Harald Pamminger: Max Stirner – ein Schüler Hegels?
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OCR-Texterkennung und Copyright by <strong>Max</strong> <strong>Stirner</strong> Archiv Leipzig <strong>–</strong> 12.09.2009<br />
rückkommen und diese Schlußanmerkung <strong>ein</strong>schieben muß“. 1<br />
Dieser „Anmerkung“ soll jedoch nicht ebensoviel Aufmerksamkeit zugewandt werden, wie<br />
dem Vorangangen, zumal sie sich nur auf <strong>ein</strong>en anonym erschienenen Artikel von Bruno<br />
Bauer in der Allgem<strong>ein</strong>en Literatur-Zeitung. Heft 8, Charlottenburg Juli 1844. S. 18-26, bezieht,<br />
welcher den Titel trägt: ‚Was ist jetzt der Gegenstand der Kritik?‘ 2<br />
Desweiteren verweist er auf <strong>ein</strong>en aus der Feder Edgar Bauers entstammenden, im selben<br />
Heft erschienen, Artikel, welchem er den Satz [entnimmt]: „,Die Kritik stellt k<strong>ein</strong>e Dogmen<br />
auf und will nichts als die Dinge kennenlernen.‘“ 3 Dieser Satz erschien <strong>Stirner</strong> jedoch beachtens-<br />
und kritisierenswert und so schreibt er:<br />
„Der Kritiker fürchtet sich ,dogmatisch‘ zu werden oder Dogmen aufzustellen. Natürlich, er<br />
würde dadurch ja zum Gegensatz des Kritikers, zum Dogmatiker, er würde, wie er als Kritiker<br />
gut ist, nun böse, oder würde aus <strong>ein</strong>em Uneigennützigen <strong>ein</strong> Egoist usw. ,Nur k<strong>ein</strong><br />
Dogma!‘ das ist s<strong>ein</strong> <strong>–</strong> Dogma. Denn es bleibt der Kritiker mit dem Dogmatiker auf <strong>ein</strong> und<br />
demselben Boden, dem der Gedanken. Gleich dem [329] letzteren geht er stets von <strong>ein</strong>em<br />
Gedanken aus, aber darin weicht er ab, daß er’s nicht aufgibt, den prinzipiellen Gedanken im<br />
Denkprozesse zu erhalten, ihn also stabil werden läßt. Er macht nur den Denkprozeß gegen<br />
die Denkgläubigkeit, den Fortschritt im Denken gegen den Stillstand in demselben geltend.<br />
Vor der Kritik ist k<strong>ein</strong> Gedanke sicher, da sie das Denken oder der denkende Geist selber ist.<br />
Deshalb wiederhole Ich‘s, daß die religiöse Welt <strong>–</strong> und diese ist eben die Welt der Gedanken<br />
<strong>–</strong> in der Kritik ihre Vollendung erreicht, indem das Denken über jeden Gedanken übergreift,<br />
deren k<strong>ein</strong>er sich ,egoistisch‘ festsetzen darf ... Daraus erklärt sich‘s, daß der Kritiker sogar<br />
hie und da schon über den Gedanken des Menschen, der Menschheit und Humanität leise<br />
spöttelt, weil er ahnt, daß hier <strong>ein</strong> Gedanke sich dogmatischer Festigkeit nähere. Aber er kann<br />
diesen Gedanken doch eher nicht auflösen, bis er <strong>ein</strong>en <strong>–</strong> ,höheren‘ gefunden hat, in welchem<br />
jener zergehe; denn er bewegt sich eben nur <strong>–</strong> in Gedanken. Dieser höhere Gedanke könnte<br />
als der der Denkbewegung oder des Denkprozesses selbst, d. h. als der Gedanke des Denkens<br />
oder der Kritik ausgesprochen werden.“ 4<br />
Hierdurch ist ihm die Denkfreiheit vollkommen geworden und es ist nichts übriggeblieben,<br />
„als das <strong>–</strong> Dogma des freien Denkens oder der Kritik“. 5<br />
<strong>Stirner</strong> sieht sich weder als Gegner noch als Freund der Kritik, die „auf der Höhe der Zeit“<br />
steht, denn er ist k<strong>ein</strong> Dogmatiker.<br />
„Wäre Ich <strong>ein</strong> ,Dogmatiker‘, so stellte Ich <strong>ein</strong> Dogma, d. h. <strong>ein</strong>en Gedanken, <strong>ein</strong>e Idee, <strong>ein</strong><br />
Prinzip obenan, und vollendete dies als ,Systematiker‘, indem Ich‘s zu <strong>ein</strong>em System, d. h.<br />
<strong>ein</strong>em Gedankenbau ausspönne. Wäre Ich umgekehrt <strong>ein</strong> Kritiker, nämlich <strong>ein</strong> Gegner des<br />
Dogmatikers, so führte Ich den Kampf des freien Denkens gegen den knechtenden [330] Gedanken,<br />
verteidigte das Denken gegen das Gedachte. Ich bin aber weder <strong>ein</strong> Champion <strong>ein</strong>es<br />
Gedankens, noch der des Denkens; denn ,Ich‘, von dem Ich ausgehe, bin weder <strong>ein</strong> Gedanke,<br />
noch bestehe Ich im Denken. An Mir, dem Unbenennbaren, zersplittert das Reich der Gedanken,<br />
des Denkens und des Geistes.<br />
Die Kritik ist der Kampf des Besessenen gegen die Besessenheit als solche, gegen alle Besessenheit,<br />
<strong>ein</strong> Kampf, der in dem Bewußts<strong>ein</strong> begründet ist, daß überall Besessenheit oder,<br />
wie es der Kritiker nennt, religiöses und theologisches Verhältnis vorhanden ist. Er weiß, daß<br />
man nicht bloß gegen Gott, sondern ebenso gegen andere Ideen, wie Recht, Staat, Gesetz<br />
1 EE 159.<br />
2 EE 159 (Anm. 46).<br />
3 EE 162.<br />
4 EE 162 f.<br />
5 EE 163.