Harald Pamminger: Max Stirner – ein Schüler Hegels?

OCR-Texterkennung und Copyright by Max Stirner Archiv Leipzig – 12.09.2009
Gewaltsamkeit des Denkens, die höchste Despotie und Alleinherrschaft desselben, der [268]
Triumph des Geistes, und mit ihm der Triumph der Philosophie. Höheres kann die Philosophie
nicht mehr leisten, denn ihr Höchstes ist die Allgewalt des Geistes, die Allmacht des
Geistes.“ 1
Die Menschen haben sich Etwas in den Kopf gesetzt, das realisiert werden soll, sie haben
Begriffe von Etwas, die sie verwirklichen möchten. Mit Stirnerschen Ausdrücken besetzt, bedeutet
dies nichts anderes, als daß sie sich fixe Ideen in den Kopf gesetzt haben, daß sie von
diesen fixen Ideen besessen sind. Die Menschen sollen sich jedoch nicht von kleinlichen Leidenschaften
knechten lassen, sondern für „eine große Idee, eine große Sache ... Opfer bringen!
Eine ,große Idee‘, eine ,gute Sache‘ ist etwa die Ehre Gottes, für die Unzählige in den
Tod gingen, das Christentum, das seine bereitwilligen Märtyrer gefunden hat, die alleinseligmachende
Kirche, die sich Ketzeropfer gierig gelangt hat; die Freiheit und Gleichheit, der
blutige Guillotinen zu Dienste standen“. 2
Wer nun aber für eine solche große Idee, eine gute Sache, eine Lehre usw. lebt, der darf sich
nicht weltlichen Gelüsten, selbstsüchtigen Interessen hingeben, sondern er muß dieser „heiligen“
Sache dienen, den Idealen sich ergeben.
An diesem Punkte „haben Wir den Begriff des Pfaffentums, oder wie es in seiner pädagogischen
Wirksamkeit auch genannt werden kann, der Schulmeisterlichkeit; denn die Idealen
schulmeistern Uns ...
Da stoßen Wir auf den uralten Wahn der Welt ... Für eine Idee leben und schaffen, das sei
der Beruf des Menschen, und nach der Treue seiner Erfüllung messe sich sein menschlicher
Wert.
Dies ist die Herrschaft der Idee oder das Pfaffentum.“ 3
[269] Stirner bezieht dies nicht bloß auf das religiöse Leben, sondern er bezeichnet z. B.
auch Robbespierre und St. Just als Pfaffen „durch und durch“. 4
Er stellt diesen „Vertretern idealer oder heiliger Interessen“ nun „eine Welt zahlloser
,persönlicher‘ profaner Interessen gegenüber. Keine Idee, kein System, keine heilige Sache ist
so groß, daß sie nie von diesen persönlichen Interessen überboten und modifiziert werden
sollte. Wenn sie auch augenblicklich und in Zeiten der Rage und des Fanatismus schweigen,
so kommen sie doch durch ,den gesunden Sinn des Volkes‘ bald wieder obenauf. Jene Ideen
siegen erst dann vollkommen, wenn sie nicht mehr gegen die persönlichen Interessen feindlich
sind, d. h. wenn sie den Egoismus befriedigen“. 5
Sein Hauptaugenmerk gilt vor allem jenen Pfaffen, die „aus Allem eine ,Religion‘ machen;
eine ,Religion der Freiheit, Religion der Gleichheit usw.‘ und alle Ideen werden
ihnen zu einer ,heiligen Sache‘, z. B. selbst das Staatsbürgertum, die Politik, die Öffentlichkeit
...“ 6
Diese „Religion“ stellen sie in den Dienst der Menschheit. Und weil z. B. „die revolutionären
Pfaffen oder Schulmeister dem Menschen dienten, darum schnitten sie den Menschen die
Hälse ab“. 7
Dies gilt Stirner als eine Spielart des Philanthropismus, aus dem der persönliche Anteil herausgefallen
ist.
Der Philanthropismus, die Menschenfreundlichkeit, wird gewöhnlich so mißverstanden. Als
1 EE 80.
2 EE 82.
3 EE 82 f.
4 EE 83.
5 EE 83.
6 EE 85.
7 EE 87.