Harald Pamminger: Max Stirner – ein Schüler Hegels?
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OCR-Texterkennung und Copyright by <strong>Max</strong> <strong>Stirner</strong> Archiv Leipzig <strong>–</strong> 12.09.2009<br />
„sei sie <strong>ein</strong> Liebe zu den Menschen, zu jedem Einzelnen, während sie nichts als <strong>ein</strong>e Liebe<br />
des Menschen, des unwirklichen Begriffes, des Spuks ist. Nicht τουζ àνθρωπουζ, die Menschen,<br />
sondern τòν äνθρωπον, den Menschen, schließt der Philanthrop in s<strong>ein</strong> Herz. [270] Allerdings<br />
bekümmert er sich um jeden Einzelnen, aber nur deswegen, weil er s<strong>ein</strong> geliebtes<br />
Ideal überall verwirklicht sehen möchte.<br />
Also von der Sorge um Mich, Dich, Uns ist hier k<strong>ein</strong>e Rede: das wäre persönliches Interesse<br />
und gehört in das Kapitel von der ,weltlichen Liebe‘. Der Philanthropismus ist <strong>ein</strong>e himmlische,<br />
geistige, <strong>ein</strong>e <strong>–</strong> pfäffische Liebe. Der Mensch muß in Uns hergestellt werden, und gingen<br />
Wir armen Teufel darüber auch zu Grunde. Es ist derselbe pfäffische Grundsatz, wie jenes<br />
berühmte fiat justitia, pereat mundus: Mensch und Gerechtigkeit sind Ideen, Gespenster,<br />
denen zu Liebe alles geopfert wird: darum sind die pfäffischen Geister die ,aufopfernden‘.<br />
Wer für den Menschen schwärmt, der läßt, soweit jene Schwärmerei sich erstreckt, die Person<br />
außer Acht und schwimmt in <strong>ein</strong>em idealen, heiligen Interesse. Der Mensch ist ja k<strong>ein</strong>e<br />
Person, sondern <strong>ein</strong>e Ideal, <strong>ein</strong> Spuk“. 1<br />
Gemäß s<strong>ein</strong>er Intention fragt sich <strong>Stirner</strong>, wie es möglich ist, daß Leute, die ihre persönlichen,<br />
egoistischen Interessen behaupten, doch immer wieder den pfäffischen oder schulmeisterlichen,<br />
d. h. idealen Interessen unterliegen. Er mutmaßt, daß ihnen ihre Person zu kl<strong>ein</strong>,<br />
zu unbedeutend vorkommt, „um Alles in Anspruch zu nehmen und sich vollständig durchsetzen<br />
zu können“. 2<br />
Es liegt für ihn darin <strong>ein</strong> sicheres Zeichen, „daß sie sich selbst in zwei Personen, <strong>ein</strong>e ewige<br />
und <strong>ein</strong>e zeitliche, zerteilen, und jedesmal nur entweder für die <strong>ein</strong>e oder für die andere sorgen,<br />
am Sonntage für die ewige, am Werkeltage für die zeitliche, im Gebete für jene, in der<br />
Arbeit für diese. Sie haben den Pfaffen in sich, darum werden sie ihn nicht los ...“ 3<br />
[271] Diesen Zwiespalt aufzulösen, „diese dualistischen Wesen zu ermitteln“ 4 , haben die<br />
Menschen versucht und so folgte „Idee ... auf Idee, Prinzip auf Prinzip, System auf System“ 5 ,<br />
jedoch k<strong>ein</strong>em gelang es „den Widerspruch des ,weltlichen‘ Menschen, des sogenannten<br />
,Egoisten‘ auf die Dauer niederzuhalten“. 6<br />
Dies beweist <strong>Stirner</strong>, daß „alle jene Ideen zu ohnmächtig waren, M<strong>ein</strong>en ganzen Willen in<br />
sich aufzunehmen und ihm genugzutun“. 7<br />
In diesen Sinne heißt es weiter: „Sie waren und bleiben Mir f<strong>ein</strong>dlich, wenn auch die F<strong>ein</strong>dschaft<br />
längere Zeit verhüllt lag. Wird es mit der Eigenheit ebenso s<strong>ein</strong>? Ist auch sie nur <strong>ein</strong><br />
Vermittlungsversuch? Zu welchem Prinzipe Ich Mich wendete, wie etwa zu dem der Vernunft,<br />
Ich mußte mich immer wieder von ihm abwenden, Oder kann Ich immer vernünftig<br />
s<strong>ein</strong>, in allem M<strong>ein</strong> Leben nach der Vernunft <strong>ein</strong>richten? Nach der Vernünftigkeit streben<br />
kann Ich wohl, Ich kann sie lieben, wie eben Gott und jede andere Idee auch: Ich kann Philosoph<br />
s<strong>ein</strong>, <strong>ein</strong> Liebhaber der Weisheit, wie Ich Gott lieb habe. Aber was Ich liebe, wonach Ich<br />
strebe, das ist nur in M<strong>ein</strong>er Idee, M<strong>ein</strong>er Vorstellung, M<strong>ein</strong>en Gedanken: es ist in M<strong>ein</strong>em<br />
Herzen, M<strong>ein</strong>em Kopfe, es ist in Mir wie das Herz, aber es ist nicht Ich, Ich bin es nicht.“ 8<br />
Die pfäffischen Geister haben jedoch immer noch Macht über mich und ihre Wirksamkeit<br />
beruht auf den „moralischen Einfluß“ 9 , den sie auf mich ausüben. Dieser nimmt „s<strong>ein</strong>en An-<br />
1 EE 84 f.<br />
2 EE 87.<br />
3 EE 87.<br />
4 EE 87.<br />
5 EE 87.<br />
6 EE 87.<br />
7 EE 87.<br />
8 EE 87 f.<br />
9 EE 88.