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OCR-Texterkennung durch Max Stirner Archiv Leipzig, 11.07.2013<br />

wahrscheinlich, daß diese Schmuckart gerade durch die Frauen in Gebrauch kam. In Afrika,<br />

beim Stamm der Bongo, durchsticht sich jede Frau, wenn sie heiratet, die Unterlippe und führt<br />

ein Holzstäbchen ein. Andere bohren darüber hinaus Löcher in ihre Nasenflügel und stecken<br />

Strohhalme hinein. 1 Diese Sitte entstand wahrscheinlich bereits in einer Zeit, als die Bearbeitung<br />

der Metalle noch unbekannt war und als die Frauen, die die Männer nachzuahmen strebten,<br />

aber nicht das Recht hatten, sich mit Kriegs- oder Jagdtrophäen zu schmücken, metallischen<br />

Schmuck noch nicht kannten. Die Bearbeitung der Metalle gab den Anstoß zu einer neuen<br />

Periode in der Geschichte der Ornamentik. Der Metallschmuck verdrängte allmählich den<br />

Schmuck, der von der Jagd herstammte. 2 Männer und Frauen begannen Arme und Beine und<br />

ihren Hals mit metallischem Geschmeide zu bedecken. Die Federn, Stäbchen und Strohhalme,<br />

die man in Lippen, Nase und Ohren steckte, wurden durch metallene Ringe und Ohrgehänge<br />

ersetzt. Die Schönen des oben genannten Stammes Bongo ziehen sich nicht selten einen eisernen<br />

Ring durch die Nase, ähnlich wie es Europäer mit schwer zu zähmenden Stieren tun. 3 Solche<br />

Ringe tragen viele Frauen in Senegambien. 4 Was die eisernen Ohrgehänge betrifft, so tragen<br />

sie die Frauen des Stammes Bongo an den Ohren fast dutzendweise, indem sie zu diesem<br />

Zweck an verschiedenen Orten nicht nur das Ohrläppchen, sondern auch die Ohrmuschel<br />

durchstechen. „Man trifft auf Modedamen“, sagt Schweinfurth, „deren Körper auf diese Weise<br />

gleich an hundert Stellen geschmückt ist. Bei ihnen gibt es keine vorspringende Stelle des Körpers,<br />

gibt es kein Hautfältchen, an denen nicht zu diesem Zwecke eine Öffnung gemacht wäre.“<br />

5 Vom Nasenring ist [139] es nicht weit zum Ring, der durch die Unterlippe gezogen ist, d.<br />

h. zum Pelelé, von dem im ersten Briefe die Rede war. Als der alte Häuptling Makololo zu<br />

David und Charles Livingstone sagte, daß die Frauen seines Stammes das Pelelé wegen der<br />

Schönheit tragen, hatte er auf seine Art völlig recht, aber er konnte natürlich nicht erklären,<br />

weshalb der Ring, der durch die Unterlippe gezogen wird, von seinen Stammesgenossen für<br />

einen Schmuckgegenstand gehalten wurde. In Wirklichkeit erklärt sich das aus den Schönheitsempfindungen,<br />

die noch ein Erbe aus der eigentlichen Epoche des Jägerlebens sind und sich<br />

entsprechend dem neuen Zustand der Produktivkräfte verändert haben.<br />

Aus diesem Zustand erklärt sich nach meiner Meinung auch der Umstand, daß der Mann in<br />

dieser neuen Periode die Frau nicht mehr hindert, dieselben Schmuckstücke zu tragen, die er<br />

selbst trug. 6 Die in die Nase oder in die Ohrmuschel gesteckte Feder war ein Zeugnis der Ge-<br />

1 Schweinfurth, 1. c., I, p. 283/284. [„Im Herzen von Afrika“, Erster Teil, Leipzig 1874, S. 325.]<br />

2 Übrigens zeichnet sich dieser Schmuck durch eine große Lebensfähigkeit aus, wir finden ihn in den alten Zivilisationen<br />

des Ostens, in den Kostümen der Priester und Könige. So trugen die assyrischen Herrscher Kronen,<br />

die mit Federn geschmückt waren, und manche ägyptischen Priester bedeckten sich während des Gottesdienstes<br />

mit Tigerfellen.<br />

3 Schweinfurth, 1. c., I, p. 284. [Ebenda, S. 326.] Es ist bemerkenswert, daß es den schwarzen Modedamen anheimgestellt<br />

ist, in der Nase eiserne Ringe zu tragen, während das Tragen eines hölzernen Stübchens in der<br />

Unterlippe für alle Frauen des Stammes Bongo Pflicht ist. Schon daraus ist ersichtlich, daß die zweite Sitte älter<br />

ist als die erste.<br />

4 Bérenger-Féraud, „Les peuplades de la Sénégambie“, Paris 1879, p. 187.<br />

5 L. c., Bd. I, S. 284. [In der von uns herangezogenen Ausgabe (Leipzig 1874) finden sich lediglich folgende<br />

Worte: „kokette Bongofrauen“... „So gibt es wohl Frauen im Lande, die an mehr als hundert Stellen ihres Leibes<br />

durchlöchert erscheinen“ (S. 326).]<br />

6 Wenn im Stamme Makololo das Pelelé ein speziell weibliches Schmuckstück war, so sahen es die Livingstones<br />

an den Ufern des Flusses Rowumma auch in den Lippen der Männer („Explorations du Zambèze“, Paris<br />

1866, pp. 109/110). Das zeigt, daß der Häuptling Makololo sich täuschte, als er annahm, daß das Pelelé bei den<br />

Frauen den Schnurrbart ersetzen sollte. Die durch die Nasenscheidewand gezogenen Ringe werden ebenfalls<br />

nicht überall nur von den Frauen getragen, „so tragen zum Beispiel in manchen Gegenden des oberen Niger die<br />

Bewohner (beiden Geschlechts) –Sarakole, Bambara – oft metallene Ringe, die durch die Nasenscheidewand<br />

gezogen sind“ (Bérenger-Féraud, 1. c., p. 384). Die Liebe zu metallenen Schmuckstücken hat manchmal ziemlich<br />

unerwartete Folgen. In Afrika, beim Hirtenstamm der Herero, bedecken sich die Wohlhabenden die Beine<br />

mit Ringen aus Messingdraht, und „die Mode verlangt, daß man sich beim Gehen stark von einer Seite auf die<br />

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