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erschien nennen menschenähnlichen

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OCR-Texterkennung durch Max Stirner Archiv Leipzig, 11.07.2013<br />

sprünglich keinen Einfluß auf die gegenseitigen Beziehungen der Menschen, da dieser Glaube<br />

nicht mit der Erwartung einer Bestrafung schlechter und einer Belohnung guter Handlungen<br />

verbunden ist. Nur allmählich assoziiert er sich mit der praktischen Moral der Menschen<br />

der Urgesellschaft. Die Menschen fangen, sagen wir, an zu glauben, wie beispielsweise die<br />

Bewohner der Inseln der Torresstraße, daß die Seelen der tapfersten Krieger im Jenseits ein<br />

glücklicheres Dasein führen als die Seelen der einfachen Menschen. Dieser Glaube übt einen<br />

ganz unzweifelhaften und mitunter außerordentlich starken Einfluß auf das Verhalten der<br />

Gläubigen aus. Und in diesem Sinne ist die Religion der Urvölker ein unzweifelhafter „Faktor“<br />

der gesellschaftlichen Entwicklung; allein, die ganze praktische Bedeutung dieses Faktors<br />

hängt davon ab, welche Handlungen eben durch jene Regeln der praktischen Vernunft<br />

vorgeschrieben werden, mit denen sich die animistischen Vorstellungen assoziieren, und das<br />

wird ganz und gar bedingt durch die gesellschaftlichen Verhältnisse, die auf einer gegebenen<br />

ökonomischen Grundlage entstehen. 1 Also, wenn die Religion [126] der Urvölker die Bedeutung<br />

eines Faktors der gesellschaftlichen Entwicklung gewinnt, so wurzelt diese ihre Bedeutung<br />

völlig in der Ökonomik. 2<br />

Deshalb untergraben die Tatsachen, die zeigen, daß sich die Entwicklung der Kunst häufig unter<br />

dem starken Einfluß der Religion vollzog, in keiner Weise die Richtigkeit der materialistischen<br />

Geschichtsauffassung. Ich hielt es für notwendig, Sie, geehrter Herr, darauf aufmerksam<br />

zu machen, weil Leute, die das vergessen, ein Opfer der komischsten Mißverständnisse werden<br />

und durch die Bank die Rolle des Don Quijote spielen, der mit Windmühlen kämpfte.<br />

Ich will noch auf folgendes hinweisen: Die erste dauernde Teilung der gesellschaftlichen Arbeit<br />

ist ihre Teilung zwischen Männern und Frauen in der Urgesellschaft. Während die Männer sich<br />

mit Jagd und Krieg beschäftigen, fällt den Frauen das Sammeln von Früchten und Wurzeln<br />

wilder Pflanzen (und von Muscheln), die Pflege der Kinder und überhaupt die ganze Sorge um<br />

die Hauswirtschaft zu. Diese Arbeitsteilung spiegelt sich auch in den Tänzen wider: jedes Geschlecht<br />

hat seine besonderen Tänze, gemeinsam tanzen beide Geschlechter nur bei seltenen<br />

Gelegenheiten. Von den Steinen bemerkt bei der Beschreibung der Feste der brasilianischen<br />

Indianer. daß die Frauen an den diese Feste begleitenden Jagdtänzen nicht teilnehmen, weil die<br />

Jagd keine Beschäftigung für Frauen ist. 3 Das ist völlig richtig, und es ist hinzuzufügen, daß die<br />

Frauen nach einer Bemerkung desselben Steinen, während solcher Feste mehr als sonst mit der<br />

Hauswirtschaft beschäftigt sind, indem sie die Bewirtung der Gäste bereiten. 4<br />

Ich habe gesagt, daß sich die animistischen Vorstellungen nur allmählich mit der Moral der<br />

Naturvölker assoziieren. Gegenwärtig ist das eine allbekannte Tatsache 5 .<br />

1 Wahrscheinlich hatte diesen Umstand Emile Burnouf im Auge, als er sagte: [126] „Si la morale des nations est<br />

un produit de leurs mœurs, comme cela est incontestable, il faut donc voir dans l’état social de l’homme une<br />

cause de diversité religieuse“ (aus dem Heft herausschreiben). – Im Heft Nr. 38 des Archivs G. W. Plechanows<br />

steht der Schluß dieses Zitates aus Burnouf: „puisque les mœurs sont engendrées par l’état social.“ [„Wenn die<br />

Moral der Völker ein Produkt ihrer Sitten ist, was sich wohl nicht bestreiten läßt, so muß man folglich in der<br />

sozialen Lage des Menschen eine Ursache der Verschiedenheit der Religionen sehen [...] da die Sitten ein Produkt<br />

der sozialen Lage sind.“] Siehe Burnouf, „La science des religions“, Paris 1872, p. 287. Die Red.<br />

2 Ich will indes bemerken, daß ich mich in diesem Falle sehr ungern des Terminus Faktor bediene. Streng genommen,<br />

gibt es nur einen Faktor der historischen Entwicklung, nämlich den gesellschaftlichen Menschen, der<br />

so oder so handelt, denkt, fühlt und glaubt, je nachdem, wie sich nach Maßgabe der Entwicklung seiner Produktivkräfte<br />

seine Ökonomik gestaltet. In ihren Disputen über die historische Bedeutung der verschiedenen Faktoren<br />

haben die Disputierenden sich selbst oft unbewußt abstrakte Begriffe hypostasiert.<br />

3 L. c., S. 298.<br />

4 [Zu dieser Stelle gibt es mehrere Varianten, von denen wir zwei anführen. Siehe unten, S. 148/149 des vorl.<br />

Bandes: „Varianten zu S. 36 bis – 37.“]<br />

5 Siehe hierüber in „Kultur der Naturvölker“ von Tylor 6* und bei Marillier 7* : „La survivance de l’âme et l’idée<br />

dc justice chez les peuples non civilisés“, Paris MDCCCXCIV. – 6* Nach Angabe des Kommentators in Bd. III<br />

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