Harald Pamminger: Max Stirner – ein Schüler Hegels?
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OCR-Texterkennung und Copyright by <strong>Max</strong> <strong>Stirner</strong> Archiv Leipzig <strong>–</strong> 12.09.2009<br />
des und Entscheidendes möglich. Mit dieser Möglichkeit tritt jedoch auch das Nicht-Ich in<br />
den Kreis der Möglichkeit: das Verharren in der Unfreiheit.<br />
[27] Also ,II. Das Ich setzt Nicht-Ich als sich entgegengesetzt‘. Diese ,Antithesis‘ könnte bereits<br />
dialektisch gedeutet werden, insoferne nun Widersprechendes <strong>–</strong> Ich und Nicht-Ich <strong>–</strong> im<br />
Ich gesetzt sind. Aber der III. Satz zeigt, daß Thesis und Antithesis nicht in dem Verhältnis<br />
der späteren <strong>Hegels</strong>chen Dialektik zu<strong>ein</strong>ander stehen; es ist k<strong>ein</strong>e dialektische Synthesis,<br />
wenn ihn Fichte wie folgt formuliert: ‚Ich setzt im Ich dem teilbaren Ich <strong>ein</strong> teilbares Nicht-<br />
Ich entgegen.‘ Daraus ergeben sich dann die beiden weiteren Sätze, welche <strong>ein</strong>e Wissenschaft<br />
des Theoretischen und des Praktischen begründen: 1. Das Ich setzt sich als beschränkt durch<br />
das Nicht-Ich, d. h. es verhält sich anerkennend; 2. Das Ich setzt das Nicht-Ich als bestimmt<br />
durch das Ich, d. h. es verhält sich handelnd.“ 1<br />
Für Fichte ist das Ich der „Inbegriff von Geist, Wille, Sittlichkeit, Glaube“ 2 , der Ausdruck<br />
Nicht-Ich steht für die Existenz der Welt.<br />
Das absolute Ich steht am Anfang der Wissenschaftslehre als das der Sache nach erste, jedoch<br />
gelingt es Fichte nicht am Ende s<strong>ein</strong>er Wissenschaftslehre, die Spannung von endlichem<br />
und unendlichem Ich abzubauen, und so bleibt das absolute Ich das nie erreichbare Ideal des<br />
endlichen Ich.<br />
„Daß sich diese Spannung nicht mehr aufheben läßt, und sich der Gedankengang nicht zu<br />
dem sich in sich vollendenden Kreis zusammenschließt, daß das Ich bin Ich nur am Anfang<br />
steht, nicht jedoch am Ende, sondern nur das ‚Ich soll Ich s<strong>ein</strong>‘, wurde vor allem von Hegel<br />
an Fichte kritisiert.“ (G. Pöltner)<br />
Fichtes „Wissenschaftslehre“ erschien seit 1794 in über zehn Fassungen und er hielt bis an<br />
s<strong>ein</strong> Lebensende an den systematischen Ziel fest.<br />
[28] Kurz erwähnt sei hier noch der „Atheismusstreit“, der durch die Veröffentlichung der<br />
Schrift ‚Über den Grund des Glaubens an <strong>ein</strong>e göttliche Weltordnung‘ (1798) ausbrach,<br />
im Zuge dessen er s<strong>ein</strong>e Professur in Jena verlor. Der Grund für den Vorwurf des Atheismus<br />
gegen ihn ist darin zu suchen, daß er die moralische Weltordnung mit Gott verglich, d. h.<br />
Gott als unpersönlich aufgefaßt hatte.<br />
Er verstand darunter nicht <strong>ein</strong>e formale Ordnung moralischer Gesetze, sondern <strong>ein</strong>e „lebendige<br />
und wirkende moralische Ordnung“, die selbst Gott ist.<br />
Der Träger der moralischen Ordnung müßte <strong>ein</strong> besonderes und damit <strong>ein</strong> endliches Wesen<br />
s<strong>ein</strong>, was auf Gott nicht zutreffen kann.<br />
„Die Überzeugung, daß das Bewußts<strong>ein</strong> <strong>ein</strong>er dinglichen Welt außer uns absolut nichts weiter<br />
ist als das Produkt unseres eigenen Vorstellungsvermögens, gibt uns zugleich die Gewißheit<br />
unserer Freiheit. Nicht als bestimmt durch die Dinge, sondern als die Dinge bestimmend<br />
ist das Ich zu denken: die Welt ist nichts anderes als das Material unserer Tätigkeit, das versinnlichte<br />
Material unserer Pflicht. Alles, was zur Tätigkeit gefordert ist, ist auch sittlich gefordert.<br />
Dahin gehört vor allem die Ausbildung des Körpers und des Geistes und die Eingliederung<br />
in die menschliche Gem<strong>ein</strong>schaft; denn die Arbeit an der Sinnenwelt, d. h. die Kulturarbeit,<br />
kann nur <strong>ein</strong>e gem<strong>ein</strong>same s<strong>ein</strong>. Andererseits haben alle Staatsbürger nicht nur das<br />
Recht auf formale Freiheit und Schutz vor Vergewaltigung, sondern auch auf Eigentum, Arbeitsgelegenheit<br />
und Teilnahme an den Erträgnissen der Staatswirtschaft“ 3 , wie Fichte in s<strong>ein</strong>em<br />
‚Geschlossenen Handelsstaat‘ 1800 darlegt.<br />
Fichte war der Überzeugung, daß die Politik „das Geschäft auch des spekulativen Philoso-<br />
1 Glockner, H.: Europ. Philosophie. S. 734 f.<br />
2 Schischkoff, G.: Phil. Wörterbuch. S. 187.<br />
3 Ebd.