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erschien nennen menschenähnlichen

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OCR-Texterkennung durch Max Stirner Archiv Leipzig, 11.07.2013<br />

Meine zweite Bemerkung besteht in folgendem: Bei vielen Naturvölkern hat jedes Familienmitglied<br />

sein bewegliches Eigentum, auf das keines der übrigen Familienmitglieder auch nur<br />

das geringste Recht hat und auf das es gewöhnlich keinerlei Anspruch erhebt. Häufig kommt<br />

es vor, daß die einzelnen Mitglieder einer großen Familie sogar abgesondert voneinander<br />

leben, und zwar in kleinen Hütten. Bücher sieht darin eine Erscheinung des extremsten Individualismus.<br />

Er würde anderer Meinung sein, kennte er die Verhältnisse der großen Bauernfamilien,<br />

die in unserem Großrußland einst so zahlreich waren. In solchen Familien war die<br />

Wirtschaftsgrundlage rein kommunistisch; aber das hinderte die einzelnen Mitglieder, zum<br />

Beispiel die „Weiber“ und „Mädchen“, nicht, ihre eigene bewegliche Habe zu besitzen, die<br />

vor Eingriffen von seiten selbst der despotischsten „Herren“ durch den Brauch stark geschützt<br />

war. Für die verheirateten Mitglieder solcher großen Familien wurden nicht selten auf<br />

dem gemeinsamen Hofe besondere Häuschen gebaut (im Gouvernement Tambow nannte<br />

man sie Chatki).<br />

Es ist sehr wohl möglich, daß Sie diese Ausführungen über die primitive Wirtschaft schon<br />

längst langweilen. Aber Sie werden es doch nicht ablehnen, zuzugeben, daß ich auf sie einfach<br />

nicht verzichten konnte. Wie ich schon oben bemerkt habe, ist die Kunst eine gesellschaftliche<br />

Erschei-[112]nung; und wäre der Wilde wirklich ein ausgemachter Individualist,<br />

so würden wir uns vergeblich fragen, welches seine Kunst war; wir würden bei ihm kein<br />

Merkmal künstlerischer Tätigkeit entdecken. Zweifellos ist diese Tätigkeit jedoch vorhanden:<br />

die primitive Kunst ist durchaus kein Mythos. Schon diese Tatsache allein kann als überzeugende,<br />

wenn auch indirekte Widerlegung der Ansicht Büchers über die „primitive Wirtschaftsordnung“<br />

dienen.<br />

Bücher wiederholt oft, daß „die Nahrungssorge des ewigen Wanderlebens den Menschen<br />

vollständig in Anspruch nahm und neben sich selbst diejenigen Gefühle nicht aufkommen<br />

ließ, welche wir als die natürlichsten ansehen...“ 1 Und derselbe Bücher ist, wie Sie bereits<br />

wissen, fest davon überzeugt, daß der Mensch unermeßliche Zeitabschnitte hindurch gelebt<br />

hat, ohne zu arbeiten, und daß es auch heutzutage noch viele Gegenden gibt, deren geographische<br />

Bedingungen es dem Menschen erlauben, bei einem minimalen Aufwand an Anstrengungen<br />

zu existieren. Dazu gesellt sich bei unserem Autor noch die Überzeugung, die<br />

Kunst sei älter als die Erzeugung nützlicher Gegenstände, ähnlich wie das Spiel älter sei als<br />

die Arbeit. Es ergibt sich:<br />

erstens, daß der primitive Mensch seine Existenz unterhielt um den Preis geringfügigster Anstrengungen;<br />

zweitens, daß diese geringfügigen Anstrengungen den primitiven Menschen nichtsdestoweniger<br />

völlig in Anspruch genommen und keinen Raum gelassen haben für irgendwelche andere<br />

Tätigkeit und auch nicht für eines jener Gefühle, die wir für natürlich halten;<br />

drittens, daß der Mensch, ohne an etwas anderes zu denken als an seine Nahrung, nicht mit<br />

der Erzeugung der wenigstens für eben diesen seinen Lebensunterhalt nützlichen Gegenstände<br />

begann, sondern mit der Befriedigung seiner ästhetischen Bedürfnisse.<br />

Das ist außerordentlich seltsam! Der Widerspruch liegt hier klar auf der Hand; wie kommen<br />

wir aber aus ihm heraus?<br />

Man kann nicht anders aus ihm herauskommen, als dadurch, daß man sich von der Unrichtigkeit<br />

der Ansicht Büchers über die Beziehung der Kunst zu der auf die Erzeugung nützlicher<br />

Gegenstände gerichteten Tätigkeit überzeugt.<br />

Bücher täuscht sich sehr, wenn er sagt, die Entwicklung der bearbeitenden Industrie beginne<br />

1 [Bücher,] .‚Vier Skizzen“, S. 82; vgl. auch S. 85. [Zit. Werk, S. 17; vgl. auch S. 20.]<br />

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