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Harald Pamminger: Max Stirner – ein Schüler Hegels?

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OCR-Texterkennung und Copyright by <strong>Max</strong> <strong>Stirner</strong> Archiv Leipzig <strong>–</strong> 12.09.2009<br />

und gar die ,geistige Liebe‘ des Christentums ... Die Sittlichkeit verträgt sich nicht mit<br />

dem Egoismus, weil sie nicht Mich, sondern nur den Menschen an Mir gelten läßt. Ist aber<br />

der Staat <strong>ein</strong>e Gesellschaft der Menschen, nicht <strong>ein</strong> Ver<strong>ein</strong> von Ichen, deren jedes nur sich im<br />

Auge hat, so kann er ohne Sittlichkeit nicht bestehen und muß auf Sittlichkeit halten.<br />

Darum sind Wir beide, der Staat und Ich, F<strong>ein</strong>de. Mir, dem Egoisten, liegt das Wohl dieser<br />

,menschlichen Gesellschaft‘ nicht am Herzen, Ich opfere ihr nichts, Ich benutze sie nur; um<br />

sie aber vollständig benutzen zu können, verwandle Ich sie vielmehr in m<strong>ein</strong> Eigentum<br />

und m<strong>ein</strong> Geschöpf, d. h. Ich vernichte sie und bilde an ihrer Stelle den Ver<strong>ein</strong> von Egoisten.<br />

Also verrät der Staat s<strong>ein</strong>e F<strong>ein</strong>dschaft gegen Mich dadurch, daß er fordert, ich soll Mensch<br />

s<strong>ein</strong> ... er legt Mir das Menschs<strong>ein</strong> als <strong>ein</strong>e Pflicht auf. Ferner verlangt er, daß Ich nichts tue,<br />

wobei er nicht bestehen könne; s<strong>ein</strong> Bestand also soll Mir heilig s<strong>ein</strong>. Dann soll Ich k<strong>ein</strong> Egoist,<br />

sondern <strong>ein</strong> ... sittlicher Mensch s<strong>ein</strong>. Genug, Ich soll gegen ihn und s<strong>ein</strong>en Bestand ohnmächtig<br />

und respektvoll s<strong>ein</strong> usw.<br />

Dieser Staat, ..., des Erschaffens erst noch bedürftig, ist das Ideal des fortschreitenden Liberalismus.<br />

Es soll <strong>ein</strong>e wahrhafte ,Menschengesellschaft‘ entstehen, worin jeder ,Mensch‘<br />

Platz findet. Der Liberalismus will ,den Menschen’ realisieren, d. h. ihm <strong>ein</strong>e Welt schaffen<br />

... Der Kern des Staates ist eben ,der Mensch‘, diese Unwirklichkeit, und er selbst ist nur<br />

,Menschengesellschaft‘. Die Welt, welche der Gläubige ... schafft, heißt Kirche, die Welt,<br />

welche der Mensch ... schafft, heißt Staat. Das ist aber nicht m<strong>ein</strong>e Welt. Ich verrichte nie in<br />

abstracto Menschliches, sondern immer Eigenes, d. h. m<strong>ein</strong>e menschliche Tat [345] ist von<br />

jeder andern menschlichen verschieden und ist nur durch diese Verschiedenheit <strong>ein</strong>e wirkliche,<br />

Mir zugehörige Tat. Das Menschliche an ihr ist <strong>ein</strong>e Abstraktion, und als solches Geist,<br />

d. h. abstrahiertes Wesen“. 1<br />

<strong>Max</strong> <strong>Stirner</strong> stellt sich jetzt die Frage, wer denn nun der Mensch sei, von dem soviel die Rede<br />

ist, um sogleich zu antworten:<br />

„Ich bin es! Der Mensch, das Ende und Ergebnis des Christentums, ist als Ich der Anfang<br />

und das auszunutzende Material der neuen Geschichte, <strong>ein</strong>er Geschichte des Genusses nach<br />

der Geschichte der Aufopferung, <strong>ein</strong>er Geschichte nicht des Menschen oder der Menschheit,<br />

sondern <strong>–</strong> M<strong>ein</strong>er. Der Mensch gilt als das Allgem<strong>ein</strong>e. Nun denn, Ich und das Egoistische ist<br />

das wirklich Allgem<strong>ein</strong>e, da Jeder <strong>ein</strong> Egoist ist und sich über alles geht.“ 2<br />

Der Mensch als Allgem<strong>ein</strong>es, wie er hier s<strong>ein</strong>e Auffassung findest, befriedigt nur gewisse<br />

s<strong>ein</strong>er Bedürfnisse, „nur <strong>ein</strong>e gewisse Notdurft, nicht sich ...“ 3 Diesen Zustand bezeichnet<br />

<strong>Stirner</strong> als „<strong>ein</strong> halber Egoismus“. Er legt s<strong>ein</strong>e Betonung „auf Mich, nicht darauf, daß Ich<br />

Mensch bin.<br />

Der Mensch ist nur etwas als m<strong>ein</strong>e Eigenschaft (Eigentum), wie die Männlichkeit oder<br />

Weiblichkeit“. 4<br />

Es sch<strong>ein</strong>t ihm ebenso lächerlich, „der Erde die Aufgabe zu steilen, <strong>ein</strong> ,rechter Stern‘ zu<br />

s<strong>ein</strong>“, als „Mir als Beruf aufzubürden, <strong>ein</strong> ,rechter Mensch‘ zu s<strong>ein</strong>“. 5<br />

Bei s<strong>ein</strong>er Aufstellung stellt <strong>Max</strong> <strong>Stirner</strong> <strong>ein</strong>e Harmonie mit Fichte fest, den er wie folgt zitiert:<br />

[346] „,Das Ich ist Alles‘“, jedoch <strong>ein</strong>schränkend <strong>–</strong> besser gesagt erweiternd <strong>–</strong> bemerkt [er]:<br />

„All<strong>ein</strong> nicht das Ich ist Alles, sondern das Ich zerstört Alles, und nur das sich selbst auflösende<br />

Ich, das nie seiende Ich, das <strong>–</strong> endliche Ich ist wirklich Ich. Fichte spricht vom<br />

1 EE 195 ff.<br />

2 EE 198.<br />

3 EE 198.<br />

4 EE 199.<br />

5 EE 199.

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