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OCR-Texterkennung durch Max Stirner Archiv Leipzig, 11.07.2013<br />

überall mit der Bemalung des Körpers. Er hat keine einzige Tatsache angeführt – ja, natürlich,<br />

er konnte auch keine anführen –‚ die uns auf den Gedanken bringen könnte, die Bemalung<br />

des Körpers oder die Tätowierung sei der Herstellung einer primitiven Waffe oder primitiver<br />

Arbeitswerkzeuge vorausgegangen. Bei einigen Botokuden-[113]stämmen ist der<br />

hauptsächlichste der nicht zahlreichen körperlichen Schmuckgegenstände ihre berühmte<br />

Botoka, d. h. ein Stück Holz, das in die Lippe eingesetzt wird. 1 Es wäre im höchsten Grade<br />

seltsam, anzunehmen, dieses Stück Holz habe den Botokuden eher geziert, als er zu jagen<br />

oder wenigstens mit Hilfe eines zugespitzten Pfahls die Wurzeln der zur Nahrung dienenden<br />

Pflanzen auszugraben gelernt hat. Von den Australiern sagt R. Semon, daß bei ihnen viele<br />

Stämme überhaupt keine Schmuckgegenstände besitzen. 2 Das stimmt wahrscheinlich nicht<br />

ganz; in Wirklichkeit verwenden wahrscheinlich alle australischen Stämme diese oder jene,<br />

wenn auch recht einfache und nicht zahlreiche, Schmuckgegenstände. Aber auch hier kann<br />

man wiederum nicht annehmen, daß diese einfachen und nicht zahlreichen Schmuckgegenstände<br />

bei dem Australier früher aufkamen und in seiner Tätigkeit einen größeren Raum einnahmen<br />

als die Sorge um den Lebensunterhalt und die ihr entsprechenden Arbeitswerkzeuge,<br />

d. h. die Waffe und die zugespitzten Pfähle, die der Gewinnung der Pflanzennahrung dienen.<br />

Die Brüder Sarasin glauben, daß bei den Ur-Weddas, die noch nicht den Einfluß einer ihnen<br />

fremden Kultur erfahren hatten, weder die Männer noch die Frauen noch die Kinder irgendwelche<br />

Schmuckgegenstände kannten, und daß man noch heutzutage in gebirgigen Gegenden<br />

Weddas antrifft, die sich durch völliges Fehlen von Schmuck auszeichnen. 3 Solche Weddas<br />

durchstechen sich nicht einmal die Ohren, und doch ist auch ihnen schon der Gebrauch der<br />

Waffe bekannt, die sie auch selbst herstellen. Es ist klar, daß bei diesen Weddas das verarbeitende<br />

Gewerbe, das auf die Herstellung der Waffe gerichtet ist, dem verarbeitenden Gewerbe<br />

vorausging, das auf die Anfertigung von Schmuckgegenständen gerichtet ist.<br />

Allerdings, auch sehr primitive Jäger, zum Beispiel die Buschmänner und Australier, befassen<br />

sich mit Malerei: es gibt bei ihnen richtige Gemäldegalerien, auf die ich in anderen Briefen<br />

zu sprechen kommen werde. 4 Die Tschuktschen und die Eskimos zeichnen sich durch<br />

ihre Bildhauer- und Schnitzereiarbeiten aus. 5 Durch nicht weniger künstlerische [114] Neigungen<br />

zeichneten sich die Stämme aus, die Europa in der Epoche des Mammuts besiedelten.<br />

6 Das sind alles sehr wichtige Tatsachen, die kein Kunsthistoriker ignorieren darf. Aber<br />

woraus folgt denn, daß bei den Australiern, den Buschmännern, den Eskimos oder bei den<br />

Zeitgenossen des Mammuts die künstlerische Tätigkeit der Erzeugung nützlicher Gegenstände<br />

vorausgegangen ist; daß bei ihnen die Kunst „älter“ war als die Arbeit? Das folgt absolut<br />

aus gar nichts. Ganz im Gegenteil. Der Charakter der künstlerischen Tätigkeit des Jägers der<br />

Urzeit legt ganz unzweideutig Zeugnis davon ab, daß die Erzeugung nützlicher Gegenstände<br />

und überhaupt die wirtschaftliche Tätigkeit der Entstehung der Kunst vorausging und ihr den<br />

deutlichsten Stempel aufdrückte. Was stellen die Zeichnungen der Tschuktschen dar? – Ver-<br />

1 Waitz, „Anthropologie der Naturvölker“, dritter Teil, S. 446.<br />

2 [R. Semon,] „Im australischen Busche und an den Küsten des Korallenmeeres“ Leipzig 1896, S. 223.<br />

3 [P. und F. Sarasin,] „Die Weddas von Ceylon“, S. 395.<br />

4 Über die Zeichnungen der Australier siehe Waitz, „Anthropologie der Naturvölker“, sechster Teil, S. 759 ff.,<br />

vgl. auch den interessanten Artikel von R. H. Mathews, „The Rock Pictures of the Australian Aborigines“, in<br />

„Proceedings and Transactions of the Queensland Branch of the Royal Geographical Society of Australia“, vv.<br />

X and XI. Über die Malerei der Buschmänner siehe das von mir bereits zitierte Werk von Fritsch über die Eingeborenen<br />

Südafrikas, Bd. I, S. 425-427.<br />

5 Siehe „Die Umsegelung Asiens und Europas auf der ‚Vega‘“ von A. E. Nordenskjöld, Leipzig 1880, Bd. I, S.<br />

463, u. Bd. II, S. 125, 127, 129, 135, 141, 231.<br />

6 Vgl. „Die [Natur- und] Urgeschichte des Menschen nach dem heutigen Stande der Wissenschaft“ von Dr. M.<br />

Hoernes, erster Halbband, S. 191 ff., 213 ff. – Nicht wenige hierher gehörige Tatsachen wurden angegeben von<br />

Mortillet in seinem Buche „Le Préhistorique“.<br />

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