Harald Pamminger: Max Stirner – ein Schüler Hegels?
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OCR-Texterkennung und Copyright by <strong>Max</strong> <strong>Stirner</strong> Archiv Leipzig <strong>–</strong> 12.09.2009<br />
sagen: Man müsse der ,guten Sache‘ dienen. Der guten Sache dienen, heißt aber <strong>–</strong> sittlich<br />
s<strong>ein</strong>. Daher ist Sokrates der Gründer der Ethik.<br />
... Darum sagt Sokrates; Ihr müßt ,r<strong>ein</strong>en Herzens s<strong>ein</strong>‘, wenn man eure Klugheit achten<br />
soll.“ 1<br />
Ist für <strong>Stirner</strong> die Proklamation der „Verstandesallmacht“ 2 <strong>ein</strong> Werk der Sophisten, so ist die<br />
„Zeit der Herzensbildung ... die Tat der Skeptiker“. 3<br />
„Dieser Krieg“, schreibt <strong>Stirner</strong>, „wird von Sokrates erhoben und erreicht s<strong>ein</strong>en Friedensschluß<br />
erst am Todestage der alten Welt.<br />
Mit Sokrates nimmt die Prüfung des Herzens ihren Anfang, und aller Inhalt des Herzens wird<br />
gesichtet. In ihren letzten und äußersten Anstrengungen warfen die Alten allen Inhalt aus dem<br />
Herzen hinaus, und ließen es für Nichts mehr schlagen: ... Dieselbe R<strong>ein</strong>heit des Herzens<br />
wurde nun in der skeptischen Zeit errungen, welche in der sophistischen dem Verstande herzustellen<br />
gelungen war.<br />
Die sophistische Bildung hat bewirkt, daß Einem der Verstand vor nichts mehr still steht,<br />
und die skeptische, daß das Herz von nichts mehr bewegt wird.“ 4<br />
Solange der Mensch jedoch in s<strong>ein</strong>er Weltlichkeit befangen ist <strong>–</strong> „und er ist es bis ans Ende<br />
des Altertums“ <strong>–</strong> „solange ist er noch nicht Geist; denn der Geist ist körperlos und hat k<strong>ein</strong>e<br />
Beziehung zur Welt und Körperlichkeit: für ihn existiert nicht die Welt, nicht natürliche Bande<br />
... Darum mußte der Mensch erst so völlig rücksichtslos und unbekümmert, so ganz beziehungslos<br />
werden, wie ihn die skeptische Bildung darstellt, so ganz gleichgültig gegen die<br />
Welt, daß ihn ihr Einsturz selbst nicht rührte, ehe er [241] sich als weltlos, d. h. als Geist fühlen<br />
konnte. Und dies ist das Resultat von der Riesenarbeit der Alten, daß der Mensch sich als<br />
beziehungs- und weltloses Wesen, als Geist weiß.<br />
Nun erst, nachdem ihn alle weltliche Sorge verlassen hat, ist er Alles in Allem, ist nur für<br />
sich, d. h. ist Geist für den Geist, oder deutlicher: bekümmert sich nur um das Geistige.“ 5<br />
Es ist die große Errungenschaft der Alten, daß sie sich zum Geiste hin aufschwangen und<br />
geistig zu werden strebten. Nicht um die bloße Beherrschung der Dinge geht es dem Geist,<br />
sondern <strong>ein</strong>zig „um das Geistige bemüht sich der Geist, und in Allem sucht er die ,Spuren des<br />
Geistes‘ auf: dem gläubigen Geiste ,kommt alles von Gott‘ und interessiert ihn nur insofern,<br />
als es diese Abkunft offenbart; dem philosophischen Geiste ersch<strong>ein</strong>t alles mit<br />
dem Stempel der Vernunft und interessiert ihn nur so weit, als er Vernunft, d. h. geistigen<br />
Inhalt, darin zu entdecken vermag“. 6<br />
<strong>Stirner</strong> führt für die bereits weiter oben erwähnte ethische Haltung des Eudämonismus und<br />
Hedonismus <strong>ein</strong>ige Beispiele an. Er nennt u. a. „den Lyriker Simonides, den Kyniker Diogenes<br />
von Sinope, den Atomisten Demokrit und den <strong>Schüler</strong> des Sokrates‘, Aristipp ...“. 7<br />
Des weiteren bezieht er sich in der Frage des „Lebensgenuß“ auf die Stoiker, die „den Weisen<br />
verwirklichen, den Mann der Lebensweisheit, den Mann, der zu leben weiß, also <strong>ein</strong> weises<br />
Leben“ 8 wollen.<br />
[242] Für <strong>Stirner</strong> verlangen die Alten, „da sie guter Dinge s<strong>ein</strong> wollen, nach Wohlleben ...,<br />
nach der Eudämonie, dem Wohls<strong>ein</strong> in den verschiedensten Formen“. 9 Ebenso verhält es sich<br />
1 EE 18.<br />
2 EE 18.<br />
3 EE 19.<br />
4 EE 19.<br />
5 EE 19 f.<br />
6 EE 20.<br />
7 Kast, B.: Eigner. S. 136 f.<br />
8 EE 23.<br />
9 EE 23.