Harald Pamminger: Max Stirner – ein Schüler Hegels?
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OCR-Texterkennung und Copyright by <strong>Max</strong> <strong>Stirner</strong> Archiv Leipzig <strong>–</strong> 12.09.2009<br />
dern durch M<strong>ein</strong>e Heiligsprechung, durch M<strong>ein</strong>en Spruch, M<strong>ein</strong> Urteil, M<strong>ein</strong>e Kniebeugen,<br />
kurz durch M<strong>ein</strong> <strong>–</strong> Gewissen.<br />
Heilig ist Alles, was dem Egoisten unnahbar s<strong>ein</strong> soll, unberührbar, außerhalb s<strong>ein</strong>er<br />
Gewalt, d. h. über ihm: heilig mit Einem Worte jede <strong>–</strong> Gewissenssache, denn ,dies [266]<br />
ist Mir <strong>ein</strong>e Gewissensache‘ heißt eben: ,dies halte Ich heilig‘.“ 1<br />
Was den Standpunkt der Religion betrifft, so tritt an die Stelle „der natürlichen Furcht die<br />
unnatürliche (d. h. erst durch Denken hervorgebrachte) Ehrfurcht ..., die ,heilige Scheu‘.“ 2<br />
Der natürlichen Furcht obliegt es, daß man etwas außer sich für mächtiger, größer, stärker<br />
usw. halten kann, dieses ausdrücklich anerkennt, sich ihm unterwirft. Aber „in der Furcht<br />
bleibt immer noch der Versuch, sich vom Gefürchteten zu befreien ... Dagegen ist‘s in der<br />
Ehrfurcht ganz anders. Hier wird nicht bloß gefürchtet, sondern auch geehrt: das Gefürchtete<br />
ist zu <strong>ein</strong>er innerlichen Macht geworden, der Ich Mich nicht mehr entziehen kann; Ich ehre<br />
dasselbe, bin davon <strong>ein</strong>genommen, ihm zugetan und angehörig: durch die Ehre, welche Ich<br />
ihm zolle, bin ich vollständig in s<strong>ein</strong>er Gewalt, und versuche die Befreiung nicht <strong>ein</strong>mal<br />
mehr. Nun hänge ich mit der ganzen Kraft des Glaubens daran, Ich glaube“. 3<br />
Und ebenso, wie man <strong>ein</strong>e „heilige Scheu“ in sich trägt, das respektierte und ehrfurchtgebietende<br />
Heilige anzutasten, verhält es sich mit der Sittlichkeit.<br />
„Sittlichkeit ist auch solch <strong>ein</strong>e heilige Vorstellung: sittlich müsse man s<strong>ein</strong>, und müsse nur<br />
das rechte Wie, die rechte Art es zu s<strong>ein</strong>, aufsuchen. An die Sittlichkeit selbst wagt man sich<br />
nicht mit der Frage, ob sie nicht selbst <strong>ein</strong> Truggebilde sei: sie bleibt über allem Zweifel erhaben,<br />
unwandelbar. Und so geht es fort mit dem Heiligen, Stufe für Stufe, vom ,Heiligen‘<br />
bis zum ,Hochheiligen‘.“ 4<br />
[267] Nach dieser Abschweifung in den Bereich der Sittlichkeit setzt <strong>Stirner</strong> s<strong>ein</strong>en Weg der<br />
Weltgeschichte fort, in dem er auf die Hierarchie des Geistes <strong>ein</strong>geht.<br />
„Hierarchie ist Gedankenherrschaft, Herrschaft des Geistes!<br />
Hierarchisch sind Wir bis auf den heutigen Tag, unterdrückt von denen, welche sich auf Gedanken<br />
stützen. Gedanken sind das Heilige.“ 5<br />
Zu diesem Zwecke teilt er die Menschen in zwei Klassen, „in Gebildete und Ungebildete.<br />
Die ersteren beschäftigten sich, soweit sie ihres Namens würdig waren, mit Gedanken, mit<br />
dem Geiste, und forderten, weil sie in der nachchristlichen Zeit, deren Prinzip eben der Gedanke<br />
ist, die Herrschenden waren, für die von ihnen anerkannten Gedanken <strong>ein</strong>en unterwürfigen<br />
Respekt. Staat, Kaiser, Kirche, Gott, Sittlichkeit, Ordnung usw. sind solche Gedanken<br />
oder Geister, die nur für den Geist sind. Ein bloß lebendiges Wesen, <strong>ein</strong> Tier, kümmert<br />
sich um sie so wenig als <strong>ein</strong> Kind. All<strong>ein</strong> die Ungebildeten sind wirklich nichts als Kinder,<br />
und wer nur s<strong>ein</strong>en Lebensbedürfnissen nachhängt, ist gleichgültig gegen jene Geister; weil er<br />
aber auch schwach gegen dieselben ist, so unterliegt er ihrer Macht, und wird beherrscht von<br />
<strong>–</strong> Gedanken. Dies ist der Sinn der Hierarchie“. 6<br />
Die höchste Form erreicht die Gedankenherrschaft, die Herrschaft des Geistes <strong>–</strong> nach<br />
<strong>Stirner</strong>s Ansicht <strong>–</strong> bei Hegel. „Bei Hegel kommt endlich zu Tage, welche Sehnsucht gerade<br />
der Gebildete nach den Dingen hat, und welchen Abscheu er vor jeder ,hohlen Theorie‘ hegt.<br />
Da soll dem Gedanken ganz und gar die Wirklichkeit, die Welt der Dinge, entsprechen, und<br />
k<strong>ein</strong> Begriff ohne Realität s<strong>ein</strong>. Dies verschaffte <strong>Hegels</strong> System den Namen des objektivsten,<br />
als feierten darin Gedanke und Ding ihre Ver<strong>ein</strong>igung. Aber es war dies eben nur die äußerste<br />
1 EE 77.<br />
2 EE 77.<br />
3 EE 78.<br />
4 EE 79.<br />
5 EE 79.<br />
6 EE 79.