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erschien nennen menschenähnlichen

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OCR-Texterkennung durch Max Stirner Archiv Leipzig, 11.07.2013<br />

Die Weddas auf Ceylon stehen ebenfalls auf der niedrigsten Stufe der Entwicklung. Bücher<br />

führt sie zusammen mit den Buschmännern als Beispiel der äußersten Wildheit an. Und dabei<br />

sind sie, nach dem Zeugnis von Tennent, „ihren Kindern und Verwandten auffallend zu getan...“.<br />

1<br />

Auch die Eskimos, diese Vertreter der Eiszeitkultur, „haben ihre Kinder ungemein lieb“ 2 .<br />

Von der großen Liebe der südamerikanischen Indianer zu ihren Kindern hat schon Pater<br />

Gumilla gesprochen. 3 Waitz betrachtete diese Liebe [109] als einen der hervorstechendsten<br />

Charakterzüge der amerikanischen Eingeborenen. 4<br />

Unter den dunkelhäutigen Stämmen Afrikas kann man ebenfalls nicht wenige Stämme <strong>nennen</strong>,<br />

die durch ihre zärtliche Besorgtheit um ihre Kinder die Aufmerksamkeit der Reisenden<br />

auf sich gezogen haben. 5<br />

Mit einem Wort, das dem neuzeitlichen Ethnologen zur Verfügung stehende empirische Material<br />

bestätigt auch in diesem Falle die Ansicht Büchers nicht.<br />

Woher kam nun dieser Irrtum? Er hat die bei den Wilden ziemlich verbreitete Gewohnheit<br />

der Kindes- und Greisentötung falsch ausgelegt. Natürlich erscheint der Schluß von der Kindes-<br />

und Greisentötung auf das Fehlen gegenseitiger Anhänglichkeit zwischen Kindern und<br />

Eltern auf den ersten Blick als durchaus logisch. Aber er erscheint eben nur so, und eben nur<br />

auf den ersten Blick.<br />

In der Tat, die Kindestötung ist unter den Eingeborenen Australiens stark verbreitet. Im Jahre<br />

1860 wurde ein Drittel der neugeborenen Kinder der Narrinyeri getötet: man tötete jedes<br />

Kind, das in einer Familie geboren wurde, wo schon kleine Kinder vorhanden waren; man<br />

tötete alle Kinder von schwacher Konstitution; man tötete Zwillinge usw. Das bedeutet aber<br />

noch nicht, daß die Australier des genannten Stammes keine elterlichen Gefühle besaßen.<br />

Ganz im Gegenteil, wenn sie beschlossen hatten, ein bestimmtes Kind möge am Leben bleiben,<br />

so kannte „die Geduld, womit es behandelt wird, keine Grenzen“ 6 . Wie Sie sehen, verhält<br />

sich die Sache gar nicht so einfach, wie es anfangs schien; die Kindestötung hinderte die<br />

Australier nicht, ihre Kinder zu lieben und geduldig zu pflegen. Und nicht nur die Australier.<br />

Kindestötung gab es auch im alten Sparta, aber folgt daraus, daß die Spartaner noch nicht<br />

jene Stufe kultureller Entwicklung erreicht hatten, auf welcher die Liebe der Eltern zu den<br />

Kindern entsteht?<br />

Was die Tötung von Kranken und Greisen betrifft, muß man hier vor allem jene außergewöhnlichen<br />

Umstände in Rechnung stellen, unter denen sie stattfindet. Sie wird nur dann<br />

ausgeführt, wenn alte Leute ganz von Kräften gekommen und der Möglichkeit beraubt sind,<br />

ihre Stammesgenossen auf der Wanderung zu begleiten. 7 Da die dem Wilden ver-<br />

1 Tennent, „Ceylon“, II, 445 (vgl. „Die Weddas von Ceylon“ von P. u. F. Sarasin, S. 469).<br />

2 D. Cranz, „Historie von Grönland“, Bd. I, S. 213. Vgl. Klutschak, „Als Eskimo unter den Eskimos“, S. 234,<br />

und Boas, zit. Werk, S. 566.<br />

3 „Histoire naturelle, civile et géographique de l’Orénoque“, t. I, p. 211.<br />

4 [Waitz,] „Die Indianer Nordamerikas“, Leipzig 1865, S. 101. Vgl. die Arbeit von Matilda Stevenson, „The<br />

Siou“, im 11. Jahresbericht des amerikanischen ethnologischen Bureaus an das Smithson-Institut. Nach den<br />

Worten Stevensons hungern bei Nahrungsmangel die Erwachsenen, geben aber den Kindern zu essen.<br />

5 Siehe zum Beispiel, was Schweinfurth über die Diur sagte – „Au cœur de l’Afrique“, t. I, p. 210. [„Im Herzen<br />

von Afrika“, Erster Teil, Leipzig 1874, S. 232.]<br />

6 Ratzel, „Völkerkunde“, [2. Auflage,] I, 339.<br />

7 C. Lafitau, „Les mœurs des sauvages...“ I, p. 490, auch Catlin, „Letters and Notes“, I, 217. Catlin behauptet,<br />

daß die Greise in solchen Fällen unter Hinweis auf [110] ihre Gebrechlichkeit selbst darauf dringen, man möge<br />

sie töten (ebenda, auf der gleichen Seite). Ich gestehe, daß mir dieser letzte Punkt lange zweifelhaft <strong>erschien</strong>.<br />

Aber sagen Sie mir, geehrter Herr, meinen Sie, daß die folgende Stelle in Tolstois Erzählung „Herr und Knecht“<br />

48

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