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OCR-Texterkennung durch Max Stirner Archiv Leipzig, 11.07.2013 hen. 1 Andere Ursachen riefen die Verwendung anderer Farben hervor; manche [131] australischen Stämme schmieren sich zum Zeichen der Trauer um die Toten mit weißem Lehm ein. Nach einer interessanten Bemerkung von Grosse 2 ist Schwarz die Trauerfarbe bei den weißen Europäern und Weiß bei den schwarzen Australiern. Wodurch erklärt sich das? Ich glaube, durch folgendes: 3 Primitive Stämme sind gewöhnlich sehr stolz auf alle physischen Besonderheiten ihrer Rasse. 4 Die weiße Haut erscheint den schwarzhäutigen Völkern als sehr unschön. 5 Deshalb sind sie beim gewöhnlichen Gang des Lebens bestrebt, wie wir schon gesehen haben, das Schwarze ihrer Haut hervorzuheben, zu verstärken. Und wenn Trauer sie veranlaßt, sich weiß anzumalen, so muß man darin wahrscheinlich die Wirkung des uns schon bekannten Gesetzes der Antithese sehen. Man kann aber auch eine andere Annahme machen. Joest glaubt, daß sich der Mensch der Urgesellschaft nach dem Tode seines Angehörigen nur deshalb anmale, weil er vermeiden will, daß der Geist des verstorbenen Verwandten ihn erkenne, falls sich bei diesem der unzeitige Wunsch zeigen sollte, ihn ins Reich der Geister nach sich zu ziehen. 6 Wenn diese Annahme richtig ist, und es liegt gar nichts Unwahrscheinliches darin, so wird die weiße Farbe von den schwarzhäutigen Stämmen einfach deshalb vorgezogen, weil es das beste Mittel ist, sich unkenntlich zu machen. Wie dem auch sei, unzweifelhaft wird das Einschmieren der Haut sehr bald kompliziert durch ihre Bemalung. 7 Und selbst das Einschmieren ist nicht mehr eine so einfache Sache, wie sie es ursprünglich war. In Afrika betrachten es einige Negerstämme als zum guten Ton gehörig, den Kör-[132]per mit einer ganzen Schicht Butter einzuschmieren. Diese Stämme treiben Viehzucht 8 ; andere ziehen es vor, für denselben Zweck in Asche verwandelten Kuhmist und Kuhharn zu verwenden. Butter, Kot und Harn erscheinen hier als Aushang des Reichtums, 1 „The fights are sometimes witnessed by... the women and the children. The presence of the females may be supposed probably to inspire the belligerents with courage and incite them to deeds of daring.“ [„Die Kämpfe spielen sich manchmal vor den Augen ... der Frauen und Kinder ab. Man hält die Gegenwart der Weiber offensichtlich für geeignet, den Kämpfenden Mut einzuflößen und sie zu Heldentaten anzuspornen.