Harald Pamminger: Max Stirner – ein Schüler Hegels?

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OCR-Texterkennung und Copyright by Max Stirner Archiv Leipzig 12.09.2009 so weit es ihm möglich war. Denn er war ein überlegener Mensch. Er hat gelebt, wie er leben konnte.“ 1 Wie nun diese Lehre aussieht, soll im nächsten Abschnitt ersichtlich werden. BAND II [207] IV. Max Stirner: „Der Einzige und sein Eigentum“ 1. Historisches zum Werk Max Stirners Um an Stirners Werk „Der Einzige und sein Eigentum“ herangehen zu können, muß zu Beginn noch einiges über dessen Geschichte erwähnt werden. „Im Kreis der ,Freien‘ hatte sich im Laufe der Zeit das Gerücht verbreitet, dass Max Stirner an einem umfangreichen Werke arbeite, zu dem er ,bereits Blatt auf Blatt gehäuft‘ und das immer noch ... anwachse.“ 2 Niemand wußte jedoch etwas Näheres über dieses Werk und auch Stirner vermied es tunlichst, diesbezügliche Fragen zu beantworten, geschweige denn jemanden Einsicht in sein Werk zu gewähren oder darin lesen zu lassen. Die Existenz dieses Werkes wurde vorerst verleugnet, ehe man in den letzten Tagen des Oktober 1844 eines Besseren belehrt wurde. Ursprünglich sollte der Titel vermutlich „Ich“ lauten; dieser Titel wurde jedoch fallen gelassen, um späterhin nur mehr über dem zweiten Hauptteil des Werkes zu stehen. Johann Caspar Schmidt benutzte sein Pseudonym Max Stirner , mit dem er bereits für seine ersten Arbeiten verantwortlich zeichnete, um auf seine Autorenschaft zu verweisen und „als Verleger stand auf dem Titelblatte eine der angesehensten buchhändlerischen Firmen Deutschlands, Otto Wigand in Leipzig, der unerschrockene und weithin bekannte Verleger der meisten und bedeutendsten radikalen Erscheinungen jener Zeit, der Verleger der Ruge‘schen Unternehmungen und der Feuerbach‘s, selbst innig mit Herz und Geist an den Kämpfen seiner Zeit betheiligt. Als Jahreszahl war 1845 angegeben. Stirner und Wigand verband ein freundschaftliches [208] Verhältniss; dieser hielt grosse Stücke auf seinen neuen Autor und hat stets mit hoher Achtung von ihm gesprochen“. 3 Daß Otto Wigand Vertrauen in dieses Werk setzte, versucht Mackay durch den Umstand zu erklären, daß dieser dem Buch „eine durchaus gediegene Ausstattung ... angedeihen liess“. 4 „Die erste Ausgabe des ,Einzigen‘ ist eines der bestgedruckten Werke seines Verlages: ein stattlicher Band von fast fünfhundert Seiten, auf bestem Papier splendid mit breitem Rande und grosser, klarer Schrift, fast fehlerfrei bei J. B. Hirschfeld in Leipzig gedruckt, übertrifft die heute selten gewordene, deren damaliger Preis für das in hellem Umschlag broschierte Exemplar zwei und einen halben Thaler betrug, ihre beiden späteren in jeder Beziehung.“ 5 Mackay nimmt an, daß die erste Idee zu diesem Werk Stirner im Jahre 1842 gekommen sei, er in einem Zeitraum von anderthalb Jahren von 1843 bis Mitte 1844 zu Werke ging, um es dann abliefern und drucken zu können. Ende Oktober 1844 erscheint „Der Einzige und sein Eigentum“ schließlich. Daß die Zeiten für das Erscheinen von Schriften dieser Art nicht gerade rosig waren, dürfte als bekannt vorausgesetzt werden. Es war von jeher das Bestreben der Regierenden, ihnen feindliche Gedanken zu unterdrücken und deren Verbreitung zu verbieten. Zwar wurden nach der Thronbesteigung Friedrich Wilhelm IV. und der Ernennung Eichhorns zum Kultusminister als Nachfolger des verstorbe- 1 Ebd. S. 211 f. 2 Ebd., S. 125. 3 Ebd., S. 125 f. 4 Ebd., S. 126. 5 Ebd.

