Harald Pamminger: Max Stirner – ein Schüler Hegels?

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OCR-Texterkennung und Copyright by Max Stirner Archiv Leipzig 12.09.2009 Staate. Dann werdet Ihr als Menschen gelten und alles haben, was des Menschen ist; der Staat, der wahre Mensch, wird Euch zu dem Seinigen berechtigen und Euch die ,Menschenrechte‘ geben: Der Mensch gibt Euch seine Rechte!“ 1 Wenn das Bürgertum so redet, so bedeutet dies, daß es nichts anderes ist „als der Gedanke, daß der Staat alles in allem, der wahre Mensch sei, und daß des Einzelnen Menschenwert darin bestehe, ein Staatsbürger zu sein. Ein guter Bürger zu sein, darin sucht er seine höchste Ehre, darüber hinaus kennt er nichts Höheres als höchstens das antiquierte ein guter Christ“. 2 Dem Ruf nach allgemeiner Gleichheit ist der allgemeine Ruf „Staat! Staat!“ gleichzusetzen, denn der „Staat soll eine Gemeinschaft von freien und gleichen Menschen sein, und Jeder sich dem ,Wohle des Ganzen‘ widmen, in den Staat aufgehen, den Staat zu seinem Zweck und Ideal machen“. 3 Der Gedanke des Staates, das Suchen nach dem Staat in seiner besten Fassung ging in alle Herzen ein, enthusiasmierte und „ihm zu dienen, diesem weltlichen Gotte, das ward der neue Gottesdienst und Kultus. Die eigentlich [288] politische Epoche war angebrochen. Dem Staate oder der Nation dienen, das ward höchste Ideal ...“. 4 Aufopferung für den Staat wird zum Erkennungszeichen. „Sich muß man aufgeben und nur dem Staate leben ... nicht Ich lebe, sondern Er lebet in Mir“. 5 Die Revolution entzündete sich am Eigentum. Die Herrschaft der „absoluten Regierung“ zerbrach an ihrer Inkonsequenz, sich ihr Geld sprich Steuern zu nehmen, „welches sich nur im Besitz, nicht im Eigentum der Untertanen befand“, sondern sie ließ sich dieses Geld nur „bewilligen“; jedoch „wer sich etwas ,bewilligen‘ lassen muß, der kann nicht für absolut angesehen werden. Die Untertanen erkannten, daß sie wirkliche Eigentümer seien, und daß es ihr Geld sei, welches man fordere“. 6 Dies bedeutete jedoch nicht, wenn es auch so aussehen mag, daß „Jeder ein Eigentümer“ wäre. Nein, ... „statt der Regierung, statt des Fürsten, ward jetzt Eigentümerin und Herrin die Nation“. 7 Es änderten sich nur die Bezeichnungen. Das Bürgertum trat an die Stelle der privilegierten Stände und übernahm auch deren Rechte. „... das Bürgertum hieß nun die ,Nation‘. ,In die Hände der Nation‘ wurden alle Vorrechte zurückgegeben. Dadurch hörten sie auf, ,Vorrechte‘ zu sein: sie wurden ,Rechte‘.“ 8 So scheint es, als bliebe alles beim Alten, aber der Schein trügt. „Der Monarch in der Person des ,königlichen Herren‘ war ein armseliger Monarch gewesen gegen diesen neuen Monarchen, [289] die ,souveräne Nation‘. Diese Monarchie war tausendfach schärfer, strenger und konsequenter. Gegen den neuen Monarchen gab es gar kein Recht, kein Privilegium mehr; wie beschränkt nimmt sich dagegen der ,absolute König‘ des ancien régime aus. Die Revolution bewirkte die Umwandlung der beschränkten Monarchie in die absolute Monarchie.“ 9 Von nun an ist „jedes Recht“ nur ein erteiltes Recht. Jahrtausende wurde nach Stirners Ansicht danach gestrebt, „jenen absoluten Herrn zu 1 EE 107 f. 2 EE 108. 3 EE 108. 4 EE 109. 5 EE 109. 6 EE 109. 7 EE 110. 8 EE 110. 9 EE 111.