“] Eyre, 1. c., p. 223. „Les usages veulent aussi qu’avant de prendre une femme le jeune caffre ait accompli certains actes de courage ou ait reçu le baptême du sang: tant que sa sagaie n’a pas été lavée avec du sang de l’ennemi, il ne peut se marier; de là la véritable frénésie qui porta les guerriers zoulous jusque sur la gueule des canons anglais lors de la dernière guerre et leur fit commettre des actes d’une audace et d’une témérité incomparables.“ [„Die Sitte verlangt außerdem, daß der junge Kaffer, ehe er eine Frau nimmt, gewisse Mutproben bestanden oder die Bluttaufe empfangen habe: So kann er nicht heiraten, bevor er seinen Speer in Feindesblut getaucht hat; daher die ausgesprochene Raserei, die die Zulukrieger im letzten Kriege bis vor die Mündungen der englischen Geschütze trug und sie Taten von unvergleichlicher Kühnheit und Verwegenheit vollbringen ließ.“] „Du Cap au Lac Nyassa“ par Edouard Foà, Paris 1897, pp. 81/82. 2 [Grosse, „Die] Anfänge der Kunst“, S. 54. 3 „Il est notoire que presque sur tous les points du globe, les mères cherchent, par des moyens externes, à rendre les plus marqus possible, chez leurs enfants, les signes de leur nationalité.“ Schweinfurth, 1. c., II, p. 256 [„... unter den verschiedensten Völkern der Erde wiederholt sich die Erfahrung, daß die Mütter immer bestrebt sind, einen vermeintlichen Rassenvorzug... durch äußere Mittel zu unterstützen“; „Im Herzen von Afrika“, Leipzig 1918, S. 140.] 4 [Siehe unten: „Variante zu S. 53“ auf S. 150.] 5 „Wollt ihr solche Männer haben?“ fragte Burtons Dolmetscher die Negerinnen, und zeigte auf seine weißen Reisebegleiter. „Solche Scheusale, pfui!“ gaben sie zur Antwort. Das war eine einmütige Antwort, die immer von Gelächter begleitet war, fügt Burton hinzu („Voyage etc.“, p. 58). 6 Gen. Werk [Joest, „Tätowieren...“ etc.], S. 22. 7 „Die Oyampi in Südamerika lieben es, nicht nur sich selbst rot und gelb zu bemalen, sie bemalen auch ihre Hunde und die zahmen Affen.“ Ratzel, „Völkerkunde“, [1. Auflage,] II, S. 568. [An der angegebenen Stelle heißt es: „Bei den Oyampi kommt Rotfärbung des ganzen Körpers vor, gemischt mit schwarzen Tupfen, die an die Zeichnung des Jaguarfelles erinnern... Die Mütter malen, nachdem sie den eignen Körper geschmückt, ihre Kinder an. Ebenso werden Hunde und zahme Affen bemalt. Besonders beliebt ist auch die Bemalung mit goldgelbem Ocker oder grell rotgelbem Bixasaft (Urukú).“] 8 „Une couche de beurre fondu... fait l’orgueil des puissants et des belles.“ [„Eine Schicht zerlassener Butter ... ist der Stolz der Starken und Schönen.“] „Voyage aux grands lacs de l’Afrique Orientale“ par le capitaine Burton, p. 265. 64

