Harald Pamminger: Max Stirner – ein Schüler Hegels?
Harald Pamminger: Max Stirner – ein Schüler Hegels? Harald Pamminger: Max Stirner – ein Schüler Hegels?
OCR-Texterkennung und Copyright by Max Stirner Archiv Leipzig – 12.09.2009 gangen hat, nach dem zu streben, was des Volkes ist, statt nach dem Seinen zu suchen. Er hat das verächtliche, fremde Gut gesucht, hat getan, was die Gläubigen tun: die nach dem trachten, was Gottes ist. ... Nur gegen ein Heiliges gibt es Verbrecher; Du gegen Mich kannst nie ein Verbrecher sein, sondern nur ein Gegner ...“ 1 [354] Daraus ergibt sich seine Folgerung, daß nur aus „fixen Ideen ... die Verbrechen [entstehen]. ... Die Gesellschaft will zwar haben, daß Jeder zu seinem Rechte komme, aber doch nur zu dem von der Gesellschaft sanktionierten ... nicht wirklich zu seinem Rechte. Ich aber gebe oder nehme Mir das Recht aus eigener Machtvollkommenheit ... Eigner und Schöpfer meines Rechts – erkenne ich keine andere Rechtsquelle als – Mich, weder Gott, noch den Staat, noch die Natur, noch auch den Menschen selbst mit seinen ,ewigen Menschenrechten‘, weder göttliche noch menschliches Recht. Recht ,an und für sich‘. Also ohne Beziehung auf Mich! ,Absolutes Recht’. Also getrennt von Mir! Ein an und für sich Seiendes! Ein Absolutes! Ein ewiges Recht, wie eine ewige Wahrheit!“ 2 Das Recht, welches nach liberaler Vorstellung „für Mich verbindlich“ sein soll, „weil es durch die menschliche Vernunft so eingesetzt ist“, dieser Gedanke des Rechts „ist ursprünglich mein Gedanke oder er hat seinen Ursprung in Mir. Ist er aber aus Mir entsprungen, ist das ,Wort‘ heraus, so ist es ,Fleisch‘ geworden, eine fixe Idee“. 3 Da das Recht nun einmal meines Ursprungs ist, so liegt es nahe, daß Stirner meint: „Laß das Recht einmal nicht mehr frei umherlaufen, zieh‘ es in seinen Ursprung, in Dich, zurück, so ist es dein Recht, und recht ist, was Dir recht ist.“ 4 Stirner geht noch auf zwei weitere Begriffe ein, um die sich seiner Ansicht nach „ein hartnäckiger Kampf“ 5 dreht: Bevorrechtet und Gleichberechtigt. Diese beiden Begriffe sind ihn gleichbedeutend mit: Ausgeschlossen und zugelassen. [355] Daß die „,Gleichheit des Rechts‘“ ein „Phantom“ ist, begründet er damit, „weil Recht nichts mehr und nichts minder als Zulassung, d. h. eine Gnadensache ist, die man sich übrigens auch durch sein Verdienst erwerben kann; denn Verdienst und Gnade widersprechen einander nicht, da durch die Gnade ,verdient‘ sein will und unser gnädiges Lächeln nur Dem zufällt, der es Uns abzuzwingen weiß. So träumt man davon, daß ,alle Staatsbürger gleichberechtigt nebeneinander stehen sollen‘. Als Staatsbürger sind sie dem Staate gewiß alle gleich; schon nach seinen besonderen Zwekken aber wird er sie teilen und bevorzugen oder hintansetzen, mehr jedoch muß er sie noch als gute und schlechte Staatsbürger voneinander unterscheiden“. 6 Darüber setzt sich Stirner hinweg, denn etwas „hat nun aber Jeder vor dem Andern voraus, nämlich sich selbst oder seine Einzigkeit: darin bleibt Jedermann ausschließlich oder exklusiv“ 7 und darum hast „Du ... als Einziger nichts Gemeinsames mehr mit dem Andern und darum auch nichts Trennendes oder Feindliches; Du suchst nicht gegen ihn vor einem Dritten Recht und stehst mit ihm weder auf dem ,Rechtsboden‘, noch sonst auf einem gemeinschaftlichen Boden. Der Gegensatz verschwindet in der vollkommenen –Geschiedenheit oder Einzigkeit. Dies könnte zwar für das neue Gemeinsame oder eine neue Gleichheit angesehen werden, allein die Gleichheit besteht hier eben in der Ungleichheit und ist selbst nichts als 1 EE 221 ff. 2 EE 225. 3 EE 225 f. 4 EE 226. 5 EE 226. 6 EE 226 f. 7 EE 227.