OCR-Texterkennung und Copyright by Max Stirner Archiv Leipzig 12.09.2009 finden, neben dem keine andern Herren und Herrchen ... machtverkürzend beständen“. 1 Dies hat die Bourgeoisie vollbracht. Bei der Verleihung von „Rechtstitel“ nimmt der Staat keine Rücksicht auf das Vorrecht der Geburt, oder „eine andere ihm imponierende Bedeutung“, sondern sieht in mir allein den Menschen. „Dabei ist‘s ihm gleich, an wen er sie erteilt, wenn der Empfänger nur die Pflichten erfüllt, welche aus den überlassenen Rechten entspringen. Wir sind ihm Alle recht und gleich. ... ,Gleichheit der politischen Rechte‘ hat sonach den Sinn, daß Jeder jedes Recht ... erwerben darf, wenn er ... die daran geknüpften Bedingungen erfüllt ...“ 2 Stirners Meinung nach hat diesen „Gleichheitsgrundsatz“ bis in seine Tage, mehr oder weniger, jeder Staat verwirklicht. Stirners Erklärung der Französischen Revolution zufolge hielt die „Ständemonarchie“ er bezeichnet so das absolute Königtum, die Zeit der Könige vor der Revolution „den Einzelnen in Abhängigkeit von lauter kleinen Monarchien ... wie die Zünfte, der Adelsstand, Priesterstand ...“ 3 [290] Der Einzelne mußte sich „dem esprit de corps, als seinem Monarchen“ unterwerfen und „nur mittelst seiner Korporation, seines Standes, bezog sich der Einzelne auf die größere Korporation, den Staat; wie im Katholizismus der Einzelne erst durch den Priester sich mit Gott vermittelt“. 4 Diesem machte der dritte Stand ein Ende, in dem er den Mut bewies, „sich als Stand zu negieren ... nicht mehr ein Stand neben andern Ständen zu sein ..., sondern zur ,Nation‘ sich zu verklären und verallgemeinern. Dadurch erschuf er eine viel vollkommenere und absolutere Monarchie, und das ganze vorherrschende Prinzip der Stände, das Prinzip der kleinen Monarchien innerhalb der großen, ging zu Grunde“. 5 Dies bedeutet für Stirner jedoch, daß die Revolution nicht bloß den beiden ersten Ständen gegolten hat, „sondern sie galt den kleinen ständischen Monarchien überhaupt“. 6 Der dritte Stand wollte nicht Stand neben anderen Ständen bleiben, sondern „der einzige Stand ... werden. Dieser einzige Stand ist die Nation, der ,Staat‘“. 7 Stirner fragt sich nun nicht zu unrecht was dabei aus dem Einzelnen geworden ist: „Ein politischer Protestant, denn er war mit seinem Gotte, dem Staate, in unmittelbaren Konnex getreten. Er war nicht mehr als Adliger in der Noblessenmonarchie, als Handwerker in der Zunftmonarchie, sondern Er wie Alle erkannten und bekannten nur Einen Herrn, den Staat, als dessen Diener sie sämtlich den gleichen Ehrentitel ,Bürger‘ erhielten“. 8 In der Bourgeoisie, sieht er den „Adel des Verdienstes“, denn sie kämpfte gegen den „faulen“ Adel, der durch Geburt frei war, wogegen der „durch Fleiß und Verdienst erworbene[n] Adel ... der ,Verdienstvolle‘“, zwar nicht Ich, aber [291] „der redliche Diener (seines Königs; des Staates ...)“ frei ist, denn durch „Dienen erwirbt man Freiheit, d. h. erwirbt sich ,Verdienste‘ ...“, denn verdient „manchen muß man sich um den Staat, d. h. um das Prinzip des Staates, um den sittlichen Geist desselben“. 9 1 EE 111. 2 EE 112. 3 EE 112 f. 4 EE 113. 5 EE 113. 6 EE 113. 7 EE 113. 8 EE 113 f. 9 EE 114.

OCR-Texterkennung und Copyright by <strong>Max</strong> <strong>Stirner</strong> Archiv Leipzig <strong>–</strong> 12.09.2009<br />

Staate. Dann werdet Ihr als Menschen gelten und alles haben, was des Menschen ist;<br />

der Staat, der wahre Mensch, wird Euch zu dem S<strong>ein</strong>igen berechtigen und Euch die<br />

,Menschenrechte‘ geben: Der Mensch gibt Euch s<strong>ein</strong>e Rechte!“ 1<br />