OCR-Texterkennung durch Max Stirner Archiv Leipzig, 11.07.2013 denn diese Art, sich einzuschmieren, ist nur Viehhaltern zugänglich. 1 Möglicherweise sind Butter und Kuhmist ein besserer Schutz für die Haut als Baumasche. Ist das wirklich so, dann vollzieht sich der Übergang von der Asche zur Butter und zum Kuhmist bei der Entwicklung der Viehzucht unter dem Einfluß rein utilitaristischer Erwägungen. Wenn er sich einmal vollzogen hatte, [dann] regte der mit Butter oder mit Kuhmistasche eingeschmierte Körper das Schönheitsgefühl der Menschen in angenehmerer Weise an als ein Körper, der mit Baumasche eingeschmiert war. Das ist aber noch nicht alles. Wenn ein Mensch seinen Körper mit Butter oder Mist einschmierte, führte er seinen Nächsten anschaulich vor Augen, daß er einer gewissen Wohlhabenheit nicht entbehrt. Der prosaische Genuß, ihnen diesen Beweis zu liefern, ging hier offenbar ebenfalls dem ästhetischen Genuß voran, an seinem Körper eine Schicht Mist oder Butter zu sehen. Aber der urgesellschaftliche Mensch beschmiert und bemalt seinen Körper nicht nur. Er ritzt sich auch gewisse, oft äußerst verzwickte Muster ein; er tätowiert sich und tut das mit dem offensichtlichen Ziel der Verschönerung seiner Person. Kann man sagen, die Beziehung zum Gegenstande vom Gesichtspunkt des Nutzens sei auch bei der Tätowierung der Beziehung zu ihm vom Gesichtspunkt des ästhetischen Genusses vorausgegangen? Sie wissen natürlich, geehrter Herr, es gibt zwei Arten von Tätowierung: 1. die Tätowierung im eigentlichen Sinne dieses Wortes und 2. die Schmückung der Haut mittels Narben. Eigentlich heißt Tätowierung die Einführung gewisser Farbstoffe in die Haut auf mechanischem Wege; diese Farbstoffe, in einer bestimmten Anordnung angebracht, bilden eine mehr oder weniger unvergängliche Zeichnung. 2 Die Verzierung der Haut mittels Narben, die durch Einschnitte oder durch Einbrennen hervorgebracht werden, wird manchmal, im Unterschied zur Tätowierung, mit dem australischen Worte Manka bezeichnet. 3 Die Stämme, die das Anbringen von Narben praktizieren, üben meistens die Tätowierung nicht aus, und [133] umgekehrt. Aber warum ziehen diese Stämme die Anbringung von Narben vor, andere die Tätowierung? Das ist leicht zu verstehen, wenn man berücksichtigt, daß die Anbringung von Narben bei dunkelhäutigen und die eigentliche Tätowierung bei hellhäutigen Völkern verbreitet ist. In der Tat, wenn man die Haut des Negers aufritzt und dann ihr Zusammenheilen künstlich verzögert, so daß eine Eiterung entsteht, dann wird das während der Eiterung zerstörte Pigment nicht wiederhergestellt, und schließlich bilden sich weiße Narben. 4 Solche Narben, die auf der schwarzen Haut stark hervortreten, geben die Möglichkeit, sich mit allerlei Mustern zu verzieren. Deshalb können sich die schwarzhäutigen Stämme mit der Anbringung von Narben begnügen, um so mehr, als die Muster, die mittels der Tätowierung erzielt werden, auf der schwarzen Haut nicht so gut hervortreten. Die hellhäutigen Stämme befinden sich in einer anderen Lage. Auf ihrer Haut sind die Narben bei weitem nicht so effektvoll, dafür aber eignet sie sich mehr für die Tätowierung. Hier kommt es also ganz auf die Hautfarbe an. Dieser Umstand erklärt uns jedoch noch nicht die Herkunft der Sitten des Manka und der Tätowierung. Warum hatten es die dunkelhäutigen Stämme nötig, ihre Haut mit Narben zu schmücken, und warum fanden es die hellhäutigen Stämme notwendig, sich zu tätowieren? 5 1 Schweinfurth sagt, daß sich arme Schelluken mit Baumasche, wohlhabende Leute aber mit Kuhmist einschmieren (.Au cœur de l’Afrique“. t. I, p. 82). [„Im Herzen von Afrika“, Erster Teil, Leipzig 1874, S. 82.] 2 Vgl. F. Joest, gen. Werk, S. 8. 3 Vgl. den Bericht von M. Haberlandt „Über die Verbreitung und den Sinn der Tätowierung“ im fünfzehnten Band der „Mitteil[ungen] der anthrop[ologischen] Gesellschaft in Wien“. 4 Siehe die Erklärungen von Langers’ auf der Monatsversammlung der Wiener anthropologischen Gesellschaft am 10. Februar 1885 („Mitteilungen der anthrop[ologischen] Gesellschaft in Wien“). 5 Der Kürze halber will ich in der weiteren Darlegung den Ausdruck Tätowierung zur Bezeichnung beider Arten der Hautverzierung gebrauchen und zur genaueren Terminologie nur da greifen, wo es zur Vermeidung von Mißverständnissen notwendig ist. 65