OCR-Texterkennung und Copyright by Max Stirner Archiv Leipzig 12.09.2009 nen Friedrich Wilhelm III. bzw. dessen Kultusminister Altenstein die Zügel der Zensur etwas gelockert, aber diese Herrlichkeit hielt nicht lange an „und es wurde schlimmer gewirthschaftet als vorher“. 1 [209] Die zeitweilige Lockerung der Zensur währte für die Zeit vom 24. Dezember 1841 bis zum 31. Januar 1843. Damit einher geht auch noch ein anderer Umstand, auf den Johann Mader verweist. Hatte der Minister Altenstein immer die Berufung der Hegelianer gefördert, so begann nun unter seinem Nachfolger „der offizielle Kampf gegen den Hegelianismus an den Universitäten. Auch die Tatsache, daß Schelling 1841 nach Berlin berufen wurde, um die ,Drachensaat‘ Hegels auszutilgen, ist ein deutliches Zeichen für Hegels bisherigen Einfluß auf das allgemeine Zeitbewußtsein und dafür, daß man nunmehr seinen Einfluß nicht mehr schätzte“. 2 Mader vertritt deshalb die Ansicht, daß dies häufig übersehen werde und dann zu einer Fehleinschätzung der Stellung Hegels in Preußen führe. Aber nicht nur in Preußen, auch in Sachsen und anderen deutschen Ländern hatte „eine Reaction sondergleichen begonnen“. 3 Zwar waren auch in Sachsen im Jahre 1844 Schriften, die eine Umfang von zwanzig Bogen überstiegen, frei, d. h. sie brauchten der Zensur nicht vorgelegt werden, aber die Gefahr der Beschlagnahme war doch gegeben. Genau dies geschah auch mit Stirners Werk. Durch ein ausgeklügeltes System jedoch, welches sich die Leipziger Verleger ersannen, sind den Behörden nur „noch 250 Exemplare in die Hände gefallen“. 4 Die Beschlagnahme des „Einzigen“ wurde jedoch wenige Tage später wieder aufgehoben: „weil das Buch ,zu absurd‘ sei, um gefährlich zu sein“. 5 Stirner selbst vermeint des Grundes der endgültigen Erscheinung seines Buches gewärtig zu sein. Anders läßt sich [210] sein selbstsicherer Ausspruch wohl nicht erklären: „Mag mein Volk der Preßfreiheit entbehren, Ich suche Mir eine List oder Gewalt aus, um zu drucken die Druckerlaubnis hole ich Mir nur von Mir und meiner Kraft.“ 6 Mackay sieht die Ursache, daß es Stirner „glänzend gelungen war“ 7 den Staat zu betrügen, darin, daß er „sein Werk mit der vollen Vorsicht geschrieben hatte“. 8 Dennoch: „In Preussen wurde der ,Einzige‘ übrigens noch vor Weihnachten, wie auch in Kurhessen und Mecklenburg-Schwerin, verboten und das Verbot ist, so weit festgestellt werden konnte, nie aufgehoben worden. Das hinderte natürlich nicht, dass die neue Erscheinung überall, besonders unter der studierenden Jugend, eifrig gelesen wurde und von Hand zu Hand ging, und auch hier wird die Klage von Savigny‘s, des Justizministers, beim König, sich bestätigt haben: dass die verbotenen Schriften gerade am Meisten verbreitet und gelesen würden, und dass die Verbote und Confiscationen also genau das Gegentheil ihrer beabsichtigten Wirkung hervorriefen.“ 9 Im übrigen sei noch zu sagen, daß Max Stirner mit Ausnahme der Zensurbehörde „mit 1 Ebd. 2 Mader, J.: Von Hegel bis Marx. S. 13. 3 Mackay: Stirner. S. 126. 4 Ebd., S. 127. 5 Ebd. 6 EE 316. 7 Mackay: Max Stirner. S. 127. 8 Ebd. 9 Ebd., S. 127 f.

OCR-Texterkennung und Copyright by <strong>Max</strong> <strong>Stirner</strong> Archiv Leipzig <strong>–</strong> 12.09.2009<br />

nen Friedrich Wilhelm III. bzw. dessen Kultusminister Altenst<strong>ein</strong> <strong>–</strong> die Zügel der Zensur etwas<br />

gelockert, aber diese Herrlichkeit hielt nicht lange an „und es wurde schlimmer gewirthschaftet<br />

als vorher“. 1<br />

[209] Die zeitweilige Lockerung der Zensur währte für die Zeit vom 24. Dezember 1841 bis<br />

zum 31. Januar 1843.<br />

Damit <strong>ein</strong>her geht auch noch <strong>ein</strong> anderer Umstand, auf den Johann Mader verweist.<br />