OCR-Texterkennung und Copyright by Max Stirner Archiv Leipzig – 12.09.2009 Ungleichheit: eine gleiche Ungleichheit, und zwar nur für denjenigen, der eine ,Vergleichung‘ anstellt“. 1 Was nun das Vorrecht betrifft – dabei bezieht er sich auf den Liberalismus, „der gegen das ,Vorrecht‘ pocht, weil er sich auf das ,Recht‘ beruft“ – so vertritt er die Ansicht, daß die Liberalen nicht weiter „als zum Pochen“ kamen, „denn die Vorrechte fallen nicht eher, als das Recht fällt, da sie nur Arten des Rechtes sind. Das Recht zerfällt in [356] sein Nichts, wenn es von der Gewalt verschlungen wird, d. h. wenn man begreift, was es heißt: Gewalt geht vor Recht. Alles Recht erklärt sich dann als Vorrecht, und das Vorrecht selbst als Macht, als – Übermacht“. 2 Stirners zusammenfassende Erklärungen sollen auch hier den Abschluß für diesen Abschnitt bilden: „Zum Schlusse muß Ich noch die halbe Ausdrucksweise zurücknehmen, von der Ich nur so lange Gebrauch machen wollte, als Ich noch in den Eingeweiden des Rechtes wühlte, und das Wort wenigstens bestehen ließ. Es verliert aber in der Tat mit dem Begriffe auch das Wort seinen Sinn. Was Ich ,mein Recht‘ nannte, das ist gar nicht mehr ,Recht‘, weil Recht nur von einem Geiste erteilt werden kann, sei es der Geist der Natur oder der Gattung, der Menschheit, der Geist Gottes oder der Sr. Heiligkeit oder Sr. Durchlaucht usw. Was Ich ohne einen berechtigenden Geist habe, das habe Ich ohne Recht, habe es einzig und allein durch meine Macht. Ich fordere kein Recht, darum brauche Ich auch keins anzuerkennen. Was ich Mir zu erzwingen vermag, erzwinge Ich Mir, und was Ich nicht erzwinge, darauf habe Ich kein Recht, noch brüste oder tröste ich Mich mit meinem unverjährbaren Rechte. Mit dem absoluten Rechte vergeht das Recht selbst, wird die Herrschaft des ,Rechtsbegriffes‘ zugleich getilgt, denn es ist nicht zu vergessen, daß seither Begriffe, Ideen oder Prinzipien Uns beherrschten, und daß unter diesen Herrschern der Rechtsbegriff oder der Begriff der Gerechtigkeit eine der bedeutendsten Rollen spielte. Berechtigt oder unberechtigt – darauf kommt Mir‘s nicht an; bin Ich nur mächtig, so bin Ich schon von selbst ermächtigt und bedarf keiner anderen Ermächtigung oder Berechtigung. Recht – ist ein Sparren, erteilt von einem Spuk; Macht – das bin Ich selbst, Ich bin der Mächtige und Eigner der Macht. Recht ist über Mir, ist absolut, und existiert in einem Höheren, als dessen Gnade Mir‘s zufließt: Recht ist [357] eine Gnadengabe der Richters; Macht und Gewalt existiert nur in Mir, dem Mächtigen und Gewaltigen.“ 3 5. 2. 2. Mein Verkehr Stirner widmet diesem Kapitel den größten Raum in seinem Werke. Darin setzt er sich mit der Gesellschaft auseinander, in welcher er seine egoistischen Forderungen durchzusetzen gedenkt und mit jenen fremden Mächten, welche der Erreichung seiner Ziele noch im Wege stehen und bei diesem Unternehmen noch hinderlich sind. So bemerkt er eingangs: „In der Gesellschaft, der Sozietät, kann höchstens die menschliche Forderung befriedigt werden, indes die egoistische stets zu kurz kommen muß.“ 4 Da zu seiner Zeit der sozialen Frage besondere Bedeutung beigemessen wurde, „so hat man auf die Gesellschaft besonderes Augenmerk zu richten“ und hinsichtlich der gesellschaftlichen Veränderungen habe man zu erkennen, „daß eine Gesellschaft nicht neu werden kann, solange diejenigen, welche sie ausmachen und konstituieren, die alten bleiben“. 5 1 EE 229. 2 EE 229 f. 3 EE 230 f. 4 EE 231. 5 EE 231.