OCR-Texterkennung durch Max Stirner Archiv Leipzig, 11.07.2013<br />

denn diese Art, sich einzuschmieren, ist nur Viehhaltern zugänglich. 1 Möglicherweise sind<br />

Butter und Kuhmist ein besserer Schutz für die Haut als Baumasche. Ist das wirklich so, dann<br />

vollzieht sich der Übergang von der Asche zur Butter und zum Kuhmist bei der Entwicklung<br />

der Viehzucht unter dem Einfluß rein utilitaristischer Erwägungen. Wenn er sich einmal<br />

vollzogen hatte, [dann] regte der mit Butter oder mit Kuhmistasche eingeschmierte Körper<br />

das Schönheitsgefühl der Menschen in angenehmerer Weise an als ein Körper, der mit Baumasche<br />

eingeschmiert war. Das ist aber noch nicht alles. Wenn ein Mensch seinen Körper mit<br />

Butter oder Mist einschmierte, führte er seinen Nächsten anschaulich vor Augen, daß er einer<br />

gewissen Wohlhabenheit nicht entbehrt. Der prosaische Genuß, ihnen diesen Beweis zu liefern,<br />

ging hier offenbar ebenfalls dem ästhetischen Genuß voran, an seinem Körper eine<br />

Schicht Mist oder Butter zu sehen.<br />

Aber der urgesellschaftliche Mensch beschmiert und bemalt seinen Körper nicht nur. Er ritzt<br />

sich auch gewisse, oft äußerst verzwickte Muster ein; er tätowiert sich und tut das mit dem<br />

offensichtlichen Ziel der Verschönerung seiner Person. Kann man sagen, die Beziehung zum<br />

Gegenstande vom Gesichtspunkt des Nutzens sei auch bei der Tätowierung der Beziehung zu<br />

ihm vom Gesichtspunkt des ästhetischen Genusses vorausgegangen?<br />

Sie wissen natürlich, geehrter Herr, es gibt zwei Arten von Tätowierung: 1. die Tätowierung im<br />

eigentlichen Sinne dieses Wortes und 2. die Schmückung der Haut mittels Narben. Eigentlich<br />

heißt Tätowierung die Einführung gewisser Farbstoffe in die Haut auf mechanischem Wege;<br />

diese Farbstoffe, in einer bestimmten Anordnung angebracht, bilden eine mehr oder weniger<br />

unvergängliche Zeichnung. 2 Die Verzierung der Haut mittels Narben, die durch Einschnitte<br />

oder durch Einbrennen hervorgebracht werden, wird manchmal, im Unterschied zur Tätowierung,<br />

mit dem australischen Worte Manka bezeichnet. 3 Die Stämme, die das Anbringen von<br />

Narben praktizieren, üben meistens die Tätowierung nicht aus, und [133] umgekehrt. Aber warum<br />

ziehen diese Stämme die Anbringung von Narben vor, andere die Tätowierung? Das ist<br />

leicht zu verstehen, wenn man berücksichtigt, daß die Anbringung von Narben bei dunkelhäutigen<br />

und die eigentliche Tätowierung bei hellhäutigen Völkern verbreitet ist. In der Tat, wenn<br />

man die Haut des Negers aufritzt und dann ihr Zusammenheilen künstlich verzögert, so daß<br />

eine Eiterung entsteht, dann wird das während der Eiterung zerstörte Pigment nicht wiederhergestellt,<br />

und schließlich bilden sich weiße Narben. 4 Solche Narben, die auf der schwarzen Haut<br />

stark hervortreten, geben die Möglichkeit, sich mit allerlei Mustern zu verzieren. Deshalb können<br />

sich die schwarzhäutigen Stämme mit der Anbringung von Narben begnügen, um so mehr,<br />

als die Muster, die mittels der Tätowierung erzielt werden, auf der schwarzen Haut nicht so gut<br />

hervortreten. Die hellhäutigen Stämme befinden sich in einer anderen Lage. Auf ihrer Haut<br />

sind die Narben bei weitem nicht so effektvoll, dafür aber eignet sie sich mehr für die Tätowierung.<br />

Hier kommt es also ganz auf die Hautfarbe an.<br />

Dieser Umstand erklärt uns jedoch noch nicht die Herkunft der Sitten des Manka und der<br />

Tätowierung. Warum hatten es die dunkelhäutigen Stämme nötig, ihre Haut mit Narben zu<br />

schmücken, und warum fanden es die hellhäutigen Stämme notwendig, sich zu tätowieren? 5<br />

1 Schweinfurth sagt, daß sich arme Schelluken mit Baumasche, wohlhabende Leute aber mit Kuhmist einschmieren<br />

(.Au cœur de l’Afrique“. t. I, p. 82). [„Im Herzen von Afrika“, Erster Teil, Leipzig 1874, S. 82.]<br />

2 Vgl. F. Joest, gen. Werk, S. 8.<br />

3 Vgl. den Bericht von M. Haberlandt „Über die Verbreitung und den Sinn der Tätowierung“ im fünfzehnten<br />

Band der „Mitteil[ungen] der anthrop[ologischen] Gesellschaft in Wien“.<br />

4 Siehe die Erklärungen von Langers’ auf der Monatsversammlung der Wiener anthropologischen Gesellschaft<br />

am 10. Februar 1885 („Mitteilungen der anthrop[ologischen] Gesellschaft in Wien“).<br />

5 Der Kürze halber will ich in der weiteren Darlegung den Ausdruck Tätowierung zur Bezeichnung beider Arten<br />

der Hautverzierung gebrauchen und zur genaueren Terminologie nur da greifen, wo es zur Vermeidung von<br />

Mißverständnissen notwendig ist.<br />

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