Hatte der Minister Altenst<strong>ein</strong> immer die Berufung der Hegelianer gefördert, so begann nun<br />

unter s<strong>ein</strong>em Nachfolger „der offizielle Kampf gegen den Hegelianismus an den Universitäten.<br />

Auch die Tatsache, daß Schelling 1841 nach Berlin berufen wurde, um die<br />

,Drachensaat‘ <strong>Hegels</strong> auszutilgen, ist <strong>ein</strong> deutliches Zeichen für <strong>Hegels</strong> bisherigen Einfluß auf<br />

das allgem<strong>ein</strong>e Zeitbewußts<strong>ein</strong> <strong>–</strong> und dafür, daß man nunmehr s<strong>ein</strong>en Einfluß nicht mehr<br />

schätzte“. 2<br />

Mader vertritt deshalb die Ansicht, daß dies häufig übersehen werde und dann zu <strong>ein</strong>er Fehl<strong>ein</strong>schätzung<br />

der Stellung <strong>Hegels</strong> in Preußen führe.<br />

Aber nicht nur in Preußen, auch in Sachsen und anderen deutschen Ländern hatte „<strong>ein</strong>e<br />

Reaction sondergleichen begonnen“. 3<br />

Zwar waren auch in Sachsen im Jahre 1844 Schriften, die <strong>ein</strong>e Umfang von zwanzig Bogen<br />

überstiegen, frei, d. h. sie brauchten der Zensur nicht vorgelegt werden, aber die Gefahr der<br />

Beschlagnahme war doch gegeben.<br />

Genau dies geschah auch mit <strong>Stirner</strong>s Werk. Durch <strong>ein</strong> ausgeklügeltes System jedoch, welches<br />

sich die Leipziger Verleger ersannen, sind den Behörden nur „noch 250 Exemplare in<br />

die Hände gefallen“. 4<br />

Die Beschlagnahme des „Einzigen“ wurde jedoch wenige Tage später wieder aufgehoben:<br />

„weil das Buch ,zu absurd‘ sei, um gefährlich zu s<strong>ein</strong>“. 5<br />

<strong>Stirner</strong> selbst verm<strong>ein</strong>t des Grundes der endgültigen Ersch<strong>ein</strong>ung s<strong>ein</strong>es Buches gewärtig zu<br />

s<strong>ein</strong>. Anders läßt sich [210] s<strong>ein</strong> selbstsicherer Ausspruch wohl nicht erklären:<br />

„Mag m<strong>ein</strong> Volk der Preßfreiheit entbehren, Ich suche Mir <strong>ein</strong>e List oder Gewalt aus, um zu<br />

drucken <strong>–</strong> die Druckerlaubnis hole ich Mir nur von <strong>–</strong> Mir und m<strong>ein</strong>er Kraft.“ 6<br />

Mackay sieht die Ursache, daß es <strong>Stirner</strong> „glänzend gelungen war“ 7 den Staat zu betrügen,<br />

darin, daß er „s<strong>ein</strong> Werk mit der vollen Vorsicht geschrieben hatte“. 8<br />

Dennoch: „In Preussen wurde der ,Einzige‘ übrigens noch vor Weihnachten, wie auch in<br />

Kurhessen und Mecklenburg-Schwerin, verboten und das Verbot ist, so weit festgestellt werden<br />

konnte, nie aufgehoben worden. Das hinderte natürlich nicht, dass die neue Ersch<strong>ein</strong>ung<br />

überall, besonders unter der studierenden Jugend, eifrig gelesen wurde und von Hand zu<br />

Hand ging, und auch hier wird die Klage von Savigny‘s, des Justizministers, beim König,<br />

sich bestätigt haben: dass die verbotenen Schriften gerade am Meisten verbreitet und gelesen<br />

würden, und dass die Verbote und Confiscationen also genau das Gegentheil ihrer beabsichtigten<br />

Wirkung hervorriefen.“ 9<br />

Im übrigen sei noch zu sagen, daß <strong>Max</strong> <strong>Stirner</strong> <strong>–</strong> mit Ausnahme der Zensurbehörde <strong>–</strong> „mit<br />

1 Ebd.<br />

2 Mader, J.: Von Hegel bis Marx. S. 13.<br />

3 Mackay: <strong>Stirner</strong>. S. 126.<br />

4 Ebd., S. 127.<br />

5 Ebd.<br />

6 EE 316.<br />

7 Mackay: <strong>Max</strong> <strong>Stirner</strong>. S. 127.<br />

8 Ebd.<br />

9 Ebd., S. 127 f.

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