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OCR-Texterkennung durch Max Stirner Archiv Leipzig, 08.07.2013<br />

Und wenn die Ideen im allgemeinen die historischen Geschehnisse erklären, so ist es vollkommen<br />

natürlich, die Hauptursache des Aufblühens oder des Verfalls irgendeines Imperiums<br />

(zum Beispiel des Römischen Imperiums) in den religiösen Ideen (zum Beispiel im<br />

Christentum) zu suchen. Voltaire blieb folglich der Geschichtsphilosophie seiner Zeit treu,<br />

wenn er sagte, das Christentum habe den Niedergang des Römischen Imperiums verursacht.<br />

Allein, unter den Philosophen des 18. Jahrhunderts gab es einige, die [12] als Materialisten<br />

bekannt sind. Das waren zum Beispiel Holbach, der Verfasser des berühmten „Système de la<br />

Nature“, und Helvétius, der Verfasser des nicht weniger bekannten Buches „De l’esprit“.<br />

Völlig natürlicherweise mußte man annehmen, daß wenigstens diese Philosophen die idealistische<br />

Erklärung der Geschichte nicht gutgeheißen hätten. Aber diese Annahme, so natürlich<br />

sie auch sei, trifft nicht zu. Holbach und Helvétius, die in ihrer Naturauffassung Materialisten<br />

waren, waren auf dem Gebiet der Geschichte Idealisten. Wie alle Philosophen des 18. Jahrhunderts,<br />

wie die ganze „Sippschaft der Enzyklopädisten“ („séquelle des encyclopédistes“),<br />

nahmen die Materialisten jener Zeit an, die Ideen lenkten die Welt und die Evolution der<br />

Ideen sei die tiefste Erklärung der ganzen historischen Entwicklung.<br />

„Unwissenheit, Irrtum, Vorurteil, Mangel an Erfahrung, an Überlegung und Voraussicht –<br />

hier sind die wahren Quellen des moralisch Bösen. Die Menschen schaden sich selbst und<br />

schaden ihren Genossen nur, weil sie keine Vorstellung von ihren wahren Interessen haben“<br />

(„Système social“, t. II, chap. 1, p. 5).<br />

An einer anderen Stelle desselben Werkes lesen wir: „Die Geschichte zeigt uns, daß auf dem<br />

Gebiete der Regierung die Völker immer das Opfer ihrer Unwissenheit, ihres Unverstandes,<br />

ihrer Leichtgläubigkeit, ihres panischen Schreckens und insbesondere der Launen jener waren,<br />

die es verstanden, sich die Menge untertan zu machen. Gleich den Kranken, die sich auf<br />

ihrem Lager hin- und herwerfen, ohne eine bequeme Lage zu finden, haben die Völker oft<br />

ihre Regierungsform gewechselt; aber niemals hatten sie die Kraft und die Fähigkeit, die Sache<br />

in ihrem Wesen umzugestalten, zu der wirklichen Quelle ihrer Leiden vorzudringen; sie<br />

wurden durch blinde Leidenschaften von einem Extrem zum anderen getrieben“ (ebenda, Bd.<br />

II, S. 27). 1<br />

Diese Zitate zeigen Ihnen, daß der Materialist Holbach die Unwissenheit für die Ursache des<br />

moralischen und politischen Niedergangs hielt. Wenn die Völker schlecht sind, so sind sie es<br />

infolge ihrer Unwissenheit; wenn ihre Regierungen unfähig sind, dann deshalb, weil die Völker<br />

nicht die wahren Prinzipien der gesellschaftlichen und politischen Organisation finden<br />

konnten; wenn die Revolutionen, die von den Völkern gemacht wurden, nicht das moralische<br />

und gesellschaftliche Übel ausrotten konnten, dann deshalb, weil es ihnen an Wissen fehlte.<br />

Was ist Unwissenheit? Was ist Irrtum? Was ist Vorurteil? Unwissenheit, Irrtum, Vorurteil –<br />

alles das sind nur irrige Ideen. Und wenn Unwissenheit, Irrtum und Vorurteil die Menschen<br />

hinderten, die wahren Grundlagen der politischen [13] und gesellschaftlichen Organisation zu<br />

finden, so ist klar, daß irrige Ideen die Welt regierten. Holbach hält sich in dieser Beziehung<br />

folglich an die Auffassung, die die meisten Philosophen des 18. Jahrhunderts vertraten.<br />

Was Helvétius betrifft, so führe ich Ihnen nur seine Meinung über die Feudalordnung an.<br />

In seinem Brief an Saurin über den „Geist der Gesetze“ von Montesquieu sagt er: „Was will<br />

er uns denn in seiner ‚Abhandlung über das Feudalwesen‘ sagen? Ist das vielleicht ein Gegenstand,<br />

um dessen Aufklärung zu mühen sich für einen klugen und urteilsfähigen Geist<br />

lohnt? Welche gesetzgeberischen Normen kann man aus diesem Chaos barbarischer Gesetze<br />

1 [„Système social...“, par le Baron d’Holbach, Paris 1822, tome premier, seconde partie, chapitre 9 er et 2 me , p.<br />

301 et p. 331/32.]<br />

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