Wenn das Bürgertum so redet, so bedeutet dies, daß es nichts anderes ist „als der Gedanke,<br />

daß der Staat alles in allem, der wahre Mensch sei, und daß des Einzelnen Menschenwert darin<br />

bestehe, <strong>ein</strong> Staatsbürger zu s<strong>ein</strong>. Ein guter Bürger zu s<strong>ein</strong>, darin sucht er s<strong>ein</strong>e höchste Ehre,<br />

darüber hinaus kennt er nichts Höheres als höchstens das antiquierte <strong>–</strong> <strong>ein</strong> guter Christ“. 2<br />

Dem Ruf nach allgem<strong>ein</strong>er Gleichheit ist der allgem<strong>ein</strong>e Ruf „Staat! Staat!“ gleichzusetzen,<br />

denn der „Staat soll <strong>ein</strong>e Gem<strong>ein</strong>schaft von freien und gleichen Menschen s<strong>ein</strong>, und Jeder<br />

sich dem ,Wohle des Ganzen‘ widmen, in den Staat aufgehen, den Staat zu s<strong>ein</strong>em Zweck<br />

und Ideal machen“. 3<br />

Der Gedanke des Staates, das Suchen nach dem Staat in s<strong>ein</strong>er besten Fassung ging in alle<br />

Herzen <strong>ein</strong>, enthusiasmierte und „ihm zu dienen, diesem weltlichen Gotte, das ward der<br />

neue Gottesdienst und Kultus. Die eigentlich [288] politische Epoche war angebrochen.<br />

Dem Staate oder der Nation dienen, das ward höchste Ideal ...“. 4<br />

Aufopferung für den Staat wird zum Erkennungszeichen.<br />

„Sich muß man aufgeben und nur dem Staate leben ... nicht Ich lebe, sondern Er lebet<br />

in Mir“. 5<br />

Die Revolution entzündete sich am Eigentum. Die Herrschaft der „absoluten Regierung“<br />

zerbrach an ihrer Inkonsequenz, sich ihr Geld <strong>–</strong> sprich Steuern <strong>–</strong> zu nehmen, „welches sich<br />

nur im Besitz, nicht im Eigentum der Untertanen befand“, sondern sie ließ sich dieses Geld<br />

nur „bewilligen“; jedoch „wer sich etwas ,bewilligen‘ lassen muß, der kann nicht für absolut<br />

angesehen werden. Die Untertanen erkannten, daß sie wirkliche Eigentümer seien, und daß es<br />

ihr Geld sei, welches man fordere“. 6<br />

Dies bedeutete jedoch nicht, wenn es auch so aussehen mag, daß „Jeder <strong>ein</strong> Eigentümer“<br />

wäre. N<strong>ein</strong>, ... „statt der Regierung, statt des Fürsten, ward jetzt Eigentümerin<br />

und Herrin <strong>–</strong> die Nation“. 7<br />

Es änderten sich nur die Bezeichnungen. Das Bürgertum trat an die Stelle der privilegierten<br />

Stände und übernahm auch deren Rechte.<br />

„... das Bürgertum hieß nun die ,Nation‘. ,In die Hände der Nation‘ wurden alle Vorrechte<br />

zurückgegeben. Dadurch hörten sie auf, ,Vorrechte‘ zu s<strong>ein</strong>: sie wurden ,Rechte‘.“ 8<br />

So sch<strong>ein</strong>t es, als bliebe alles beim Alten, aber der Sch<strong>ein</strong> trügt.<br />

„Der Monarch in der Person des ,königlichen Herren‘ war <strong>ein</strong> armseliger Monarch gewesen<br />

gegen diesen neuen Monarchen, [289] die ,souveräne Nation‘. Diese Monarchie war tausendfach<br />

schärfer, strenger und konsequenter. Gegen den neuen Monarchen gab es gar k<strong>ein</strong> Recht,<br />

k<strong>ein</strong> Privilegium mehr; wie beschränkt nimmt sich dagegen der ,absolute König‘ des ancien<br />

régime aus. Die Revolution bewirkte die Umwandlung der beschränkten Monarchie in<br />

die absolute Monarchie.“ 9 Von nun an ist „jedes Recht“ nur <strong>ein</strong> erteiltes Recht.<br />

Jahrtausende wurde <strong>–</strong> nach <strong>Stirner</strong>s Ansicht <strong>–</strong> danach gestrebt, „jenen absoluten Herrn zu<br />

1 EE 107 f.<br />

2 EE 108.<br />

3 EE 108.<br />

4 EE 109.<br />

5 EE 109.<br />

6 EE 109.<br />

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