ein</strong> egoistisches Interesse <strong>ein</strong>, so war die Gesellschaft ,verdorben‘<br />
und ging ihrer Auflösung entgegen ...“ 2<br />
Es stellt sich für ihn die Frage, ob er in den beiden vom „Christenvolk“ hervorgebrachten<br />
Gesellschaften <strong>–</strong> es sind dies: Staat und Kirche <strong>–</strong> „Ich selbst s<strong>ein</strong>“ darf, ob „Ich denken<br />
und handeln [darf] wie Ich will“, „Ich mich offenbaren, ausleben, betätigen“ darf, oder<br />
ob „Ich nicht die Majestät des Staates, die Heiligkeit der Kirche unangetastet lassen“<br />
muß. 3<br />
Diese Fragen laufen darauf hinaus, ob „Ich in irgend<strong>ein</strong>er Gesellschaft <strong>ein</strong>e so unangemessene<br />
Freiheit des Dürfens finden“ 4 werde oder nicht.<br />
Die Antwort folgt auf den Fuß und lautet <strong>–</strong> wie nicht anders zu erwarten <strong>–</strong> wohl, „Ich darf<br />
nicht wie Ich will“. 5<br />
Dies begründet er damit, daß es „<strong>ein</strong> Anderes [ist], ob Ich an <strong>ein</strong>em Ich abpralle, oder an <strong>ein</strong>em<br />
Volke, <strong>ein</strong>em Allgem<strong>ein</strong>en. Dort bin Ich der ebenbürtige Gegner m<strong>ein</strong>es Gegners, [359]<br />
hier <strong>ein</strong> verachteter, gebundener, bevormundeter; dort steh’ Ich Mann gegen Mann ...; dort<br />
kämpfe Ich gegen <strong>ein</strong>en leibhaftigen F<strong>ein</strong>d, hier gegen die Menschheit, gegen <strong>ein</strong> Allgem<strong>ein</strong>es,<br />
gegen <strong>ein</strong>e ,Majestät‘, gegen <strong>ein</strong>en Spuk. Mir aber ist k<strong>ein</strong>e Majestät, nichts Heiliges<br />
<strong>ein</strong>e Schranke, nichts, was Ich zu bewältigen weiß. Nur was Ich nicht bewältigen kann, das<br />
beschränkt noch m<strong>ein</strong>e Gewalt, und Ich von beschränkter Gewalt bin zeitweilig <strong>ein</strong> beschränktes<br />
Ich, nicht beschränkt durch die Gewalt außer Mir, sondern beschränkt durch die<br />
noch mangelnde eigene Gewalt, durch die eigene Ohnmacht“. 6<br />
Es sind mit der Zeit wohl viele Schranken, Privilegien abgebaut und vernichtet worden, aber<br />
nicht zur „Stärkung M<strong>ein</strong>er“, sondern lediglich um des Gem<strong>ein</strong>wohls, „um des Staates und<br />
Staatswohls willen“ und somit wurde die „Unterordnung“ beibehalten. 7<br />
<strong>Stirner</strong> kümmert sich jedoch nicht um das Gem<strong>ein</strong>wohl.<br />
„Das Gem<strong>ein</strong>wohl als solches ist nicht m<strong>ein</strong> Wohl, sondern nur die äußerste Spitze der<br />
Selbstverleugnung.“ 8<br />
1 EE 231.<br />
2 EE 232.<br />
3 EE 233.<br />
4 EE 233.<br />
5 EE 233.<br />
6 EE 233.<br />
7 EE 234.<br />
8 EE 234.