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OCR-Texterkennung durch Max Stirner Archiv Leipzig, 11.07.2013<br />

[123] So sind die Kriegstänze der von der Jagd lebenden Naturvölker künstlerische Werke,<br />

die jene Gefühle und jene Ideale zum Ausdruck bringen, die sich bei ihnen mit Notwendigkeit<br />

und natürlicherweise aus der ihnen eigenen Lebensweise entwickeln mußten. Und da ihre<br />

Lebensweise durchaus bestimmt wird durch den Stand ihrer Prod[uktiv]kräfte 1 , müssen wir<br />

zugeben, daß durch den Stand dieser Kräfte letzten Endes auch der Charakter ihrer<br />

Kriegstänze bedingt wird. Das ist um so offensichtlicher, als bei ihnen, wie ich schon sagte,<br />

jeder Krieger zugleich auch Jäger ist und im Kriege dieselbe Waffe ben[utzt] wie auf der<br />

Jagd.<br />

In engstem Kausalzusammenhang mit der Lebensweise der von der Jagd lebenden Stämme<br />

stehen auch die Beschwörungstänze und die Begräbnistänze. Der im Urzustande lebende<br />

Mensch glaubt an die Existenz mehr oder weniger zahlreicher Geister, aber alle seine Beziehungen<br />

zu diesen übernatürlichen Kräften beschränken sich auf Versuche verschiedener Art,<br />

sie zu seinem Nutzen auszubeuten. 2 Um diesen oder jenen Geist für sich günstig zu stimmen,<br />

ist der Wilde bestrebt, ihm irgend etwas Angenehmes zu erweisen. Er kauft seine Gunst<br />

durch eine leckere Speise [124] („Opfergabe“) und tanzt ihm zu Ehren die Tänze, die ihm<br />

selbst das größte Vergnügen bereiten. In Afrika führen die Neger, wenn es ihnen glückt, einen<br />

Elefanten zu töten, häufig um ihn herum einen Tanz zu Ehren der Geister auf. 3 Der Zusammenhang<br />

solcher Tänze mit der Lebensweise als Jäger versteht sich von selbst. Ebenso<br />

aber unwiderstehlich vorwärts; die Stimmen hoben und senkten sich in rauschenden Schallwellen, die Speere<br />

stiegen in die Höhe und sanken wieder herab und die zahllosen blanken eisernen Spitzen blitzten, wenn sie nach<br />

dem Takt des dumpfen, aufregenden Geräusches der Trommeln empor und wieder abwärts stiegen. Die Stimmen<br />

und das Getöse der Trommeln hielten sich genau im Takt, das Heben und Senken der beständig in wirbelnder<br />

Bewegung gehaltenen Speerspitzen erfolgte gleichzeitig und unter gleichmäßigen Körperbewegungen, und<br />

der harte, feste Boden widerhallte zitternd von dem Getöse, als das enorme Gewicht von 70 Tonnen Menschenfleisch<br />

mit regelmäßigem stampfenden Schritt zugleich die Erde berührte. Entsprechend diesen Bewegungen<br />

hoben und senkten sich die tausend Köpfe, sich aufrichtend bei den kraftvollen, wuchtigen Schallwellen, herabsinkend<br />

bei dem gedämpften, klagenden Murmeln der Menge. Als sie, um der zunehmenden Wucht der Stimmen<br />

die größte Wirkung zu geben, das Gesicht in die Höhe gerichtet und den Kopf zurückgebeugt, ihr Geschrei<br />

ausstießen, das unauslöschliche Wut, Haß und vernichtenden Krieg andeuten sollte, schien jede Seele von der<br />

Leidenschaft der todbringenden Schlacht ergriffen zu sein, die Augen der Zuschauer erglänzten und die Menge<br />

erhob drohend die geballten Fäuste, als ob ihr Inneres von den kriegerischen Tönen erbebte. Und [123] als die<br />

Krieger die Köpfe senkten und zur Erde beugten, schien man den Todeskampf, den Jammer und das Elend des<br />

Krieges zu fühlen, an die Tränen und das Wehklagen der Witwen, das Weinen der vaterlosen Waisen, an zerstörte<br />

Heimstätten und vernichtete Ländereien zu denken... Es war jedenfalls eins der schönsten und aufregendsten<br />

Schauspiele, welche ich in Afrika gesehen habe.“ (Stanley, „Im dunkelsten Afrika“, Leipzig 1890, I. Bd., S.<br />

408-410.)] – Weitere 8 Zeilen sind im Text gestrichen, deren Fortsetzung, ebenfalls gestrichen, sich auf der<br />

Rückseite von Seite 44 des Manuskripts, numeriert mit Ziffer 19, befindet (siehe die doppelte Numerierung von<br />

Seite 23). Wir führen diese Stelle an:<br />

„Die Kriegstänze der Naturvölker sind eine wahre Schule des Kriegswesens. Und obgleich der Krieg der Naturvölker<br />

sich sehr nahe mit der Jagd der Naturvölker berührt, kann der Krieg doch nicht eine produktive Betätigung<br />

genannt werden. Deshalb, geehrter Herr, ist es nicht ganz unbegründet, wenn Sie mir sagen, daß in diesem<br />

Falle sowohl die Entstehung des Tanzes als auch sein Charakter außerhalb jedes ursächlichen Zusammenhanges<br />

mit den Produktivkräften der Urgesellschaft stehe und auch mit ihrer Ökonomik.<br />

Ist es aber wirklich so? Es wäre so, wenn der Krieg selbst sich nicht in ursächlichem Zusammenhang mit der<br />

Ökonomik befände; in Wirklichkeit unterliegt dieser Zusammenhang jedoch nicht dem geringsten Zweifel, und<br />

deshalb...<br />

Jeder Krieg ist ein feindlicher Zusammenstoß zweier nicht voneinander abhängiger politischer Organismen.<br />

Manchmal...“ Red. L. N.<br />

1 Ausgestrichen sind die Worte: „... läßt sich unschwer der ursächliche Zusammenhang aufzeigen, der zwischen<br />

dem Stand dieser Kräfte einerseits und den Kriegs ...“ Red. L. N.<br />

2 Eine solche Beziehung ist oft auch bei den afrikanischen Negern anzutreffen, die sich in kultureller Hinsicht<br />

jedoch bereits bedeutend über die im eigentlichen Sinne des Wortes von der Jagd lebenden Völker erhoben haben.<br />

Ein Schweiz[er] Missionar charakterisiert die „Religion“ der afrikanischen Neger vom Stamme der Guamba folgendermaßen:<br />

„Le système se tient d’une façon etc. [„Das System hält sich auf eine Weise usw.“]“, p. 59.<br />

3 „Voyages et aventures dans l’Afrique équatoriale“ par Paul du Chaillu, Paris 1863, p. 306.<br />

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