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Harald Pamminger: Max Stirner – ein Schüler Hegels?

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OCR-Texterkennung und Copyright by <strong>Max</strong> <strong>Stirner</strong> Archiv Leipzig <strong>–</strong> 12.09.2009<br />

phose der christlichen Religion [ist]. Denn Religion ist der Liberalismus darum, weil er<br />

m<strong>ein</strong> Wesen von Mir trennt und über Mich stellt, weil er ‚den Menschen‘ in demselben<br />

Maße erhöht, wie irgend <strong>ein</strong>e andere Religion ihren Gott oder Götzen, weil er das M<strong>ein</strong>ige<br />

zu <strong>ein</strong>em Jenseitigen, weil er überhaupt aus dem M<strong>ein</strong>igen, aus m<strong>ein</strong>en Eigenschaften<br />

und m<strong>ein</strong>em Eigentum, <strong>ein</strong> Fremdes, nämlich <strong>ein</strong> ,Wesen‘ macht, kurz, weil er Mich<br />

unter den Menschen stellt und Mir dadurch <strong>ein</strong>en ,Beruf‘ schafft; aber auch der Form<br />

nach erklärt sich der Liberalismus als Religion, wenn er für dies höchste Wesen, den<br />

Menschen, <strong>ein</strong>en Glaubenseifer fordert ... Da der Liberalismus aber menschliche Religion<br />

ist, so verhält sich der Bekenner derselben gegen den Bekenner jeder anderen (katholischen,<br />

jüdischen usw.) tolerant ... Diese Religion soll jetzt zur allgem<strong>ein</strong> üblichen<br />

erhoben und von den andern ... abgesondert werden“. 1<br />

<strong>Stirner</strong> gibt der M<strong>ein</strong>ung Ausdruck, daß man die „menschliche Religion“ als Staatsreligion,<br />

als Religion des „freie[n] Staates“ bezeichnen kann, jedoch „nicht in dem bisherigen Sinne,<br />

daß sie die vom Staate bevorzugte oder privilegierte sei, sondern als diejenige Religion, welche<br />

der ,freie Staat‘ von jedem der S<strong>ein</strong>igen ... zu fordern nicht nur berechtigt, sondern genötigt<br />

ist“. 2<br />

Dem Staat selbst ist der Begriff, „<strong>ein</strong>e wirklich menschliche Gesellschaft zu s<strong>ein</strong>“, der höchste,<br />

„<strong>ein</strong>e Gesellschaft, in welcher Jeder als Glied Aufnahme erhalten kann, der wirklich<br />

Mensch ... ist“. 3<br />

[343] Dieser Staat ist nun angetreten, diese „menschliche Gesellschaft“ gegen den<br />

„Unmenschen“, den Egoisten zu verteidigen.<br />

Daraus ergibt sich für <strong>Stirner</strong> jedoch <strong>ein</strong> „widersinniges Urteil“.<br />

Die Toleranz <strong>ein</strong>es Staates, so weit sie auch geht, hört gegen <strong>ein</strong>en Unmenschen und gegen<br />

Unmenschliches <strong>–</strong> im Sinne <strong>Stirner</strong>s <strong>–</strong> auf.<br />

„Und doch ist dieser ,Unmensch‘ <strong>ein</strong> Mensch, doch ist das ,Unmenschliche‘ selbst etwas<br />

Menschliches, ja nur <strong>ein</strong>em Menschen, k<strong>ein</strong>em Tiere, möglich, ist eben etwas ,Menschenmögliches‘.<br />

Obgleich aber jeder Unmensch <strong>ein</strong> Mensch ist, so schließt ihn doch der Staat aus,<br />

d. h. er sperrt ihn <strong>ein</strong> ...<br />

Mit dürren Worten zu sagen, was <strong>ein</strong> Unmensch sei, hält nicht eben schwer: es ist <strong>ein</strong><br />

Mensch, welcher dem Begriffe Mensch nicht entspricht, wie das Unmenschliche <strong>ein</strong> Menschliches<br />

ist, welches dem Begriffe des Menschlichen nicht angemessen ist.“ 4<br />

<strong>Stirner</strong> behauptet nun: „Wirklicher Mensch ist nur der <strong>–</strong> Unmensch.<br />

... Ich bin wirklich der Mensch und Unmensch in Einem; denn Ich bin Mensch und bin<br />

zugleich mehr als Mensch, d. h. Ich bin das Ich dieser m<strong>ein</strong>er bloßen Eigenschaft.“ 5<br />

Gemäß dieser Behauptung wird der Staat, der „bei der Aufnahme nur darauf [sieht], ob <strong>ein</strong>er<br />

<strong>ein</strong> Mensch sei“, und dieses Prinzip vollzieht, „sich s<strong>ein</strong> Grab gegraben. Während er wähnen<br />

wird, an den S<strong>ein</strong>igen lauter Menschen zu besitzen, sind diese mittlerweile zu lauter Egoisten<br />

geworden, deren jeder ihn nach s<strong>ein</strong>en egoistischen Kräften und Zwecken benutzt. An den<br />

Egoisten geht die ,menschliche Gesellschaft‘ zu Grunde; denn sie beziehen sich nicht mehr<br />

als Menschen auf<strong>ein</strong>ander, sondern treten egoistisch als <strong>ein</strong> Ich gegen <strong>ein</strong> von Mir durchaus<br />

verschiedenes und gegnerisches Du und Ihr auf.<br />

[344] Wenn der Staat auf unsere Menschlichkeit rechnen muß, so ist‘s dasselbe, wenn man<br />

sagt: er müsse auf unsere Sittlichkeit rechnen. In<strong>ein</strong>ander den Menschen sehen und gegen<strong>ein</strong>ander<br />

als Menschen handeln, das nennt man <strong>ein</strong> sittliches Verhalten. Es ist das ganz<br />

1 EE 192 f. <strong>–</strong> „menschliche“ im Original gespeert.<br />

2 EE 193.<br />

3 EE 193 f.<br />

4 EE 194.<br />

5 EE 194.

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