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erschien nennen menschenähnlichen

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OCR-Texterkennung durch Max Stirner Archiv Leipzig, 11.07.2013<br />

den Aufsicht des Stammeshäuptlings erzogen, wobei man die Knaben im Kriegs- und Jagdhandwerk<br />

unterwies und die Mädchen in den verschiedenartigen häuslichen Arbeiten. 1 Ist das<br />

nicht ein lebendiges Band der Generationen? Ist das nicht die Weitergabe der kulturellen Errungenschaften<br />

von Geschlecht zu Geschlecht?<br />

Obwohl die Sachen, die dem Verstorbenen gehört hatten, sehr häufig wirklich auf seinem<br />

Grabe vernichtet wurden – die Fertigkeit, diese Sachen herzustellen, wird doch von Geschlecht<br />

zu Geschlecht überliefert, und das ist bei weitem wichtiger als die Weitergabe der<br />

Sachen selbst. Freilich verzögert die Vernichtung der Habe des Verstorbenen auf seinem<br />

Grabe die Ansammlung von Reichtum in der Urgesellschaft, aber erstens beseitigt sie, wie<br />

wir gesehen haben, nicht die lebendige Verbindung der Generationen, und zweitens ist der<br />

Besitz der einzelnen Person bei Bestehen gesellschaftlichen Eigentums an sehr vielen Gegenständen<br />

gewöhnlich nicht sehr groß. Er besteht vor allem in der Waffe, und die Waffe des<br />

Jäger-Kriegers eines Naturvolkes verwächst so eng mit seiner Persönlichkeit, daß sie gewissermaßen<br />

seine Fortsetzung bildet und den übrigen Personen wenig tauglich erscheint. 2<br />

Deshalb ist die Verbrennung des Besitzes zusammen mit dem toten Besitzer auch ein geringerer<br />

Verlust für die Gesellschaft, als es auf den ersten Blick scheinen mag. Wird die Vernichtung<br />

der Sachen des Verstorbenen in der Folge, mit der Entwicklung der Technik und des<br />

gesellschaftlichen Reichtums zu einem ernsten Verlust für seine Angehörigen, dann wird sie<br />

allmählich eingeschränkt oder sogar eingestellt und macht einer einfachen symbolischen<br />

Vernichtung Platz. 3<br />

Da Bücher das Vorhandensein einer lebendigen Verbindung zwischen [108] den Generationen<br />

der Wilden negiert, ist es nicht verwunderlich, daß er sich zu ihren elterlichen Gefühlen<br />

sehr skeptisch verhält.<br />

„Neuere Ethnographen“, sagt er, „haben sich viel Mühe gegeben, die Stärke der Mutterliebe als<br />

einen allen Kulturstufen gemeinsamen Zug zu erweisen. Es fällt uns in der Tat schwer, ein Gefühl,<br />

das wir in so anmutiger Weise bei manchen Tierarten sich äußern sehen, bei unserer eigenen<br />

Gattung missen zu sollen. Aber es weisen doch zu viele Beobachtungen darauf hin, daß bei<br />

niedrig stehenden Völkern die bloße Sorge um das eigene Leben alle andern seelischen Regungen,<br />

auch die der Blutsverwandtschaft, überwiegt, ja daß neben ihr überhaupt nichts Höheres<br />

aufkommen kann... Derselbe Zug grenzenloser Selbstsucht ist in der Rücksichtslosigkeit zu<br />

erkennen, mit der viele Naturvölker Kranke und Alte, welche den Gesunden hinderlich sein<br />

könnten, auf dem Marsche im Stiche lassen oder an einsamen Orten aussetzen.“ 4<br />

Leider führt Bücher sehr wenige Tatsachen zur Bestätigung seines Gedankens an, und wir<br />

werden in fast völliger Ungewißheit darüber gelassen, von welchen Beobachtungen er eigentlich<br />

spricht. Deshalb bleibt mir nichts anderes übrig, als seine Worte auf Grund der Beobachtungen,<br />

die mir selbst bekannt sind, zu überprüfen.<br />

Die Australier rechnet man mit vollem Recht zu den am niedrigsten stehenden Jägerstämmen.<br />

Ihre kulturelle Entwicklung ist gleich Null. Im Hinblick darauf könnte man ja wohl erwarten,<br />

ihnen sei die „kulturelle Errungenschaft“, die wir Elternliebe <strong>nennen</strong>, noch unbekannt. Indes,<br />

die Wirklichkeit rechtfertigt diese Erwartung nicht: die Australier hängen leidenschaftlich an<br />

ihren Kindern; sie spielen oft mit ihnen und liebkosen sie. 5<br />

1 Lichtenstein, „Reisen“, I, S. 425.<br />

2 Ein Beispiel von sehr vielen: „Der Jäger darf sich keiner fremden Waffen bedienen; besonders behaupten<br />

diejenigen Wilden, die mit dem Blasrohr schießen, daß dieses Geschoß durch den Gebrauch eines Fremden<br />

verdorben werde, und geben es nicht aus ihren Händen“; Martius, op. cit., [München 1832], S. 50.<br />

3 Siehe bei Letourneau, „L’évolution de la propriété“, p. 418 ff.<br />

4 [Bücher,] „Vier Skizzen“, S. 81/82. [Zit. Werk, S. 16.]<br />

5 Eyre, op. cit., p. 241.<br />

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