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Ungleichheit: <strong>ein</strong>e gleiche Ungleichheit, und zwar nur für denjenigen, der <strong>ein</strong>e ,Vergleichung‘<br />
anstellt“. 1<br />
Was nun das Vorrecht betrifft <strong>–</strong> dabei bezieht er sich auf den Liberalismus, „der gegen das<br />
,Vorrecht‘ pocht, weil er sich auf das ,Recht‘ beruft“ <strong>–</strong> so vertritt er die Ansicht, daß die Liberalen<br />
nicht weiter „als zum Pochen“ kamen, „denn die Vorrechte fallen nicht eher, als das<br />
Recht fällt, da sie nur Arten des Rechtes sind. Das Recht zerfällt in [356] s<strong>ein</strong> Nichts, wenn<br />
es von der Gewalt verschlungen wird, d. h. wenn man begreift, was es heißt: Gewalt geht vor<br />
Recht. Alles Recht erklärt sich dann als Vorrecht, und das Vorrecht selbst als Macht, als <strong>–</strong><br />
Übermacht“. 2<br />
<strong>Stirner</strong>s zusammenfassende Erklärungen sollen auch hier den Abschluß für diesen Abschnitt<br />
bilden:<br />
„Zum Schlusse muß Ich noch die halbe Ausdrucksweise zurücknehmen, von der Ich nur so<br />
lange Gebrauch machen wollte, als Ich noch in den Eingeweiden des Rechtes wühlte, und das<br />
Wort wenigstens bestehen ließ. Es verliert aber in der Tat mit dem Begriffe auch das Wort<br />
s<strong>ein</strong>en Sinn. Was Ich ,m<strong>ein</strong> Recht‘ nannte, das ist gar nicht mehr ,Recht‘, weil Recht nur von<br />
<strong>ein</strong>em Geiste erteilt werden kann, sei es der Geist der Natur oder der Gattung, der Menschheit,<br />
der Geist Gottes oder der Sr. Heiligkeit oder Sr. Durchlaucht usw. Was Ich ohne <strong>ein</strong>en<br />
berechtigenden Geist habe, das habe Ich ohne Recht, habe es <strong>ein</strong>zig und all<strong>ein</strong> durch m<strong>ein</strong>e<br />
Macht.<br />
Ich fordere k<strong>ein</strong> Recht, darum brauche Ich auch k<strong>ein</strong>s anzuerkennen. Was ich Mir zu<br />
erzwingen vermag, erzwinge Ich Mir, und was Ich nicht erzwinge, darauf habe Ich k<strong>ein</strong><br />
Recht, noch brüste oder tröste ich Mich mit m<strong>ein</strong>em unverjährbaren Rechte.<br />
Mit dem absoluten Rechte vergeht das Recht selbst, wird die Herrschaft des<br />
,Rechtsbegriffes‘ zugleich getilgt, denn es ist nicht zu vergessen, daß seither Begriffe, Ideen<br />
oder Prinzipien Uns beherrschten, und daß unter diesen Herrschern der Rechtsbegriff oder der<br />
Begriff der Gerechtigkeit <strong>ein</strong>e der bedeutendsten Rollen spielte.<br />
Berechtigt oder unberechtigt <strong>–</strong> darauf kommt Mir‘s nicht an; bin Ich nur mächtig, so bin Ich<br />
schon von selbst ermächtigt und bedarf k<strong>ein</strong>er anderen Ermächtigung oder Berechtigung.<br />
Recht <strong>–</strong> ist <strong>ein</strong> Sparren, erteilt von <strong>ein</strong>em Spuk; Macht <strong>–</strong> das bin Ich selbst, Ich bin der<br />
Mächtige und Eigner der Macht. Recht ist über Mir, ist absolut, und existiert in <strong>ein</strong>em<br />
Höheren, als dessen Gnade Mir‘s zufließt: Recht ist [357] <strong>ein</strong>e Gnadengabe der Richters;<br />
Macht und Gewalt existiert nur in Mir, dem Mächtigen und Gewaltigen.“ 3<br />
5. 2. 2. M<strong>ein</strong> Verkehr<br />
<strong>Stirner</strong> widmet diesem Kapitel den größten Raum in s<strong>ein</strong>em Werke. Darin setzt er sich mit<br />
der Gesellschaft aus<strong>ein</strong>ander, in welcher er s<strong>ein</strong>e egoistischen Forderungen durchzusetzen<br />
gedenkt und mit jenen fremden Mächten, welche der Erreichung s<strong>ein</strong>er Ziele noch im Wege<br />
stehen und bei diesem Unternehmen noch hinderlich sind.<br />
So bemerkt er <strong>ein</strong>gangs: „In der Gesellschaft, der Sozietät, kann höchstens die menschliche<br />
Forderung befriedigt werden, indes die egoistische stets zu kurz kommen muß.“ 4<br />
Da zu s<strong>ein</strong>er Zeit der sozialen Frage besondere Bedeutung beigemessen wurde, „so hat man<br />
auf die Gesellschaft besonderes Augenmerk zu richten“ und hinsichtlich der gesellschaftlichen<br />
Veränderungen habe man zu erkennen, „daß <strong>ein</strong>e Gesellschaft nicht neu werden<br />
kann, solange diejenigen, welche sie ausmachen und konstituieren, die alten bleiben“. 5<br />
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